22.04.2013

Schadensersatz wegen Androhung der Mandatsniederlegung im Termin zur Erreichung einer Haftungsübernahme durch den Gesellschafter

Veranlasst der Rechtsanwalt den persönlich nicht haftenden Gesellschafter seiner Mandantin erstmals unmittelbar vor einem anberaumten Gerichtstermin mit dem Hinweis, anderenfalls das Mandat niederzulegen, zum Abschluss einer Haftungsübernahme, kann hierin eine widerrechtliche Drohung liegen. Verstößt der Anwalt gegen das Verbot zur Unzeit zu kündigen, ist zwar die Kündigung regelmäßig wirksam, der Anwalt macht sich aber schadensersatzpflichtig und handelt rechtswidrig.

BGH 7.2.2013, IX ZR 138/11
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist neben K Gesellschafterin verschiedener in- und ausländischer Gesellschaften, die von der Klägerin, einer Anwaltsgesellschaft, u.a. auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes beraten und in Rechtsstreitigkeiten gerichtlich vertreten wurden. Als die Gesellschaften im Jahre 2006 die Honorarrechnungen der Klägerin aus der Zeit von März 2005 bis Juni 2006 wegen aufgetretener Zahlungsschwierigkeiten nicht ausgleichen konnten, forderte die Klägerin die Beklagte und deren Mitgesellschafter mit E-Mail vom 31.7.2006 auf, die persönliche Haftung für die gegenwärtigen und künftigen Honoraransprüche zu übernehmen. Den mitübersandten Entwurf einer persönlichen Haftungsübernahme unterzeichnete die Klägerin nicht.

Auch auf eine erneute Zusendung des Vereinbarungsentwurfs mit E-Mail vom 10.8.2006 reagierte sie nicht. Zu diesem Zeitpunkt waren für das Jahr 2005 rd. 15.000 € und für das Jahr 2006 rd. 23.000 € offen. Anlässlich eines Verhandlungstermins vor dem LG Saarbrücken am 28.8.2006, den die Klägerin für eine der Gesellschaften wahrnahm und an dem die Beklagte und ihr Mitgesellschafter persönlich teilnahmen, unterzeichneten beide die von der Klägerin entworfene und zum Gerichtstermin mitgebrachte, als Übernahme der persönlichen Haftung bezeichnete Vergütungsvereinbarung. Hieraus nimmt die Klägerin die Beklagte auf Zahlung i.H.v. rd. 52.000 € in Anspruch. Die Beklagte macht demgegenüber geltend, die persönliche Haftungsübernahme sei ihr vor dem Gerichtstermin abgepresst worden.

LG und OLG gaben der Klage - mit Ausnahme eines geringen Teils der Zinsen - statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Nach den bislang getroffenen Feststellungen des OLG kann ein Schadensersatzanspruch der Beklagten auf Befreiung von der eingegangenen Haftungsübernahme nicht verneint werden.

Der Tatbestand einer rechtswidrigen Drohung oder arglistigen Täuschung begründet außer der Anfechtungsmöglichkeit auch einen Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens beim Vertragsschluss (§ 311 Abs. 2 BGB), der dem Bedrohten oder Getäuschten das Recht gibt, auch ohne Ausübung eines Gestaltungsrechts Befreiung von der eingegangenen Verbindlichkeit zu verlangen, sofern dem Betroffenen durch den Vertragsschluss ein Schaden entstanden ist. In der Ankündigung eines Rechtsanwaltes, das Mandat niederzulegen, um hierdurch eine günstigere Vergütungsabrede durchzusetzen, kann ausnahmsweise eine rechtswidrige Drohung liegen.

Ob eine Drohung in einem solchen Fall rechtswidrig ist, hängt von dem Verhältnis zwischen dem verfolgten Zweck und dem dazu eingesetzten Mittel ab; entscheidend ist, ob der Drohende an der Erreichung des Zwecks ein berechtigtes Interesse hat und die Drohung nach Treu und Glauben als ein angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen ist. So ist aufgrund der Mittel-Zweck-Relation eine widerrechtliche Drohung gegeben, wenn der Verteidiger unmittelbar vor Beginn der Hauptverhandlung erstmals seinen Mandanten mit dem Hinweis, anderenfalls das Mandat niederzulegen, zur Unterzeichnung einer Gebührenvereinbarung veranlasst. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung sind diese Grundsätze auch auf die Prozessvertretung im Zivilrechtsstreit übertragbar.

Dass auch im Zivilprozess von einem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt auszugehen ist, zeigt die vorliegende Fallgestaltung. Wird unmittelbar vor dem anberaumten Verhandlungstermin der Mandant mit der Ankündigung des Prozessbevollmächtigten überrascht, er werde das Mandat unverzüglich niederlegen, wird der Mandant im Anwaltsprozess nur selten in der Lage sein, einen neuen Prozessanwalt für diesen Termin zu stellen. Da sich die Partei die Mandatsniederlegung selbst dann als eigenes Verschulden zurechnen lassen muss, wenn der Anwalt die Kündigung zur Unzeit ausspricht, liegt es nicht fern, dass im anberaumten Termin gegen die nicht vertretene Partei Versäumnisurteil ergehen wird. Der Grundsatz, dass der Anwalt seinen Mandanten nicht im Stich lassen darf, erfährt daher im Zivilprozess besondere Bedeutung.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die erstmalige Androhung einer Mandatsniederlegung kurz vor Aufruf der Sache im Zivilprozess zur Durchsetzung einer günstigeren Vergütungsabrede oder einer entsprechenden Haftungsübernahme kein angemessenes Mittel zur Erreichung des an sich berechtigten Anliegens, eine beträchtliche, offenstehende Vergütung zu erhalten oder zu sichern. Verstößt der Anwalt gegen das Verbot zur Unzeit zu kündigen, ist zwar die Kündigung regelmäßig wirksam, der Anwalt macht sich aber schadensersatzpflichtig und handelt rechtswidrig. Das OLG wird nun die von den Parteien benannten Beweismittel zur bestrittenen Behauptung der Beklagten, sie sei erstmals vor dem Gerichtstermin mit der Ankündigung einer Mandatsniederlegung konfrontiert worden, zu erheben haben.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BGH online
Zurück