03.12.2013

Phoenix: Im Rahmen der vertragsgemäßen Anlage von Kundengeldern entstandene Handelsverluste sind nicht entschädigungsfähig

Mit der Neufassung des § 1 Abs. 4 EAEG hat der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, nur solche Ansprüche des Anlegers zu schützen, die sich unmittelbar auf die Verschaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an Geldern oder Wertpapieren richten. Handelsverluste, die im Rahmen der vertragsgemäßen Anlage von Kundengeldern entstanden sind, sind nicht entschädigungsfähig.

BGH 5.11.2013, XI ZR 13/13
Der Sachverhalt:
Die Klägerinnen nehmen die beklagte Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen auf Entschädigung nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (EAEG) in Anspruch. Die Klägerin zu 1) beteiligte sich 1995 und 2004 mit einem Anlagebetrag von insgesamt rd. 8.600 € an dem Phoenix Managed Account (PMA), einer von der Phoenix Kapitaldienst GmbH (P-GmbH) im eigenen Namen und für gemeinsame Rechnung der Anleger verwalteten Kollektivanlage, deren Gegenstand die Anlage der Kundengelder in "Termingeschäften für gemeinsame Rechnung zu Spekulationszwecken mit Vorrang von Stillhaltergeschäften" war. Im August 1995 beteiligten sich ferner beide Klägerinnen gemeinschaftlich mit einem Anlagebetrag von rd. 5.500 € einschließlich Agio an dem PMA.

Die P-GmbH war bis Ende 1997 auf dem sog. Grauen Kapitalmarkt tätig. Ab Januar 1998 wurde sie als Wertpapierhandelsbank eingestuft und der Aufsicht des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel unterstellt. Bereits ab Mitte 1993 hatte die P-GmbH begonnen, die für den PMA eingegangenen Verpflichtungen aus den Termingeschäften nicht mehr mit dem aktuellen Marktwert, sondern mit "Null" zu bewerten, um eingetretene Verluste zu verschleiern. Ab 1997 legte die P-GmbH nur noch einen geringen Teil der von ihren Kunden vereinnahmten Gelder vertragsgemäß in Termingeschäften an. Ein Großteil der Gelder wurde im Wege eines "Schneeballsystems" für Zahlungen an Altanleger und für die laufenden Geschäfts- und Betriebskosten verwendet. Auf diese Weise erhielt auch die Klägerin zu 1) zu dem ersten Konto Auszahlungen über insgesamt rd. 5.100 €.

Im März 2005 untersagte die BaFin der P-GmbH den weiteren Geschäftsbetrieb und stellte den Entschädigungsfall fest. Im Juli 2005 wurde über das Vermögen der P-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Beklagte ermittelte auf der Grundlage der von ihr überprüften Berechnungen des Insolvenzverwalters ausgehend vom rekonstruierten, tatsächlichen Handelsverlauf des PMA für jeden Anleger den Verlauf und Endstand seiner Anlage. Bei der Ermittlung der Endbeträge für die Konten der Klägerinnen zog die Beklagte die jeweiligen Handelsverluste ab. Mit ihrer Klage begehren die Klägerinnen von der Beklagten die Zahlung von 90 Prozent ihrer jeweiligen Anlagesumme unter Berücksichtigung der Auszahlungen. Sie sind der Ansicht, dass die Handelsverluste nicht hätten abgezogen werden dürfen.

Das LG gab der Klage in vollem Umfang statt. Das KG gab ihr lediglich in geringem Umfang statt. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerinnen hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das KG hat bei der Bemessung des Entschädigungsanspruchs der Klägerinnen aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG zu Recht die von der Beklagten berechneten Handelsverluste anspruchsmindernd berücksichtigt.

Die P-GmbH, ein u.a. mit Finanzkommissionsgeschäften befasstes Kreditinstitut (§ 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KWG), war ein der beklagten Entschädigungseinrichtung zugeordnetes Institut (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 EAEG). Den Eintritt des Entschädigungsfalles hat die BaFin gem. § 1 Abs. 5, § 5 Abs. 1 EAEG festgestellt. Das KG hat rechtsfehlerfrei eine Verbindlichkeit der P-GmbH gegenüber der Klägerseite aus Wertpapiergeschäften bejaht.

Wie der Senat mit Urteil vom 23.11.2010 (XI ZR 26/10) bereits entschieden hat, wird von § 1 Abs. 4 S. 1 EAEG auch der von den Klägern gegenüber der P-GmbH geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der von ihr eingezahlten Gelder, der seine Grundlage in § 675 Abs. 1, § 667 Fall 1 BGB hat, erfasst. Denn bei den vertragswidrig verwendeten Anlagegeldern handelt es sich um Gelder, die dem Anleger gehören und für dessen Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Das EAEG bezweckt gerade auch den Schutz des Anlegers vor solchen Vertragsverletzungen eines Instituts, die den Anspruch des Kunden auf Rückzahlung der eingezahlten, aber vertragswidrig verwendeten Gelder vereiteln.

Der Entschädigungsanspruch umfasst - wie das KG zutreffend angenommen hat - jedoch nicht die von der Beklagten berechneten, tatsächlichen Handelsverluste. Nach § 1 Abs. 4 S. 1 EAEG sind Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften Verpflichtungen eines Instituts auf Rückzahlung von Geldern, die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet werden oder gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Handelsverluste, die aufgrund einer vertragsgemäßen Anlage der Gelder entstanden sind, werden davon nicht erfasst.

Mit der Neufassung des § 1 Abs. 4 EAEG durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz vom 21.6.2002 hat der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, nur solche Ansprüche des Anlegers zu schützen, die sich unmittelbar auf die Verschaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an Geldern oder Wertpapieren richten. Dazu gehören auch Ansprüche wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten, durch die wie etwa im Falle der Unterschlagung oder Untreue die Ansprüche des Kunden auf die Verschaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an Geldern oder Wertpapieren vereitelt werden. Der Ersatz (tatsächlich) entgangenen Gewinns oder der Ausgleich von Verlusten, die aufgrund einer fehlerhaften Anlagestrategie entstanden sind, unterfallen daher nicht dem Schutz des EAEG.

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