24.01.2024

Verstoß gegen Iran-Sanktionen: Rückzahlungsverpflichtung von Vorauszahlungen

Ein EU-Unternehmen kann seiner Rückzahlungsverpflichtung von Vorauszahlungen an ein Unternehmen mit Iranbezug nicht einen eigenen möglichen Verstoß gegen Iran-Sanktionen entgegenhalten. Beruft sich der Geschäftspartner eines deutschen Tochterunternehmens einer iranischen Muttergesellschaft nach Ankündigung des erneuten Inkrafttretens der Iran-Sanktionen und SDL-Listung der iranischen Muttergesellschaft auf ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht, kann das Tochterunternehmen selbst vom Vertrag zurücktreten und die Rückzahlung bereits erbrachter Vorauszahlungen verlangen. Die EU-Blocking-VO verbietet es einem Unternehmen der EU, sich unter Verweis auf die Iran-Sanktionen seiner Lieferverpflichtung bzw. der Rückzahlungsverpflichtung zu entziehen.

OLG Frankfurt a.M. v. 10.1.2024 - 17 U 90/22
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist die 100-prozentige Tochter eines iranischen Unternehmens. Sie bestellte am 4.5.2018 bei der Beklagten Graphitelektroden. Diese sollten unmittelbar an die Muttergesellschaft in den Iran geliefert werden. Die Klägerin verpflichtete sich zur Vorauszahlung vor der jeweiligen Lieferung durch die Beklagte.

Am 8.5.2018 kündigten die Vereinigten Staaten von Amerika an, sich aus dem sog. Iran-Abkommen zurückzuziehen und bis zum 5.11.2018 ihre Iran-Sanktionen wiedereinzuführen. Im August 2018 verpflichtete sich die Klägerin in einer Zusatzvereinbarung mit der Beklagten zur weiteren Vorauszahlung des Kaufpreises und leistete knapp 47 Mio. € an die Beklagte. Diese lieferte im Gegenzug Waren im Wert von gut 11 Mio. €. 

Im Oktober 2018 wurde die Muttergesellschaft der Klägerin auf die Specially Designated Nationals and Blocked Persons List (SDN-Liste) gesetzt und mit sog. Sekundärsanktionen belegt. Nachfolgend kündigte die Beklagte zunächst einen vorübergehenden Lieferstopp unter Verweis auf die politische Situation im Iran an und verweigerte schließlich unter Verweis auf die SDN-Listung der Muttergesellschaft die weitere Lieferung und die Rückzahlung der Vorauszahlungen. Daraufhin erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag und begehrt die Rückzahlung der Vorauszahlungen sowie die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten.

Das LG verurteilte die Beklagte zur Zahlung von knapp 36 Mio. € und gab dem Feststellungsantrag statt. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Beklagte die Zulassung der Revision begehren.

Die Gründe:
Die Klägerin kann Rückzahlung der Vorauszahlungen begehren, ebenso ist die Beklagte schadensersatzpflichtig. Die Klägerin ist wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten. Ihr hat im Hinblick auf die von der Beklagten verweigerte weitere Lieferung der Graphitelektroden ihrerseits ein Rücktrittsrecht zur Seite gestanden. Zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ist auch zu erwarten gewesen, dass es sich nicht lediglich um eine kurze, von der Klägerin hinzunehmende Zeitspanne handeln würde.

Der Beklagten steht gegen diesen Rückzahlungsanspruch kein Leistungsverweigerungsrecht zu. Dieses kann sie insbesondere nicht mit Erfolg aus den vereinbarten vertraglichen Regelungen herleiten. Eine derartige Auslegung der vertraglichen Klauseln verstieße gegen ein gesetzliches Verbot, hier gemäß Art. 5 Abs. 1 der sog. EU-Blocking-Verordnung. Dieser verbietet es einer im Unionsgebiet eingetragenen juristischen Personen, die im Anhang der Verordnung aufgeführten ausländischen Sanktionsnormen zu befolgen. Hierunter fallen US-amerikanische gesetzliche Regelungen im Rahmen der Iran-Sanktionen, welche die wissentliche erhebliche finanzielle und/oder materielle Unterstützung einer SDN-gelisteten iranischen Person verbieten. Alle vorliegenden Beweismittel deuten darauf hin, dass der Lieferstopp der Beklagten sowie die Verweigerung der Rückzahlung der Vorauszahlungen darauf abgezielt hat, diesen Iransanktionen nachzukommen. Gegenteiliges hat die Beklagte nicht ausreichend dargelegt.

Die Anwendung der Blocking-Verordnung belastet die Beklagte hier auch nicht unverhältnismäßig. Sie hat zum einen die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer eigenen SDN-Listung für den Fall der Rückzahlung nicht hinreichend dargelegt. Die Rückzahlungsverpflichtung ist vielmehr allein die Folge der Beendigung der Geschäftsbeziehung aufgrund des US-Sanktionsregime und stellt sich damit nur "als Annex zur Befolgung der US-Sanktionsnorm" dar.

Zum anderen hat die Beklagte es versäumt, bei der EU-Kommission einen grundsätzlich möglichen Antrag auf Befreiung von den Wirkungen des Art. 5 Abs. 1 der EU-Blocking-VO zu stellen. Damit hat sie sich der Möglichkeit begeben, eine Beschränkung ihrer unternehmerischen Freiheit zu vermeiden. Art. 5 Abs. 1 der EU-Blocking-VO steht auch einem gesetzlichen Leistungsverweigerungsrecht entgegen.

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Art. 5 EU-Blocking-VO

Keine Person im Sinne des Artikels 11 darf selbst oder durch einen Vertreter oder einen anderen Vermittler aktiv oder durch bewußte Unterlassung Forderungen oder Verboten, einschließlich Aufforderungen ausländischer Gerichte, nachkommen, die direkt oder indirekt auf den im Anhang aufgeführten Gesetzen oder den darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen beruhen oder sich daraus ergeben.

Betroffenen Personen kann es nach den Verfahren der Artikel 7 und 8 genehmigt werden, ganz oder teilweise Forderungen oder Verboten nachzukommen, soweit anderenfalls ihre Interessen oder die der Gemeinschaft schwer geschädigt würden. Die Kriterien für die Anwendung dieser Bestimmung werden nach dem Verfahren des Artikels 8 festgelegt. Ist hinreichend erwiesen, daß der Umstand, daß Forderungen oder Verboten nicht nachgekommen wird, einer natürlichen oder juristischen Person schweren Schaden zufügen würde, so unterbreitet die Kommission dem in Artikel 8 genannten Ausschuß unverzüglich einen Entwurf der nach Maßgabe dieser Verordnung zu treffenden geeigneten Maßnahmen.

 

Art. 11 EU-Blocking-VO

Diese Verordnung gilt für

1. alle natürlichen Personen, die in der Gemeinschaft ansässig (4) und Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind, ...

OLG Frankfurt a.M. PM Nr. 4 vom 24.1.2024
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