14.03.2023

Staatliche Beihilfen für den Flughafen Frankfurt-Hahn

Generalanwalt Pikamäe hat seine Schlussanträge zu der Frage vorgelegt, ob das EuG zu Recht auf eine Klage von Lufthansa hin den Beschluss der Kommission vom 31.7.2017 für nichtig erklärt hat, mit dem diese eine Betriebsbeihilfe zugunsten des Flughafens Frankfurt-Hahn ohne Eröffnung eines förmlichen Prüfverfahrens genehmigt hatte.

EuGH, C 466/21 P: Schlussanträge des Generalanwalts vom 9.3.2023
Der Sachverhalt:
Am 7.4.2017 teilte Deutschland der Kommission seine Absicht mit, dem Flughafen Frankfurt-Hahn wegen seines defizitären Zustands eine Betriebsbeihilfe zu gewähren. Dieser Flughafen wird von der Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH (FFHG) betrieben. Mit Beschluss vom 31.7.2017 entschied die Kommission im Wesentlichen, dass kein förmliches Prüfverfahren zu eröffnen sei, weil die Maßnahme, obwohl sie eine staatliche Beihilfe darstelle, mit dem Binnenmarkt vereinbar sei. Genauer gesagt wies die Kommission im streitigen Beschluss insbesondere darauf hin, dass es im Einzugsgebiet des Flughafens Frankfurt-Hahn keine weiteren Flughäfen gebe. Hiergegen wendet sich die klagende Fluglinie Lufthansa.

Das EuG entschied, dass die Kommission nicht sämtliche nach den Leitlinien für staatliche Beihilfe für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften für ihre Beurteilung vorgeschriebenen Kriterien hinsichtlich des Einzugsgebiets des Flughafens Frankfurt-Hahn ordnungsgemäß berücksichtigt habe, so dass die unzureichende und unvollständige Prüfung der Kommission es dieser nicht ermöglicht habe, alle Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der streitigen Beihilfe mit dem Binnenmarkt zu beseitigen. Das EuG gab daher dem einzigen Klagegrund von Lufthansa teilweise statt und erklärte den Kommissionsbeschluss für nichtig.

Das Land Rheinland-Pfalz begehrt im Wege eines Rechtsmittels vor dem EuGH die Aufhebung dieses Urteils. Kommission und Lufthansa legten Anschlussrechtsmittel ein. Auf Ersuchen des EuGH befasst sich Generalanwalt Priit Pikamäe in seinen vorliegenden Schlussanträgen nur mit bestimmten Aspekten des Rechtsmittels sowie der beiden Anschlussrechtsmittel, und zwar insbesondere mit dem Vorbringen des Landes bzw. der Kommission, das angefochtene Urteil sei hinsichtlich der Feststellung der Klagebefugnis von Lufthansa rechtsfehlerhaft und unzureichend begründet. Allgemeiner geht es um Klärung der Befugnis, gegen eine Entscheidung vorzugehen, mit der die Kommission beschließt, das Verwaltungsverfahren im Bereich staatlicher Beihilfen einzustellen, weil die Beihilfe keinen Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt begegnet.

Die Gründe:
Generalanwalt Pikamäe schlägt dem EuGH vor, das angefochtene Urteil aufgrund der vom EuG bei der Feststellung der Klagebefugnis von Lufthansa begangenen Rechtsfehler aufzuheben.

Zwar kann der Rüge der Kommission, wonach das EuG einen Rechtsfehler begangen hat, indem es von Lufthansa nicht den Nachweis verlangt hat, dass sie - und sei es auch nur teilweise - mit dem Flughafen Frankfurt-Hahn in Wettbewerb steht, nicht stattgegeben. Auch die Rüge, mit der die Kommission dem EuG vorwirft, implizit davon ausgegangen zu sein, dass die tatsächlichen Auswirkungen der Beihilfegewährung für die Zwecke der Einstufung eines nicht im Wettbewerb mit dem Beihilfeempfänger stehenden Unternehmens als "Beteiligter" nicht festgestellt zu werden brauchen, kann keinen Erfolg haben. Zudem hat das EuG keinen Rechtsfehler begangen, als es Lufthansa allein im Hinblick auf deren wirtschaftliches Interesse als "Beteiligte" betrachtet hat.

Das EuG hat jedoch hinsichtlich der Beurteilung der Frage, ob zwischen Lufthansa und Ryanair ein Wettbewerb besteht, seine Begründungspflicht verletzt. Außerdem hat das EuG, indem es offenbar davon ausgegangen ist, dass die Flughäfen Frankfurt-Hahn und Frankfurt a.M. Wettbewerber sind, gegen den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens verstoßen. Ferner habe das EuG einen Rechtsfehler dadurch begangen, dass es nicht ausdrücklich die Randnummern der Nichtigkeitsklageschrift von Lufthansa bezeichnet hat, die es ihm ermöglicht haben, seine allgemeine Beurteilung zu untermauern, wonach sich die Tatsache, dass sich Lufthansa auf ihre Verfahrensrechte beruft, "aus der Prüfung [dieser] Klageschrift insgesamt" ergibt.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Staatliche Finanzhilfen im Insolvenzverfahren
Christoph Thole, ZIP 2022, 97

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