31.10.2013

Strenge Anforderungen an Beweis der in § 708 BGB geforderten geringeren Sorgfalt des Gesellschafters

An den vom Gesellschafter zu führenden Beweis, in eigenen Angelegenheiten eine geringere als die im Verkehr erforderliche Sorgfalt anzuwenden (§ 708 BGB), sind strenge Anforderungen zu stellen. Der Umstand, dass der Gesellschafter sich durch die schadensbegründende Handlung zugleich selbst geschädigt hat, reicht zum Nachweis der nicht auf den konkreten Schädigungsfall, sondern auf das generelle Verhalten des Schädigers in dem entsprechenden Pflichtenkreis abstellenden Entlastungsvoraussetzungen des § 708 BGB nicht aus.

BGH 24.9.2013, II ZR 391/12
Der Sachverhalt:
Der Beklagte und der Versicherungsnehmer der Klägerin, Dipl.-Ing. S, schlossen sich zu einer - inzwischen aufgelösten - Arbeitsgemeinschaft zusammen, um gemeinsam im Auftrag des als Generalplaner tätigen Architekten B Statikerleistungen für den Neubau eines Parkhauses zu erbringen. Ein schriftlicher Vertrag wurde zwischen dem Beklagten und S nicht geschlossen. Sie vereinbarten jedoch mündlich, die Tragwerksplanung arbeitsteilig zu erstellen und sich die Gesamtvergütung hälftig zu teilen. Der Beklagte war u.a. für die statische Berechnung sowie die Ausführungspläne der Fundamente sowie der Holz- und Stahlkonstruktion zuständig, S für die statische Berechnung und Ausführungspläne der Decken, Unterzüge, Stützen und Wände.

Wegen aufgetretener Mängel durch Rissbildungen beantragte die Auftraggeberin des Generalplaners die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gegen den Generalplaner und das bauausführende Unternehmen. In diesem Verfahren wurde dem Beklagten und S der Streit verkündet. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass die Risse auf Fehler der statischen Berechnung der Geschossdecken zurückzuführen seien. Wegen der auf der mangelhaften Tragwerksplanung der Decken beruhenden Rissbildungen und weiteren Folgeschäden zahlte die Klägerin als Berufshaftpflichtversicherer des S Schadensersatz i.H.v. rd. 328.000 € an den Generalplaner bzw. dessen Auftraggeberin. Sie verlangt vom Beklagten hälftigen Ausgleich und die Feststellung hälftiger Mithaftung für künftige Aufwendungen.

Das LG wies die Klage ab. Das OLG erklärte den Zahlungsanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt, gab dem Feststellungsantrag statt und verwies den Rechtsstreit zur Entscheidung über die Höhe des Zahlungsanspruchs an das LG zurück. Auf die hiergegen gerichtete Revision des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG zurück.

Die Gründe:
Eine von dem hälftigen Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 Abs. 1 S. 1 BGB iVm § 86 Abs. 1 S. 1 VVG unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 254 BGB abweichende Verteilung des Innenausgleichs kann entgegen der Auffassung des OLG im vorliegenden Fall nicht bereits deshalb verneint werden, weil S. gem. §§ 708, 277 BGB die Sorgfalt beachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.

Der Beklagte und S haben eine GbR gegründet. Zwischen mehreren entsprechend § 128 HGB im Außenverhältnis persönlich haftenden Gesellschaftern einer solchen Außen-GbR besteht ein echtes Gesamtschuldverhältnis, auf das § 426 Abs. 1 BGB Anwendung findet. Der Gesamtschuldnerausgleich zwischen den Gesellschaftern bemisst sich regelmäßig nicht nach Kopfteilen, sondern nach demjenigen Maßstab, den die Gesellschafter untereinander für ihre Gewinn- und Verlustbeteiligung festgelegt haben. Dieser Maßstab ist grundsätzlich auch für den Ausgleich im Innenverhältnis maßgebend. Anderes kann jedoch dann gelten, wenn die der gesamtschuldnerischen Haftung zugrundeliegende Verpflichtung der Gesellschaft auf dem schuldhaften Verhalten eines der Gesellschafter beruht.

Entgegen der Auffassung des OLG ist vorliegend nicht bereits deshalb von einem entsprechend der zwischen den Gesellschaftern vereinbarten hälftigen Gewinn- und Verlustbeteiligung hälftigen Haftungsausgleich auszugehen, weil sich die Klägerin mit Erfolg auf eine Haftungsbeschränkung ihres Versicherungsnehmers S aus §§ 708, 277 BGB berufen kann. Nach den Feststellungen des Sachverständigen beruhten die Rissbildung in den Decken und die damit verbundenen Folgeschäden auf einer fehlerhaften Tragwerksplanung der Decken; dieser Teil der Tragwerksplanung oblag allein dem Zeugen S. S hat demnach den Eintritt des geltend gemachten Schadens unter Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verursacht (§ 276 Abs. 2 BGB).

§ 708 BGB - dessen Anwendbarkeit in Fällen wie dem vorliegenden umstritten ist - schränkt die Haftung der Gesellschafter für vertragswidriges Verhalten ein, indem er an die Stelle der nach § 276 Abs. 2 BGB maßgebenden verkehrserforderlichen Sorgfalt den Maßstab der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten setzt. Wenn sich die Klägerin bei dieser Sachlage zugunsten ihres Versicherungsnehmers auf § 708 BGB beruft, so trifft sie die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass S für den Beklagten erkennbar in eigenen Angelegenheiten eine geringere als die im Verkehr erforderliche Sorgfalt anzuwenden pflegt. An diesen Beweis sind strenge Anforderungen zu stellen.

Die Tatsache, dass der Gesellschafter sich im konkreten Schadensfall selbst geschädigt hat, erbringt keinen Beweis dafür, dass er in eigenen Angelegenheiten eine geringere als die im Verkehr erforderliche Sorgfalt anzuwenden pflegt. Dass die Klägerin Vortrag dahin gehalten hätte, S erstelle ihm obliegende Tragwerksplanungen immer leicht fahrlässig und dies sei für den Beklagten erkennbar gewesen, hat das OLG nicht festgestellt. Es ist insoweit davon auszugehen, dass der in Anspruch genommene Gesellschafter in eigenen Angelegenheiten die verkehrsübliche Sorgfalt anwendet.

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