30.10.2012

Parteien können Fortsetzung eines zu Unrecht nach § 7 Abs. 1 KapMuG ausgesetzten Rechtstreits verlangen

Ist ein Rechtsstreit entgegen § 7 Abs. 1 KapMuG ausgesetzt worden, können die Parteien jederzeit dessen Fortsetzung verlangen. Das gilt auch dann, wenn sie zuvor gegen den Aussetzungsbeschluss kein Rechtsmittel eingelegt haben.

BGH 11.9.2012, XI ZB 32/11
Der Sachverhalt:
Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit der von ihm im August 2004 gezeichneten Beteiligung an der F-Medienfonds GmbH & Co. KG, einem Filmfonds. Er beruft sich auf eine Prospektverantwortung der Beklagten unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Prospekthaftung im engeren Sinne mit der Begründung, der für die Anlage herausgegebene Prospekt sei inhaltlich aus verschiedenen Gründen falsch. Außerdem nimmt er die Beklagte als die seine Beteiligung finanzierende Bank in Anspruch mit der Begründung, die Beklagte habe Aufklärungspflichten bei Eingehung des Darlehensvertrages verletzt. Zudem hat er den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung erklärt.

Die vom Kläger gezeichnete Anlage entwickelte sich nicht wie erwartet. Die Ausschüttungen blieben hinter den Prognosen zurück und das Finanzamt entzog dem Fonds die gewährte steuerliche Anerkennung als Abschreibungsmodell. Der Initiator des Fonds wurde wegen der unzutreffenden steuerlichen Gestaltung des Fonds rechtskräftig zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Beim OLG München wurde ein Verfahren nach dem KapMuG durchgeführt, gegen dessen Musterentscheid zwischenzeitlich beim BGH ein Rechtsbeschwerdeverfahren anhängig ist. Die Beklagte ist dort Musterbeklagte zu 2). Zu klären sind in diesem Verfahren, soweit es die hiesige Beklagte betrifft, deren Prospektverantwortlichkeit und die Fehlerhaftigkeit des Prospekts.

Das LG setzte das Verfahren nach § 7 KapMuG aus; die Parteien legten Rechtsbehelfe ein. Im August 2011 beantragte der Kläger die Fortsetzung des Verfahrens, weil der Rechtsstreit entscheidungsreif und außerdem eine Aussetzung des Verfahrens nach § 7 KapMuG nicht zulässig gewesen sei. Das LG lehnte den Antrag ab. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers hob das OLG den Beschluss des LG auf. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG ist zutreffend davon ausgegangen, dass das LG aufgrund des Antrags des Klägers über eine Fortsetzung des Verfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen zu befinden hat und daran nicht durch die Rechtskraft des Aussetzungsbeschlusses gehindert ist.

Der Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses steht nicht entgegen, dass dieser - mangels Einlegung eines Rechtsbehelfs durch eine der Parteien - rechtskräftig geworden ist. Die dadurch eingetretene Unanfechtbarkeit gilt nur für den Aussetzungsbeschluss selbst, nicht aber für eine Entscheidung des LG, mit der der Aussetzungsbeschluss aufgehoben wird. Dies folgt aus den - mangels spezieller Regelungen im KapMuG - hier anwendbaren §§ 150, 250 ZPO, die die Aufnahme eines ausgesetzten Verfahrens grundsätzlich zulassen und die Entscheidung darüber in das Ermessen des Gerichts stellen, soweit nicht einerseits ein Aussetzungszwang oder andererseits eine Fortsetzungspflicht besteht.

Aufgrund dessen stellt eine Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses auch keine Umgehung der Frist des § 569 Abs. 1 ZPO dar. Ganz im Gegenteil verlangt das verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes die Aufhebung eines entgegen § 7 Abs. 1 KapMuG erlassenen Aussetzungsbeschlusses. Es ist einem Kläger nicht zuzumuten, dass sein wegen Verletzung darlehensvertraglicher Pflichten geführter Prozess ausgesetzt bleibt und er unabsehbare Zeit auf das Ergebnis des Musterverfahrens warten muss, obwohl nicht feststeht, dass es auf den Ausgang des Musterverfahrens in seinem Prozess tatsächlich ankommt. Dem Kläger würden erhebliche Rechtsnachteile drohen, wenn z.B. Zeugen versterben oder sich wegen Zeitablaufs nicht mehr genau an den Inhalt des Beratungsgesprächs erinnern können.

Demnach hat das OLG zu Recht angenommen, dass das LG eine Fortsetzung des Verfahrens nicht hätte ablehnen dürfen, sondern dem Antrag des Klägers hätte entsprechen müssen. Ein Aussetzungszwang, der die Aufhebung eines Aussetzungsbeschlusses verbieten würde, besteht nicht. Die Aussetzung des Rechtsstreits durch das LG ist fehlerhaft, weil § 7 KapMuG auf das Streitverhältnis der Parteien insoweit keine Anwendung findet, als Ansprüche aus vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten aus dem Darlehensverhältnis im Streit sind. Vielmehr ist eine Fortsetzung des Verfahrens geboten. Die Aussetzung nach § 7 Abs. 1 KapMuG ist - wie dargelegt - rechtsfehlerhaft. Eine Aussetzung nach § 148 ZPO kommt ebenfalls nicht in Betracht.

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