06.11.2014

Nachzahlungspflicht bei Prepaid-Mobilfunkverträgen kann durchaus wirksam sein

AGB-Klauseln über vorausbezahlte Mobilfunkleistungen ("prepaid"-Verträge), in denen geregelt ist, dass bei Roaming-verbindungen, bei Verbindungen zu Premiumdiensten sowie bei über das Sprach- oder Datennetz in Anspruch genommenen Mehrwertdiensten die für die Abrechnung erforderlichen Daten verzögert vom Netzbetreiber übermittelt werden können, so dass aufgrund von verzögerten Abbuchungen ein Negativsaldo auf dem Guthabenkonto des Kunden entstehen kann, den dieser auszugleichen hat, sind wirksam, sofern diese Rechtslage klar und unmissverständlich verdeutlicht wird.

BGH 9.10.2014, III ZR 33/14
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverein. Er verlangte von dem beklagten Telekommunikationsunternehmen, die Verwendung zweier Klauseln seiner AGB zu unterlassen. Die Beklagte bietet Mobilfunkleistungen an. Sie betreibt kein eigenes Netz, sondern nutzt dasjenige eines anderen Unternehmens zur Erbringung ihrer Dienstleistungen. Die Kunden der Beklagten können zwischen zwei Arten von Verträgen wählen. In der einen Variante erfolgt die Abrechnung monatlich im Nachhinein. In der anderen erwirbt der Kunde zuvor ein Guthaben, von dem die Kosten für die Nutzung des Mobilfunks abgezogen werden (Komfort-Aufladung).

In den AGB war zudem geregelt, dass die Beklagte bei den auf Guthabenbasis geführten Verträgen das sog. off-linebilling-Verfahren praktiziert. Der Abzug des Telekommunikationsentgelts von dem Guthaben erfolgt hierbei nicht notwendig zeitgleich mit der Inanspruchnahme der Mobilfunkleistungen, sondern in den in der Klausel aufgeführten Fällen mit einer technisch bedingten Zeitverzögerung. Dies kann dazu führen, dass ein Negativsaldo zulasten des Kunden entsteht, wenn er die Leistungen weiter in Anspruch nimmt, obgleich der von ihm vorab geleistete Betrag bereits verbraucht ist, dies aber infolge der Zeitverzögerung noch nicht verbucht ist.

Der Kläger war der Ansicht, die Klauseln seien wegen Verstoßes gegen das Recht der AGB unwirksam und verlangte von der Beklagten, die Verwendung dieser Bestimmungen (und inhaltsgleicher) zu unterlassen und sich bei bestehenden Verträgen nicht auf sie zu berufen. LG und OLG gaben der Klage statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH die Vorentscheidungen auf und wies die Klage ab.

Gründe:
Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen benachteiligen die vom Kläger beanstandeten Klauseln der AGB der Beklagten deren Vertragspartner nicht entgegen Treu und Glauben gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen.

Es handelt sich hier um das Preis-Leistungsgefüge nur mittelbar regelnde, kontrollfähige Bestimmungen. Damit setzt die Beklagte nicht einseitig und missbräuchlich ihre Interessen auf Kosten ihrer Kunden durch. Die Beklagte hat keinen Einfluss auf das Entstehen der Forderung ihres Netzbetreibers, während der Kunde die betreffenden Kosten durch die Nutzung der Leistung verursacht und die hieraus entstehenden Vorteile erhält. Deshalb hat sie ein berechtigtes Interesse, einen infolge der verzögerten Abbuchung der entsprechenden Kosten entstehenden Negativsaldo von ihren Kunden ausgeglichen zu erhalten. Die Interessenabwägung ergibt insofern keine unangemessene Benachteiligung der Kunden der Beklagten, sofern ihnen die Rechtslage klar und unmissverständlich verdeutlicht wird.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes handelt es sich hier auch nicht um eine unklare Klausel gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Nach dem aus dieser Bestimmung folgenden Transparenzgebot sind Verwender AGB entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Bei der Bewertung der Transparenz ist auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen. Dabei sind AGB nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden.

Infolgedessen war die streitige Klausel nicht zu beanstanden. Sie ist als solche sprachlich und inhaltlich unmissverständlich und beschreibt zutreffend das Risiko des Entstehens eines Negativsaldos bei Verbrauch des Kartenguthabens, falls Roaming-, Premium- oder Mehrwertdienste in Anspruch genommen werden. Sie widerspricht auch nicht den Erwartungen der Kunden eines sog. Prepaidvertrages. Der englische Begriff "prepaid" hat - wie andere, insbesondere in der Telekommunikationsbranche auch im Übrigen vielfach verwendete, eher hülsenhafte fremdsprachige Produktbezeichnungen - keinen fest umrissenen Bedeutungsinhalt. Es handelt sich vielmehr um eine eher schlagwortartige Bezeichnung, der sich zwar der Grundcharakter des Vertrags entnehmen lassen mag, die jedoch keinen Rückschluss auf Einzelheiten der vertraglichen Regelungen zulässt.

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