22.01.2013

Verzinsungspflicht für Kartellgeldbußen verfassungsgemäß

Die gesetzlich angeordnete Verzinsung von Kartellgeldbußen, die durch einen Bescheid der Kartellbehörde festgesetzt worden sind, ist mit dem GG vereinbar. Die dem BVerfG vom OLG Düsseldorf zur verfassungsrechtlichen Überprüfung vorgelegte Vorschrift des § 81 Abs. 6 GWB verstößt weder gegen den Gleichheitssatz noch gegen die Garantie effektiven Rechtsschutzes.

BVerfG 19.12.2012, 1 BvL 18/11
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens betreibt ein Versicherungsunternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Gegen einen Bußgeldbescheid des Bundeskartellamts von März 2005 über insgesamt 6,4 Mio. € wegen vorsätzlicher Verstöße gegen das Kartellverbot (§ 1 GWB) legte sie Einspruch ein. Bezogen auf einen Bußgeldbetrag von 0,4 Mio. € wurde das Verfahren vor Gericht teilweise eingestellt. Im Übrigen nahm die Antragstellerin später ihren Einspruch im Juli 2009 zurück und beglich die verbliebene Geldbuße i.H.v. 6 Mio. €.

Im Jahr 2011 forderte das Bundeskartellamt die Antragstellerin auf, weitere rd. 1,77 Mio. € als Zinsen auf die Geldbuße zu zahlen. Hiergegen wandte sich die Antragstellerin an das OLG
Düsseldorf. Dieses setzte das Verfahren aus und legte dem BVerfG die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des § 81 Abs. 6 GWB zur Entscheidung vor.

Das BVerfG entschied, dass die Vorschrift mit dem GG vereinbar ist.

Die Gründe:
Die in § 81 Abs. 6 GWB geregelte Verzinsung einer durch Bußgeldbescheid der Kartellbehörde festgesetzten Geldbuße ist mit dem GG vereinbar.

Die Vorschrift verstößt unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Beschränkung auf Kartellgeldbußen gegen juristische Personen oder Personenvereinigungen lässt sich auf einen hinreichenden Sachgrund stützen. Der Gesetzgeber hält die Gefahr, dass Einsprüche zur Erzielung finanzieller Vorteile durch Verfahrensverzögerung rechtsmissbräuchlich eingelegt werden, in dieser Fallgruppe für besonders groß und will ihr entgegenwirken. Diese Einschätzung ist nachvollziehbar und bewegt sich im Rahmen seines Prognosespielraums.

Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Gesetzgeber von einer Erstreckung der Verzinsungspflicht auf natürliche Personen mit bzw. ohne Unternehmenseigenschaft abgesehen hat. Insbes. ist die Höhe der verhängten Geldbußen hier typischerweise geringer als bei juristischen Personen. Dies vermindert den Anreiz, einen Einspruch zu erheben, allein um die Bestandskraft des Bußgeldbescheids zu verzögern. Die Vorschrift ist auch nicht deshalb mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar, weil sie die Verzinsung nicht auch auf solche Geldbußen erstreckt, die durch das Kartellgericht festgesetzt werden. Diese Entscheidung des Gesetzgebers ist frei von Willkür, wenn nicht sogar naheliegend.

Die Pflicht zur Verzinsung von Kartellgeldbußen verstößt ferner nicht gegen die Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG). Mit der Verzinsungspflicht für Kartellgeldbußen verfolgt der Gesetzgeber zwar das Ziel, Unternehmen von Einsprüchen gegen Kartellbußgeldbescheide abzuhalten. Er zielt damit jedoch nur auf Einsprüche, die allein zur Erlangung finanzieller Vorteile eingelegt und noch vor einer gerichtlichen Entscheidung zurückgenommen werden sollen. Unternehmen, die auf diese Weise lediglich finanzielle Vorteile durch die verspätete Zahlung der gegen sie festgesetzten Geldbuße erzielen wollen, erstreben gerade keine gerichtliche Prüfung und Entscheidung über die ihnen zur Last gelegten Ordnungswidrigkeiten. Eine Inanspruchnahme der Gerichte zu diesem Zweck steht außerhalb des Schutzes von Art. 19 Abs. 4 GG.

Die Garantie effektiven Rechtsschutzes wird jedoch insoweit berührt, als sich - bei zunächst ernsthaft mit dem Ziel einer gerichtlichen Sachentscheidung eingelegtem Einspruch - für das betroffene Unternehmen nachträglich ein berechtigtes Interesse an der Rücknahme ergeben kann. Eine unzumutbare rechtsschutzhemmende Wirkung ist damit aber nicht verbunden. Die Betroffenen können die Größenordnung der möglicherweise anfallenden Zinsen hinreichend im Voraus überschauen. Diese erreichen im Regelfall auch keine Größenordnung, die bei vernünftiger Betrachtung den Rechtsweg für die betroffenen Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen verstellen oder auch nur spürbar erschweren könnte. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Betroffenen während der gesamten Dauer des gerichtlichen Verfahrens entweder Zinsen für Kredite sparen oder - durch einen Einsatz der Gelder im operativen oder investiven Geschäftsbereich - Einnahmen erzielen können.

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BVerfG PM Nr. 5 vom 22.1.2013
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