20.05.2011

Windenergie muss auf dem kurzen Weg ins Netz

Stromnetzbetreiber müssen Windkraftanlagen an die nächstgelegenen Verknüpfungsstellen in ihren Netzen anschließen, ansonsten machen sie sich bei schuldhaften Verstößen gegen diese Verpflichtung schadensersatzpflichtig. Im Gegensatz zum alten Recht ist nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 EEG 2009 die Notwendigkeit einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung eindeutig in Bezug auf einen Anschlusspunkt in einem anderen Netz beschränkt.

OLG Hamm 3.5.2011, I-21 U 94/10
Der Sachverhalt:
Die beklagte Netzbetreiberin hatte die Windkraftanlage der Klägerin nicht an der standortnahen Verknüpfungsstelle, sondern an einen weiter entfernt liegenden Punkt ihres Netzes angeschlossen. Sie hatte eine Überlastung der standortnäheren Anschlussstelle befürchtet und aus Kostengründen diese nicht ausbauen wollen. Infolge des Anschlusses an den weiter entfernt liegenden Verknüpfungspunkt entstanden der Klägerin nach ihrem Vortrag Mehrkosten von mindestens 190.000 €. Diese verlangte sie von der Beklagten ersetzt.

Das LG gab der Klage dem Grunde nach statt, da nach der neuen Rechtslage keine gesamtwirtschaftliche Kostenanalyse vorzunehmen sei und es auf die Geeignetheit der Anschlussstelle wegen der Verpflichtung der Beklagten zum Ausbau nicht ankomme. Die Berufung der Beklagten blieb vor dem OLG erfolglos. Allerdings wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision zum BGH zugelassen.

Die Gründe:
Das LG hatte mit zutreffender Begründung einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m § 5 Abs. 1 EEG 2009 dem Grunde nach bejaht.

Mit dem Anschluss an die weiter entfernt liegende Stelle in ihrem Netz hatte die Beklagte gegen die aus § 5 Abs. 1 EEG bestehende Anschlusspflicht verstoßen. Danach sind Netzbetreiber verpflichtet, die Anlage an der Stelle an "ihr" Netz anzuschließen, die bei geeigneter Spannungsebene die kürzeste Entfernung zum Standort der Anlage aufweist. Etwas anderes gilt nur, wenn ein "anderes" Netz einen technisch und wirtschaftlich günstigeren Verknüpfungspunkt aufweist.

Soweit die möglichen Anschlussstellen - wie hier - in demselben Netz liegen kommt es nicht auf die gesamtwirtschaftliche Betrachtung an. Zwar hatte der BGH in seinen Entscheidungen vom 8.10.2003 (VIII ZR 165/01) und 10.11.2004 (VIII 391/03) entschieden, dass über den Wortlaut hinaus auch dann ein gesamtwirtschaftlicher Vergleich vorzunehmen ist, wenn die Verknüpfungspunkte demselben Netz angehören und hat dies mit dem Sinn und Zweck - Vermeidung volkswirtschaftlich unsinniger Kosten - und der Gesetzesbegründung zu § 13 Abs. 1 Satz 2 EEG 2004 begründet. Dort wurde nämlich ausdrücklich ausgeführt, dass die wirtschaftliche Gesamtbetrachtung bei "demselben oder einem anderen Netz" eine Rolle spiele. Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass diese Rechtsprechung auf das neue EEG nicht anwendbar ist.

Im Gegensatz zum alten Recht ist nach dem Wortlaut der Norm die Notwendigkeit einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung eindeutig in Bezug auf einen Anschlusspunkt in einem anderen Netz beschränkt. Gegen eine erweiternde Auslegung des Wortlauts auf einen Anschlusspunkt in demselben Netz spricht, dass in dem ebenfalls neuen § 5 Abs. 2 EEG 2009 ausdrücklich eine Differenzierung zwischen "diesem" und einem "anderen" Netz vom Gesetzgeber vorgenommen wurde. Wenn innerhalb derselben Vorschrift eine entsprechende Differenzierung vorgenommen wird, dann kann § 5 Abs. 1 EEG 2009 nur so verstanden werden, dass auch tatsächlich ein anderes Netz gemeint ist.

Außerdem findet sich ein entsprechender Hinweis auf eine erweiternde Auslegung in der Gesetzbegründung zum EEG 2009 nicht mehr. Da das Problem der erweiternden Auslegung bei Schaffung des EEG 2009 bekannt war, muss die Nichtumsetzung der BGH-Rechtsprechung als bewusstes Weglassen aufgefasst werden.

Linkhinweis:

OLG Hamm PM vom 20.5.2011
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