20.03.2015

Strenge Regeln für Schockwerbung durch Rechtsanwälte

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde eines Rechtsanwalts gegen anwaltsgerichtliche Entscheidungen und Bescheide der Rechtsanwaltskammer über die berufsrechtliche Beurteilung einer geplanten Werbemaßnahme nicht zur Entscheidung angenommen. Dass für die Werbung von Rechtsanwälten - vor dem Hintergrund ihrer Stellung als Organ der Rechtspflege - ein Sachlichkeitsgebot gilt, ist verfassungsrechtlich unbedenklich.

BVerfG 24.2.2015, 1 BvR 472/14
Der Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt. Er bat die zuständige Rechtsanwaltskammer um Prüfung, ob eine beabsichtigte Werbemaßnahme berufsrechtlich zulässig sei. Es handelte sich dabei um Tassen mit der durchgestrichenen Abbildung einer Frau, die mit einem Knüppel auf das entblößte Gesäß eines Kindes schlägt. Neben der Abbildung sollten der Text "Körperliche Züchtigung ist verboten § 1631 Abs. 2 BGB" sowie der Name, die Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt" und die Kontaktdaten des Beschwerdeführers abgedruckt werden. Die Rechtsanwaltskammer teilte dem Beschwerdeführer mit, dass sie die Werbemaßnahme wegen eines Verstoßes gegen das Sachlichkeitsgebot gem. § 43b BRAO für unzulässig halte.

Eine zweite Anfrage des Beschwerdeführers bezog sich wiederum auf die beabsichtigte Gestaltung von Werbetassen. Eine Abbildung zeigte einen älteren Mann, der mit einem Stock auf das entblößte Gesäß einer Frau schlägt; daneben sollte die Frage "Wurden Sie Opfer einer Straftat?" stehen. Eine weitere Abbildung zeigte eine Frau, die sich eine Schusswaffe an den eigenen Kopf hält und offenbar im Begriff ist, sich selbst zu töten; daneben sollte der Text "Nicht verzagen, R fragen" abgedruckt werden.

In beiden Gestaltungen sollten wiederum der Name, die Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt" und die Kontaktdaten des Beschwerdeführers hinzugefügt werden. Die Rechtsanwaltskammer teilte dem Beschwerdeführer mit, dass auch diese Werbemaßnahmen unzulässig seien und wiederholte im Wesentlichen die bereits im ersten Bescheid enthaltenen Erwägungen.

Die Klage des Beschwerdeführers gegen die beiden Bescheide blieb sowohl vor dem Anwaltsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen als auch vor dem BGH ohne Erfolg. Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers nicht zur Entscheidung an.

Die Gründe:
Auf der Grundlage der Ausführungen des Beschwerdeführers ist weder eine Verletzung der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) noch der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG) oder der Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) ersichtlich.

Der Schutz des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG erstreckt sich auch auf kommerzielle Meinungsäußerungen sowie reine Wirtschaftswerbung, die einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt hat. Die beanstandeten Entscheidungen der Rechtsanwaltskammer und der Ausgangsgerichte können zwar in die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers eingreifen. Er hat indes nicht hinreichend dargelegt, dass dieser Eingriff verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt gewesen sei. Bei § 43b BRAO handelt es sich um ein allgemeines Gesetz i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG, das als Schranke der Meinungsfreiheit in Betracht kommt. Schutzzweck der Regelung ist die Sicherung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege. Mit der Stellung des Rechtsanwalts ist im Interesse des rechtsuchenden Bürgers insbesondere eine Werbung nicht vereinbar, die ein reklamehaftes Anpreisen in den Vordergrund stellt, mit der eigentlichen Leistung des Anwalts nichts mehr zu tun hat.

Es bestehen insoweit keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift. Dass die Ausgangsgerichte bei der Auslegung und Anwendung des § 43b BRAO die Ausstrahlungswirkung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG nicht hinreichend beachtet haben, macht der Beschwerdeführer nicht hinreichend deutlich. § 43b BRAO normiert spezielle Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Werbung für anwaltliche Dienstleistungen. Bei den beabsichtigten Maßnahmen des Beschwerdeführers handelt es sich - jedenfalls auch - um Werbung. Der Beschwerdeführer beschreibt sein beabsichtigtes Vorgehen selbst als eine "Werbeaktion", die sein "zurückliegendes rechtspolitisches Engagement als Unterscheidungsmerkmal zu anderen Kanzleien hervorheben" soll.

Dass der Beschwerdeführer neben der Werbung unter Umständen daneben noch weitere Anliegen, etwa das Anstoßen eines gesellschaftspolitischen Diskurses, verfolgen könnte, hindert die Anwendbarkeit des § 43b BRAO nicht. Hiermit setzt sich der Beschwerdeführer nicht hinreichend auseinander. Er gründet seine Behauptung eines Verfassungsverstoßes letztlich allein auf die Überlegung, die Ausgangsgerichte hätten die Entscheidung des BVerfG zur Werbung der Firma Benetton auch in seinem Fall anwenden müssen, ohne dabei zu berücksichtigen, dass er als Rechtsanwalt und damit als Organ der Rechtspflege bei der Werbung für seine berufliche Tätigkeit besonderen Einschränkungen aufgrund des § 43b BRAO unterliegt.

Auch die behauptete Verletzung seiner Kunstfreiheit macht der Beschwerdeführer nicht hinreichend deutlich. Ungeachtet der Frage, ob die Ausgangsgerichte überhaupt in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG eingegriffen haben, setzt sich der Beschwerdeführer mit einer möglichen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eines etwaigen Eingriffs nicht hinreichend auseinander. Gleiches gilt für die behauptete Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG. Auch hier beachtet der Beschwerdeführer nicht, dass ihm als Rechtsanwalt durch § 43b BRAO besondere Grenzen für die Werbung gezogen sind, seine freie Berufsausübung insoweit also durch Gesetz beschränkt ist. Dass die Norm als solche oder im konkreten Fall ihrer Anwendung in nicht zu rechtfertigender Weise in seine Berufsfreiheit eingreifen könnte, legt der Beschwerdeführer mit seinen pauschalen, in erster Linie auf die Meinungs- und Kunstfreiheit bezogenen Ausführungen nicht hinreichend dar.

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BVerfG PM Nr. 17 vom 20.3.2015
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