05.07.2016

Werklohn: Vertragserfüllungsbürgschaft kann bei zusätzlichem Sicherheitseinbehalt wegen unangemessen hoher Gesamtbelastung unwirksam sein

Abschlagszahlungsregelungen, die vorsehen, dass der Auftraggeber trotz vollständig erbrachter Werkleistung einen Teil des Werklohns einbehalten darf, können zur Unwirksamkeit einer Sicherungsabrede betreffend eine Vertragserfüllungsbürgschaft führen, wenn sie in Verbindung mit dieser bewirken, dass die Gesamtbelastung durch die vom Auftragnehmer zu stellenden Sicherheiten das Maß des Angemessenen überschreitet.

BGH 8.6.2016, VII ZR 29/13
Der Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Vertragserfüllungsbürgschaft auf Zahlung von 327.500 € in Anspruch. Die Klägerin beauftragte die B-GmbH im Jahre 2008 unter Einbeziehung der VOB/B (2006) mit der Errichtung von 47 Wohneinheiten nebst Tiefgarage zu einem Pauschalfestpreis i.H.v. 6,55 Mio. €. Gem. § 12.1.1 des Vertrags hatte die B-GmbH eine Vertragserfüllungsbürgschaft i.H.v. 5 Prozent der Bruttoauftragssumme zu stellen. § 12.1.1 des Vertrags lautet auszugsweise: "Ausführungsbürgschaft - Zur Absicherung der vertragsgemäßen Erfüllung seiner Leistungspflichten stellt der AN dem AG eine Erfüllungsbürgschaft i.H.v. 5 Prozent der Bruttoauftragssumme."

Zudem sah § 10.5. des Vertrags einen Einbehalt von der Schlusszahlung i.H.v. 5 Prozent der Bruttoauftragssumme zur Sicherung der Mängelansprüche der Klägerin vor, wobei die B-GmbH gem. § 10.5. i.V.m. § 12.1.2 des Vertrags berechtigt war, den Einbehalt durch Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft in gleicher Höhe abzulösen. Bei diesen Regelungen handelt es sich um von der Klägerin vorformulierte und gestellte Geschäftsbedingungen. § 13.1. des Vertrags erlaubte Abschlagsrechnungen nach dem Vertrag beigefügten Zahlungsplänen. Nach diesen sollten die drittletzte Abschlagszahlung i.H.v. 5 Prozent der vereinbarten Vergütung mit "vollständige(r) Fertigstellung und Übergabe an den Kunden des Auftraggebers", die vorletzte Abschlagszahlung i.H.v. 5 Prozent der vereinbarten Vergütung "nach Beseitigung der Mängel aus den Abnahmeprotokollen und Kundenunterschriften" und die letzte Abschlagszahlung i.H.v. 5 Prozent der vereinbarten Vergütung "nach erfolgter Abnahme, Ablösung des Sicherheitseinbehalts für die Gewährleistung mit Bürgschaft und Fälligkeit der (vorletzten) Rate" fällig werden.

Im August 2008 verbürgte sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten gegenüber der Klägerin entsprechend § 12.1.1 des Vertrags für die vertragsgemäße Erfüllung der Leistungspflichten der B-GmbH bis zu einem Betrag i.H.v. 327.500 €. Am 10.8.2008 stellte die B-GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Zwei Tage später stellte sie die Arbeiten an dem Bauvorhaben ein. Die Klägerin erklärte unter dem 13.8.2008 die Kündigung des Vertragsverhältnisses mit der B-GmbH gem. § 8 Nr. 2 VOB/B sowie aus wichtigem Grund. In der Folgezeit ließ sie das Bauvorhaben durch Drittunternehmen fertigstellen, wodurch ihr Mehrkosten i.H.v. rd. 1,33 Mio. € entstanden. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus der Bürgschaft auf Zahlung von 327.500 € in Anspruch.

LG und OLG gaben der Klage statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann der Klägerin ein Zahlungsanspruch aus der Vertragserfüllungsbürgschaft nicht zuerkannt werden. Die Beklagte verteidigt sich gegen die Inanspruchnahme aus der Vertragserfüllungsbürgschaft u.a. mit dem ihr gem. § 768 Abs. 1 S. 1 BGB zustehenden Einwand, die der Bürgschaft zugrundeliegende Sicherungsvereinbarung im Bauvertrag sei unwirksam. Aufgrund der bisherigen Feststellungen kann die Wirksamkeit der Sicherungsabrede nicht bejaht werden.

Zutreffend führt das OLG zunächst aus, dass eine zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer getroffene Sicherungsabrede, nach der letzterer eine Vertragserfüllungsbürgschaft zu stellen hat, den Auftragnehmer gem. § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt und unwirksam ist, wenn der Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne die Interessen des Vertragspartners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung kann sich die unangemessene Benachteiligung dabei auch aus einer Gesamtwirkung mehrerer, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Vertragsbestimmungen ergeben.

Rechtsfehlerhaft nimmt das OLG jedoch an, dass hinsichtlich der Abschlagszahlungsregelung gem. § 13.1. des Vertrags i.V.m. den Zahlungsplänen und der Sicherungsabrede keine Gesamtschau vorzunehmen sei und daher eine Unwirksamkeit der Sicherungsabrede zur Vertragserfüllungsbürgschaft nicht angenommen werden könne. Abschlagszahlungsregelungen, aufgrund derer der Auftraggeber trotz vollständig erbrachter Werkleistung einen Teil des Werklohns einbehalten darf, ohne dem Auftragnehmer hierfür eine Sicherheit leisten zu müssen, bewirken einerseits, dass dem Auftragnehmer bis zur Schlusszahlung Liquidität entzogen wird und er darüber hinaus in Höhe des Einbehalts das Risiko trägt, dass der Auftraggeber insolvent wird und er in Höhe des Einbehalts mit der für seine Leistung zu beanspruchenden Werklohnforderung ausfällt. Der Auftraggeber andererseits erhält durch die Einbehalte nicht nur eine Sicherung vor Überzahlungen, er kann vielmehr gegen die einbehaltenen Restforderungen des Auftragnehmers jederzeit mit sonstigen Forderungen aus dem Werkvertrag aufrechnen.

Die Einbehalte stellen damit eine Sicherung sämtlicher vertraglicher Ansprüche des Auftraggebers dar, also auch solcher, auf die sich die der Vertragserfüllungsbürgschaft zugrundeliegende Sicherungsabrede bezieht. Solche Abschlagszahlungsregelungen können daher zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede führen, wenn sie in Verbindung mit der Vertragserfüllungsbürgschaft bewirken, dass die Gesamtbelastung durch die vom Auftragnehmer zu stellenden Sicherheiten das Maß des Angemessenen überschreitet. Dies lässt vorliegend sich nach den bisherigen Feststellungen des OLG nicht verneinen. Danach ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin der B-GmbH einen angemessenen Ausgleich für die genannten Nachteile zugestanden hat. Insbesondere hat das OLG nicht festgestellt, inwieweit die Zahlungspläne für die B-GmbH i.Ü. günstiger als die gesetzliche Regelung des § 632a BGB a.F. waren und hierdurch ein angemessener Ausgleich geschaffen wurde. Die Entscheidung des OLG kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO.

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