21.04.2011

Verjährung: Als Schuldner kann der Geschäftsführer einer GmbH der Gesellschaft die Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände nicht vermitteln

Die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände kann der Gesellschaft nicht durch ihren Geschäftsführer vermittelt werden, wenn dieser selbst Schuldner ist. Es kann nicht erwartet werden, dass der Schuldner dafür sorgt, dass die Ansprüche gegen ihn selbst geltend gemacht werden und er etwa einen Gesellschafterbeschluss nach § 46 Nr. 8 GmbHG herbeiführt.

BGH 15.3.2011, II ZR 301/09
Der Sachverhalt:
Der Beklagte war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der H-mbH (im Folgenden H), die später in B-GmbH umfirmierte. In deren Bilanz zum 31.12.2000 sind Ansprüche gegen den Beklagten aus allgemeinem Verrechnungsverkehr i.H.v. 55,66 Mio. DM ausgewiesen. Mit Wirkung zum 10.6.2002 legte der Beklagte die Geschäftsführung nieder und veräußerte seinen Geschäftsanteil. Ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der B-GmbH wurde mangels Masse abgewiesen.

Die Klägerin hatte in den Jahren 1994 und 1995 Bauleistungen im Auftrag der H an einem Hotel-Neubau ausgeführt. Wegen einer Restwerklohnforderung und eines Anspruchs auf Rückzahlung einer ausgekehrten Vertragserfüllungsbürgschaft erwirkte sie gegen die B-GmbH ein Urteil des LG über insgesamt rd. 343.000 € nebst Zinsen. Aufgrund dieses Titels pfändete sie mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss von März 2003 Ansprüche der B-GmbH gegen den Beklagten. Mit der Klage verlangt die Klägerin vom Beklagten Zahlung von rd. 332.000 € und rd. 16.600 € aus gepfändetem und zur Einziehung überwiesenen Recht der B-GmbH, hilfsweise aus einem Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 des Gesetzes über die Sicherung von Bauforderungen.

Das LG wies die Klage ab. Das OLG gab ihr - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - hinsichtlich des Hilfsantrags statt und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von rd. 110.000 € nebst Zinsen und Kosten. Der Anspruch sei mit Ablauf des 31.12.2004 und damit vor Erhebung der am 20.6.2005 eingereichten Klage verjährt. Die Kenntnis der Gesellschaft von den Anspruchsvoraussetzungen habe bereits am 1.1.2002, vermittelt durch den Beklagten als Geschäftsführer, vorgelegen. Auf die Revision der Klägerin, die sich gegen die Abweisung des Hauptantrags richtet, hob der BGH das Berufungsurteil insoweit auf, als zu ihrem Nachteil erkannt wurde, und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das OLG hat zu Unrecht Verjährung des Anspruchs mit dem 31.12.2004 angenommen. Der B-GmbH war die Kenntnis des Beklagten von dem Schuldversprechen nicht zuzurechnen.

Die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände kann der Gesellschaft nicht durch ihren Geschäftsführer vermittelt werden, wenn dieser selbst Schuldner ist. Zwar kommt es bei juristischen Personen des Privatrechts grundsätzlich auf die Kenntnis ihrer vertretungsberechtigten Organe von den Anspruchsvoraussetzungen an. Ist das Organ einer Gesellschaft selbst der Schuldner, kann es der Gesellschaft aber die erforderliche Kenntnis nicht verschaffen.

Das gilt nicht nur bei unerlaubten Handlungen, wie sie den bisherigen Entscheidungen des Senats zu § 852 BGB aF zugrunde lagen. Vielmehr kann allgemein nicht erwartet werden, dass der Schuldner dafür sorgt, dass die Ansprüche gegen ihn selbst geltend gemacht werden und er etwa einen Gesellschafterbeschluss nach § 46 Nr. 8 GmbHG herbeiführt. Beim einzigen Geschäftsführer einer GmbH kommt hinzu, dass er als Vertreter der Gesellschaft gegen sich selbst zur Hemmung der Verjährung keine Maßnahmen der Rechtsverfolgung ergreifen kann (§ 204 Abs. 1 BGB). Soweit es wegen des Fehlens eines weiteren Geschäftsführers auf die Kenntnis der zur Anspruchsverfolgung berufenen Gesellschafter ankommt, scheidet eine Zurechnung der Kenntnis des einzigen Gesellschafters aus den gleichen Gründen aus, wenn er zugleich Schuldner des Anspruchs ist.

Der Senat konnte nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist. Das OLG hat im Tatbestand des Berufungsurteils festgestellt, dass der Beklagte "alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer" der H gewesen sei. Das lässt offen, ob er nicht nur einziger Gesellschafter, sondern auch einziger Geschäftsführer war. Da dieser Gesichtspunkt im Berufungsverfahren keine Bedeutung erlangt hat, weil das OLG die Forderung bereits aufgrund der Zurechnung der Kenntnis des Beklagten für verjährt gehalten hat, ist dem Beklagten Gelegenheit zu geben, hierzu, ggf. auch zu einer Kenntnis eines weiteren Geschäftsführers von dem Anspruch, ergänzend vorzutragen.

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