07.11.2014

Räumungsklage des Zwangsverwalters eines vermieteten Grundstücks kann nicht auf insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit des Mietvertrages gestützt werden

Der Zwangsverwalter eines vermieteten Grundstücks kann eine Räumungsklage auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vermieters nicht auf die insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit des Mietvertrages stützen. Die Rechtswirkung der Anfechtung tritt ausschließlich im Verhältnis zur Insolvenzmasse ein, nicht im Verhältnis zu Dritten.

BGH 16.10.2014, IX ZR 282/13
Der Sachverhalt:
Mit Vertrag vom 18.12.2008 mietete die Beklagte von der O-GmbH (Schuldnerin oder Vermieterin) Büro- und Lagerflächen im Umfang von insgesamt 641 qm. Mit einer ergänzenden Vereinbarung vom 22.10.2009 wurden weitere Räumlichkeiten in den i.Ü. unverändert fortgeltenden Vertrag einbezogen. Unter dem 23.10.2009 beantragte die Vermieterin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Nach Eröffnung am 30.6.2010 focht der Insolvenzverwalter die Mietverträge an und verlangte die Herausgabe der Mieträume. Am 15.12.2010 wurde die Zwangsverwaltung des Grundstücks angeordnet und die Klägerin zur Zwangsverwalterin bestellt.

Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin zunächst Räumung und Herausgabe der Mieträume. Das LG gab der Klage antragsgemäß statt. Während des Berufungsverfahrens wurde das Grundstück zwangsversteigert. Nachdem der Erwerber von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch gemacht und die Beklagte das Grundstück geräumt hatte, erklärte die Klägerin die Klage für erledigt und beantragte, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Die Beklagte schloss sich der Erledigungserklärung nicht an. Sie beantragte weiterhin die Abweisung der Klage. Im April 2012 wurde die Zwangsverwaltung im Hinblick auf den Zuschlagsbeschluss von März 2012 aufgehoben. Das OLG wies die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurück, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei.

Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Mit der Begründung des OLG kann eine Erledigung der Hauptsache nicht festgestellt werden. Grundlage des Anspruchs der Klägerin war § 152 ZVG i.V.m. § 985 BGB. Aus der vom Insolvenzverwalter über das Vermögen der Vermieterin erklärten, aber nicht weiterverfolgten Anfechtung kann eine Nichtigkeit der vertraglichen Vereinbarungen vom 18.12.2008 und vom 22.10.2009 nicht hergeleitet werden.

Der vorliegende Fall weist die Besonderheit auf, dass die Begründung einer Verbindlichkeit, nämlich der Abschluss des Mietvertrages nebst der ergänzenden Vereinbarung, angefochten worden ist. Wird eine auf Abschluss eines gegenseitigen Vertrages gerichtete Willenserklärung insolvenzrechtlich angefochten, hat dies zur Folge, dass der Anfechtungsgegner sich nicht auf die angefochtene Erklärung berufen kann. Einer weitergehenden Rückgewähr bedarf es nicht. Folge der Anfechtung ist also, dass der Vertrag als nicht bestehend behandelt wird. Der Insolvenzverwalter kann, wenn er auf Erfüllung des Vertrages in Anspruch genommen wird, dessen Anfechtbarkeit einwenden, ohne zuvor auf Rückgewähr der Vertragserklärungen des Schuldners klagen zu müssen.

Diese Rechtswirkung tritt jedoch ausschließlich im Verhältnis zur Insolvenzmasse ein, nicht im Verhältnis zu Dritten. Dem Wortlaut des § 143 InsO lässt sich die Beschränkung der Rechtsfolgen der Anfechtung auf das Verhältnis des Anfechtungsgegners zur Insolvenzmasse nicht entnehmen. Die Anfechtungsvorschriften der InsO sind jedoch im Grundsatz denjenigen der Konkursordnung nachgebildet worden. Nach § 29 KO, der Vorgängervorschrift des § 129 InsO, konnten Rechtshandlungen "als den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam" angefochten werden. Der Gesetzgeber der Insolvenzordnung hat diese Formulierung bewusst nicht übernommen. Damit sollte jedoch nur zum Ausdruck gebracht werden, dass die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung nicht als relative Unwirksamkeit aufzufassen ist, sondern im Regelfall einen obligatorischen Rückgewähranspruch begründet.

Nichts anderes gilt, wenn die anfechtbare Rechtshandlung in der Begründung einer Verbindlichkeit besteht. Im Verhältnis zur Insolvenzmasse bedarf es zwar keines Vollzugs der Rückgewähr. Der Insolvenzverwalter kann eine Inanspruchnahme bereits mit dem Einwand der Anfechtbarkeit abwehren. Damit bleibt der Vertrag jedoch bestehen; der Schuldner, der den Vertrag vor der Eröffnung geschlossen hat, bleibt aus ihm verpflichtet. Aufgehoben wird der Vertrag nicht bereits durch die vom Insolvenzverwalter erklärte oder gerichtlich geltend gemachte Anfechtung, sondern erst mit der Zustimmung oder einer entsprechenden Verurteilung des Anfechtungsgegners. Allenfalls dann kommt eine Wirkung der Anfechtung auch gegenüber Dritten in Betracht. Die Beklagte hat der vom Insolvenzverwalter erklärten Anfechtung des Mietvertrages und der ergänzenden Vereinbarung nicht zugestimmt. Dem eigenen Vortrag der Klägerin nach hat sie der Aufforderung des Verwalters, die Mietsache zu räumen, nicht Folge geleistet.

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