18.12.2023

Online-Glücksspiel: Teilnehmer kann verlorene Einsätze zurückfordern

Der Nichtigkeit stand nicht entgegen, dass sich die Verbotsnorm des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nur an die Online-Glücksspielanbieterin, nicht jedoch an den Teilnehmer richtete. Denn betrifft das gesetzliche Verbot nur einen Vertragspartner, so hat dies im Regelfall nicht die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge; anderes gilt aber, wenn es mit dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes nicht vereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen, und hieraus die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gefolgert werden muss.

OLG Köln v. 17.11.2023 - 19 U 123/22
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist eine Online-Glücksspielanbieterin. Der Kläger hatte vom 12.3.2018 bis zum 6.2.2019 über die deutschsprachige Internetdomain von seiner Wohnung aus an Sportwetten teilgenommen und in dieser Zeit über verschiedene Zahlungsdienstleister 224.161 € als Spieleinsätze eingezahlt, wobei er Auszahlungen i.H.v. 42.500,00 € erhielt. Später verlangte der Kläger von der Beklagten Rückzahlung von 181.661 €. Er behauptete, er habe die Angebote der Beklagten für erlaubt gehalten und habe erst 2019 von der Rechtswidrigkeit der Sportwetten erfahren.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Rückzahlung der verlorenen Wetteinsätze zu; insbesondere bestehe kein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB, weil das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien wirksam gewesen sei. Zwar habe die Beklagte nicht über eine Konzession für das Angebot von Sportwetten verfügt, weshalb an sich gegen § 4 Abs. 1 GlüStV 2012 verstoßen worden sei. Da jedoch andererseits die Ordnungsbehörden in dem in Rede stehenden Zeitraum das Angebot von Sportwetten nicht hätten untersagen können, könne im Umkehrschluss auch kein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot i.S.d. § 134 BGB angenommen werden.

Auf die Berufung des Klägers hat das OLG die Entscheidung abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 181.661 € zu zahlen.

Die Gründe:
Es besteht ein Zahlungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB.

Die Beklagte hat die Wetteinsätze des Klägers durch Leistung(en) des Klägers erlangt. Dies geschah ohne Rechtsgrund, weil die jeweiligen wetteinsatzbezogenen Verträge zwischen den Parteien wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB als nichtig zu bewerten waren, da sie gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verstießen. Danach war in dem Zeitraum, in welchem die vorliegend geltend gemachten Einzahlungen zum Zweck der Teilnahme an Glücksspielen erfolgten, das Veranstalten derselben im Internet verboten.

Die Bestimmungen des GlüStV 2012 zum Verbot des Internet-Glücksspiels waren in demjenigen Zeitraum, in dem der Kläger seine Wetteinsätze bei der Beklagten tätigte, wirksam und auch materiell mit dem Unionsrecht vereinbar, insbesondere stellten sie keine inkohärente Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs gem. Art. 56 AEUV dar. Der Nichtigkeit stand auch nicht entgegen, dass sich die Verbotsnorm des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nur an die Beklagte, nicht jedoch an den Kläger richtete. Denn betrifft das gesetzliche Verbot nur einen Vertragspartner, so hat dies im Regelfall nicht die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge; anderes gilt aber, wenn es mit dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes nicht vereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen, und hieraus die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gefolgert werden muss. Nichts anderes ergab sich daraus, dass hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Sportwetten gem. § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 ein Erlaubnisvorbehalt geregelt ist, wonach unter bestimmten Voraussetzungen eine Erlaubnis für die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten erteilt werden kann. Denn die Beklagte verfügte über eine solche Erlaubnis in NRW im hier streitgegenständlichen Zeitraum gerade nicht.

Das Nichtigkeitsverdikt wurde durch eine etwaige passive oder aktive Duldung des Internet-Sportwettenangebotes der Beklagten durch die für eine etwaige Ahndung zuständigen Behörden ebenso wenig in Frage gestellt wie durch verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, kraft derer eine Einschätzung der Beklagten, es sei mit behördlichen Maßnahmen gegen ihr Internet-Sportwettenangebot nicht zu rechnen, gerechtfertigt gewesen sein mag. Der Rückforderung stand auch nicht die Vorschrift des § 817 S. 2 BGB entgegen. Der Ausschluss greift nur ein, wenn der Leistende vorsätzlich verbots- oder sittenwidrig gehandelt oder sich der Einsicht in das Verbots- oder Sittenwidrige seines Handelns leichtfertig verschlossen hat. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

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Rechtsprechung
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