18.12.2023

Werbung mit Vorher-Nachher-Fotos für SchönheitsOPs ist unzulässig

Dass der Gesetzgeber für Tätowierungen und Ohrlochstechen anders als im Falle der streitgegenständlichen Faltenunterspritzung kein entsprechendes Verbot vorgesehen hat, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden und verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), nachdem diese Leistungen schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht der Heilkunde oder der Schönheitschirurgie zugerechnet werden bzw. als operativer Eingriff verstanden werden können, sondern dem Gebiet der Kosmetik im weiteren Sinne unterfallen.

OLG Köln v. 27.10.2023 - 6 U 77/23
Der Sachverhalt:
Die Beklagten betreiben eine ärztliche Gemeinschaftspraxis. Zu Werbezwecken unterhalten sie eine Internetseite. Darauf werben sie mit Fotos, die behandelte Patienten vor und nach einer Behandlung durch die Beklagten zeigen sollen (Vorher-Nachher-Bilder). So werben die Beklagten etwa für eine Behandlung von Nasen- und Kinnpartie. Die Bilder sollen jeweils das Ergebnis einer Unterspritzung der Haut mit Hyaluronsäure oder sog. "Fillern" zeigen (Giabella, Hohlwangenunterspritzung, Krähenfüßebehandlung, Nasolabialfaltenbehandlung, Volumenaufbau, Wangenunterspritzung, Faltenbehandlung). Bei einer solchen Behandlung wird zur Veränderung der äußeren Erscheinung des Patienten ein Präparat mittels einer Spritze unter die Haut eingebracht.

Wegen dieser Werbung mahnte der klagende Wettbewerbsverband, der hierin einen Verstoß gegen das Heilmittelwerberecht sowie das Wettbewerbsrecht gesehen hatte, die Beklagten erfolglos ab. Das LG gab der Unterlassungsklage statt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten blieb vor dem OLG erfolglos.

Die Gründe:
Dem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG wegen unlauterer Werbung unter dem Aspekt des Rechtsbruchs (§§ 3 Abs. 1, 3a UWG) zu, weil die Beklagten mit den angegriffenen Vorher-Nachher-Vergleichen auf ihrer Internetseite gegen das Werbeverbot des § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HWG verstoßen haben.

Ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HWG lag vor. Danach darf für die in § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. c) HWG genannten operativen plastisch-chirurgischen Eingriffe nicht mit der Wirkung einer solchen Behandlung durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff geworben werden: Der Beurteilung des LG, wonach das Unterspritzen von Körperteilen mit Hyaluron einen solchen operativen plastisch-chirurgischen Eingriff darstellt, ist der Senat beigetreten.

Der vom HWG verwendete Begriff des operativen plastisch-chirurgischen Eingriff (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG, § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HWG) ist nicht legaldefiniert und daher auslegungsbedürftig. Zwar könnte der Wortlaut bei unbefangener Betrachtung zunächst - entsprechend der Deutung der Beklagten - an einen "klassischen" operativen Eingriff durch Öffnung des Körpers mittels Skalpell oder Messer denken lassen. Auch nennt die Gesetzesbegründung, mit der dieser Begriff eingeführt wurde, insbesondere Brustvergrößerungen durch Implantate oder Fettabsaugung zur Veränderung der Körperformen als Beispiele für solche Eingriffe. Hierbei kann jedoch unter Berücksichtigung des Schutzzweckes des Werbeverbotes und des HWG insgesamt nicht stehen geblieben werden. Insofern hat das OVG Münster zutreffend (für den Anwendungsbereich des HeilpraktikerG) ausgeführt:

"Das Injizieren des Füllmaterials in die Haut bzw. in die oberen Hautschichten erfordert neben dem notwendigen allgemeinen Wissen bei der Verabreichung von Injektionen aber zusätzliche Kenntnisse über den Aufbau und die Schichten der Haut sowie über den Verlauf von Blutgefäßen, Nervenbahnen und Muskelsträngen in dem für die Injektion vorgesehenen Gesichtsbereich und regelmäßig auch [...] eine vorhergehende Diagnose zu möglichen Ursachen der Faltenbildung sowie eine Beurteilung dazu, ob eine Faltenunterspritzung aus ästhetischen Gründen in Betracht kommt oder aus dermatologischer/chirurgischer Sicht, etwa weil eine Hautkrankheit vorliegt, unterbleiben muss".

Soweit die Beklagten hiergegen eingewandt hatten, dass die Risiken bei der Unterspritzung mit Hyaluron gerade im Vergleich zur Tätowierung gering seien, so war dem entgegenzuhalten, dass es dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers unterfällt, welche Behandlungen er dem Heilmittelwerberecht zuweist. Dass der Gesetzgeber für Tätowierungen und Ohrlochstechen anders als im Falle der streitgegenständlichen Faltenunterspritzung kein entsprechendes Verbot vorgesehen hat, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden und verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), nachdem diese Leistungen schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht der Heilkunde oder der Schönheitschirurgie zugerechnet werden bzw. als operativer Eingriff verstanden werden können, sondern dem Gebiet der Kosmetik im weiteren Sinne unterfallen.

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