15.11.2022

Patentnichtigkeitsklageverfahren zur Brenngutkühlung

Wird in der Beschreibung eines Patents ausgeführt, eine bekannte Vorrichtung weise bestimmte Elemente auf, die zu einer vertikalen Mischbewegung führten, und sieht der Patentanspruch ein Verfahren vor, bei dem es an einer vertikalen Mischbewegung fehlt, ist dieses Merkmal im Zweifel so auszulegen, dass es die bei der bekannten Vorrichtung auftretende Bewegung ausschließt. Eine Entgegenhaltung, in der vorgeschlagen wird, die darin offenbarte Vorrichtung zur Steigerung des Wirkungsgrades mit bestimmten zusätzlichen Elementen zu versehen, nimmt eine Ausgestaltung, bei der der Wirkungsgrad ohne diese Elemente gesteigert wird, nicht neuheitsschädlich vorweg.

BGH v. 27.9.2022 - X ZR 87/20
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 509 737, das am 5.4.2004 unter Inanspruchnahme einer europäischen Priorität vom 8.5.2003 angemeldet wurde und ein Verfahren zum Kühlen von schüttfähigem Brenngut betrifft. Genauer gesagt betrifft es das technische Problem, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, das einen wirtschaftlichen Betrieb und ein hohes Maß an Wärmerückgewinn ermöglicht. Nach der Beschreibung des Streitpatents waren im Stand der Technik verschiedene Vorgehensweisen zum Kühlen von Brenngut wie etwa Zementklinker bekannt.

Die Klägerin hatte geltend gemacht, die Erfindung sei nicht so offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne, und der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Schutzrecht in der erteilten Fassung und hilfsweise in zwei geänderten Fassungen verteidigt.

Das Patentgericht hat das Streitpatent teilweise für nichtig erklärt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat der BGH das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.

Gründe:
Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist Merkmal 4 in NiK5 nicht offenbart. Im Streitfall dient Merkmal 4 der Abgrenzung von dem in NiK5 offenbarten Verfahren.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist es bei der Auslegung eines Patentanspruchs zu berücksichtigen, wenn sich ein Patent mit seiner Lehre von dem in ihm beschriebenen Stand der Technik abzugrenzen sucht. Wird etwa in der Beschreibung ein bekannter Stand der Technik mit dem Oberbegriff eines Patentanspruchs gleichgesetzt, ist den Merkmalen des kennzeichnenden Teils im Zweifel kein Verständnis beizumessen, demzufolge diese sich in demjenigen Stand der Technik wiederfinden, von dem sie sich gerade unterscheiden sollen. Die Abgrenzung zu konkretem Stand der Technik kann allerdings nur dann zu einer einschränkenden Auslegung führen, wenn erkennbar ist, auf welche konkrete Ausgestaltung sich die Abgrenzung bezieht.

Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Mit der Anordnung von vertikalen Querwänden auf den Planken des Rosts und der dadurch hervorgerufenen vertikalen Mischbewegung gibt das Streitpatent hinreichend konkret an, von welcher Ausgestaltung es sich mit Merkmal 4 abgrenzt. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist Merkmal 4 vor diesem Hintergrund nicht dahin auszulegen, dass als vertikale Mischbewegung nur eine vollständige Durchmischung anzusehen ist, bei der Material aus unteren Schichten in beliebigem Umfang in obere Schichten verlagert werden kann und umgekehrt. Eine vertikale Mischbewegung liegt vielmehr schon dann vor, wenn das Material in bestimmten Bereichen durch auf dem Rost angeordnete quer verlaufende Planken oder ähnlich wirkende Elemente vorübergehend angehoben wird, wie dies in NiK5 offenbart ist.

Wird in der Beschreibung eines Patents ausgeführt, eine bekannte Vorrichtung weise bestimmte Elemente auf, die zu einer vertikalen Mischbewegung führten, und sieht der Patentanspruch ein Verfahren vor, bei dem es an einer vertikalen Mischbewegung fehlt, ist dieses Merkmal im Zweifel so auszulegen, dass es die bei der bekannten Vorrichtung auftretende Bewegung ausschließt. Eine Entgegenhaltung, in der vorgeschlagen wird, die darin offenbarte Vorrichtung zur Steigerung des Wirkungsgrades mit bestimmten zusätzlichen Elementen zu versehen, nimmt eine Ausgestaltung, bei der der Wirkungsgrad ohne diese Elemente gesteigert wird, nicht neuheitsschädlich vorweg.

Mehr zum Thema:

Aufsatz
Christian Harmsen / Ralph Pennekamp
Der Streitwert in Patentsachen
IPRB 2012, 111

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