03.01.2023

Teilnahme an Online-Glücksspielen - Rückzahlungsanspruch eines Spielers

Der Inhalt von § 4 GlüStV 2012, zumal bei einem juristischen Laien, kann nicht ohne weiteres als bekannt vorausgesetzt werden. Eine allgemeine Bekanntheit lässt sich auch nicht allein aus Beiträgen in der Presse ableiten. Ein Verschulden eines Spielsüchtigen in eigenen Angelegenheiten durch die freiwillige Hingabe des Geldes zu Zwecken des Online-Glücksspiels anzunehmen, liefe Sinn und Zweck des § 4 Abs. 4 GlüStV zuwider und konterkariere auch dessen Charakter als Schutzgesetz.

OLG Köln v. 31.10.2022 - 19 U 51/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte zwischen März 2014 und Juni 2020 auf der in deutscher Sprache abrufbaren Online-Casino-Seite "Q." der Beklagten an Online-Glücksspielen in Form von "Poker"- und "BlackJack"-Spielen teilgenommen. Die Beklagte verfügte im gegenständlichen Zeitraum über eine Glücksspiellizenz des Staates S., jedoch nicht über eine Konzession für das Anbieten von Online-Glücksspielen in NRW oder Brandenburg. Die von der Beklagten verwendeten AGB lauten auszugsweise:

"1.2. Die Software wird Ihnen durch Q. für Ihre private, persönliche Nutzung lizenziert. Bitte beachten Sie, dass die Software nicht von Personen genutzt werden darf, die (i) unter 18 Jahre alt sind, die (ii) in ihrer Jurisdiktion noch nicht volljährig sind und (iii) in deren Jurisdiktion ein Zugriff auf diese Seite rechtswidrig ist. Q ist nicht in der Lage, die Rechtmäßigkeit des Service in jeder Jurisdiktion zu prüfen, und es liegt in der Verantwortung des Nutzers, sich in dieser Beziehung kundig zu machen."

Der Kläger hat vorsorglich den Widerruf sämtlicher mit der Beklagten geschlossenen Online-Spielverträge unter Verweis auf das Fehlen einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung erklärt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Der Kläger behauptete, er habe insgesamt rund 58.517 € beim Glücksspiel verloren. Er sei seit dem Jahr 2005 krankhaft spielsüchtig und habe sich in der Zeit von Oktober 2020 bis November 2021 deswegen in ambulanter Behandlung befunden. Er habe die Internetseite der Beklagten für "zuverlässig" gehalten, da sie über eine EU-Lizenz verfügt habe.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung der von ihm überwiesenen Geldbeträge aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB oder § 817 Satz 1 BGB. Nach § 817 S. 2 BGB sei eine Rückforderung indes ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein Gesetzes- oder Sittenverstoß zur Last falle. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG das Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben.

Die Gründe:
Der Kläger kann Rückzahlung seiner Spieleinsätze i.H.v. 58.517 € gem. §§ 812 Abs. 1 S. 1, 1.Alt., 818 Abs. 2 BGB verlangen, da der zwischen den Parteien geschlossene Spielvertrag gem. § 134 BGB von Anfang an nichtig war.

Der zwischen den Parteien zustande gekommene Vertrag war nichtig, da er gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verstieß. Der Nichtigkeit stand auch nicht entgegen, dass sich die Verbotsnorm des § 4 Abs. 4 GlüStV nur an die Beklagte, nicht jedoch an den Kläger richtete. Schließlich liefe dem Sinn und Zweck, insbesondere der Bekämpfung der Spielsucht und dem Jugendschutz, zuwider, geschlossene Verträge über Online-Glücksspiele trotz des Verbots als wirksam anzusehen.

Die Rückforderung ist vorliegend nicht gem. § 762 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen. Die Anwendbarkeit der Vorschrift setzt eine Wirksamkeit des Spiel- und Wettvertrags voraus. Unwirksam sind insbesondere solche Spiele und Wetten, die - wie hier - gegen gesetzliche Verbote oder die guten Sitten verstoßen. Der Rückforderung stand auch nicht die Vorschrift des § 817 S. 2 BGB entgegen. Denn wendet der Bereicherungsschuldner ein, dass dem Leistenden ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten zur Last fällt, so trägt er hierfür die Beweislast. Schließlich handelt es sich bei § 817 S. 2 um eine rechtshindernde Einwendung. Ihrer Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf einen Gesetzesverstoß des Klägers ist die Beklagte nicht nachgekommen. Insbesondere konnte von einem Verstoß des Klägers gegen § 285 StGB nicht ausgegangen werden. Dieser erforderte nämlich zumindest bedingten Vorsatz. Einen solchen hat die Beklagte indes nicht hinreichend dargetan.

Selbst wenn man annehmen wolle, die Vorschrift des § 817 S. 2 BGB erfasse auch leichtfertiges Handeln, ergab sich hier kein anderes Ergebnis. Insbesondere kann der Inhalt von § 4 GlüStV 2012, zumal bei einem juristischen Laien, nicht ohne weiteres als bekannt vorausgesetzt werden. Eine allgemeine Bekanntheit ließ sich auch nicht allein aus Beiträgen in der Presse ableiten. Soweit die Werbung der Online-Glücksspiele einen textlich dargestellten und/oder schnell gesprochenen Hinweis dahingehend beinhaltet hat, das Angebot richte sich nur an Spieler in Schleswig-Holstein, führte auch dies zu keiner anderen Beurteilung. Denn eine allgemeine Bekanntheit des generellen Verbots von Online-Glücksspielen außerhalb dieses Bundeslandes ließ sich daraus nicht herleiten.

Der Anspruch des Klägers ergab sich zudem aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1, 4 GlüStV, § 284 StGB. Die letztgenannten Vorschriften sind Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB und die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt. Der Anspruch des Klägers war auch nicht gem. § 254 BGB aufgrund eines überwiegenden Mitverschuldens ausgeschlossen oder beschränkt. Denn ein Verschulden des Klägers in eigenen Angelegenheiten durch die freiwillige Hingabe des Geldes zu Zwecken des Online-Glücksspiels anzunehmen, liefe Sinn und Zweck des § 4 Abs. 4 GlüStV zuwider und konterkariere auch dessen Charakter als Schutzgesetz.

Die Ansprüche des Klägers waren schließlich auch nicht verjährt, §§ 195, 199 BGB. Der Kläger hat schlüssig und seitens der Beklagten nicht erheblich bestritten dargetan, dass er erst im Jahr 2021 aufgrund entsprechender Berichterstattung in den Nachrichten von der möglichen Unwirksamkeit der mit der Beklagten geschlossenen Verträge erfahren habe. Die Verjährungsfrist hat somit erst mit Ende des Jahres 2021 zu laufen begonnen.

Mehr zum Thema:

Beratermodul IT-Recht:
Die perfekte Online-Ausstattung für das IT-Recht (DSGVO/BDSG). Stets auf dem aktuellsten Stand mit den Inhalten aller Ausgaben von Computer und Recht und IT-Rechtsberater sowie den Updates von Redeker, Handbuch der IT-Verträge. 4 Wochen gratis nutzen!
Justiz NRW
Zurück