14.07.2025

Zu vom Schuldner im Eröffnungsverfahren nach Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts unberechtigt empfangenen Leistungen eines Drittschuldners

Ein (vorläufiger) Insolvenzverwalter ist nicht befugt, Ansprüche gegen den Schuldner zu verfolgen, um die vom Schuldner im Eröffnungsverfahren nach Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts unberechtigt empfangene Leistung eines Drittschuldners zur Masse zu ziehen, wenn der geleistete Gegenstand nicht mehr im insolvenzbefangenen Vermögen des Schuldners vorhanden ist. Nimmt der (vorläufige) Insolvenzverwalter einen Drittschuldner, der nach Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts an den Schuldner geleistet hat, erneut auf Leistung in Anspruch, kann der Drittschuldner dem Leistungsverlangen grundsätzlich nicht entgegenhalten, der (vorläufige) Insolvenzverwalter müsse zuvor versuchen, beim Schuldner Zugriff auf das Geleistete zu nehmen.

BGH v. 5.6.2025 - IX ZR 69/24
Der Sachverhalt:
Der Kläger macht als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten gegen diesen Zahlungsansprüche wegen unberechtigter Einziehung von Forderungen im Eröffnungsverfahren geltend. Der Beklagte war Mieter eines Wohnhauses. Der Mietvertrag berechtigte ihn zur gewerblichen Untervermietung. Am 5.8.2019 ordnete das AG - Insolvenzgericht - das vorläufige Insolvenzverfahren an, setzte einen vorläufigen Insolvenzverwalter ein, ermächtigte diesen u.a., Forderungen des Schuldners auf ein von ihm zu errichtendes Treuhandkonto einzuziehen und gebot den Drittschuldnern, nur an den vorläufigen Insolvenzverwalter zu leisten. Außerdem ordnete es an, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam seien.

Der Beschluss wurde dem Beklagten am 10.8.2019 zugestellt. Der Beklagte nahm zwischen dem 5.8.2019 und dem 26.11.2019 Untermietzahlungen aus der Untervermietung verschiedener Einheiten des Wohnhauses i.H.v. insgesamt rd. 23.000 € brutto von den Drittschuldnern entgegen. Im selben Zeitraum entstanden dem Beklagten Kosten aus der gewerblichen Untervermietung i.H.v. rd. 9.000 € brutto. Mit Beschluss des AG vom 27.11.2019 wurde über das Vermögen des Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet und der vorläufige Insolvenzverwalter zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser gab die gewerbliche Untervermietung als selbständige Tätigkeit des Beklagten mit Wirkung zum 1.1.2020 frei. Im Lauf des Jahres 2020 gab er weitere selbständige Tätigkeiten des Beklagten frei. Mit Beschluss vom 27.5.2021 entließ das AG den Verwalter aus dem Amt und bestellte den Kläger zum neuen Verwalter.

Der Kläger meint, der Beklagte habe der Insolvenzmasse den Unterschiedsbetrag aus den während des Eröffnungsverfahrens vereinnahmten Untermietzahlungen und den in dieser Zeit durch die Untervermietung entstandenen Kosten zu erstatten. Abzgl. vom Beklagten im Januar 2021 an den vormaligen Verwalter gezahlter 1.500 € verlangt er mit seiner Klage Zahlung von rd. 12.000 € nebst Zinsen.

LG und OLG gaben der Klage bis auf einen geringfügigen Teil der Zinsforderung statt. Auf die Revision des Beklagten wies der BGH die Klage ab.

Die Gründe:
Rechtsfehlerhaft hat das OLG den Kläger für befugt gehalten, Ansprüche gegen den Schuldner aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 816 Abs. 2 BGB) wegen der Einziehung von Drittschuldnerforderungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltend zu machen. Ebenso wenig ist der Kläger befugt, Ansprüche aus angemaßter Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 687 Abs. 2 Satz 1, § 681 Satz 2, § 667 BGB) geltend zu machen.

Allerdings können Ansprüche der Masse bestehen, wenn ein Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens insolvenzbefangene Forderungen unberechtigt einzieht. Der Verwalter hat im eröffneten Verfahren kraft seines Verwaltungs- und Verfügungsrechts über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (§ 80 Abs. 1 InsO) mehrere Möglichkeiten, vom Schuldner empfangene Drittschuldnerleistungen zur Masse zu ziehen. Solange die vom Drittschuldner eingezogene Leistung bei Insolvenzeröffnung im Vermögen des Schuldners noch vorhanden ist, ist der Insolvenzverwalter uneingeschränkt in der Lage, diese Leistung zur Masse zu ziehen. 

Allerdings gehen diese Befugnisse des Verwalters ins Leere, wenn die Leistung eines Drittschuldners beim Schuldner selbst nicht mehr zugriffsfähig vorhanden ist. In solchen Fällen kann der Insolvenzverwalter berechtigt sein, materiell-rechtliche Ansprüche gegen den Schuldner zu verfolgen, um der Masse den Wert von ihm empfangener Drittschuldnerleistungen zuzuführen. Ein (vorläufiger) Insolvenzverwalter ist aber nicht befugt, Ansprüche gegen den Schuldner zu verfolgen, um die vom Schuldner im Eröffnungsverfahren nach Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts unberechtigt empfangene Leistung eines Drittschuldners zur Masse zu ziehen, wenn der geleistete Gegenstand nicht mehr im insolvenzbefangenen Vermögen des Schuldners vorhanden ist. Vorliegend ist der Kläger also nicht befugt, Ansprüche gegen den Beklagten zu verfolgen, um die vom Beklagten im Eröffnungsverfahren nach Anordnung des Zustimmungsvorbehalts (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 InsO) empfangenen Leistungen der Drittschuldner zur Masse zu ziehen.

Entgegen der Auffassung des OLG ist ein nach Insolvenzeröffnung vom Verwalter zu verfolgender Erstattungsanspruch der Masse gegen einen Schuldner auch nicht deshalb geboten, weil dieser andernfalls im Eröffnungsverfahren trotz Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts folgenlos in die künftige Masse eingreifen könnte. Das Gesetz trifft hinreichende Schutzvorkehrungen, sowohl einen der künftigen Masse nachteiligen Forderungseinzug des Schuldners durch Sanktions- und Nachteilsandrohung zu verhüten als auch einen gleichwohl erfolgten Forderungseinzug auszugleichen.

U.a. schützt das Gesetz (§ 24 Abs. 1 InsO i.V.m. § 82 Satz 1 InsO) die Masse vor den nachteiligen Folgen des Forderungseinzugs. Leistet ein Drittschuldner im Eröffnungsverfahren trotz angeordneter Sicherungsmaßnahmen (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO) zur Erfüllung einer Verbindlichkeit an den Schuldner, wird er nur dann von seiner Verbindlichkeit frei (§ 362 Abs. 1 BGB), wenn er zur Zeit der Leistung keine Kenntnis von den ergangenen Sicherungsanordnungen hatte (§ 24 Abs. 1 InsO i.V.m. § 82 Satz 1 InsO). Insoweit schützt das Gesetz nur den gutgläubigen Drittschuldner. Kenntnisunabhängig tritt eine Befreiung nur ein, wenn der vorläufige oder endgültige Insolvenzverwalter das Geleistete nachträglich erhält. Hat die Leistung des Drittschuldners danach keine Erfüllungswirkung, kann sowohl der auf gerichtlicher Anordnung zum Forderungseinzug ermächtigte vorläufige Insolvenzverwalter vor Verfahrenseröffnung als auch der Verwalter im eröffneten Verfahren den Drittschuldner auf erneute Leistung in Anspruch nehmen. Der (vorläufige) Insolvenzverwalter muss vor der erneuten Inanspruchnahme des Drittschuldners nicht versuchen, beim Schuldner Zugriff auf das Geleistete zu nehmen. Entgegen der Auffassung des OLG und Teilen des Schrifttums kann der Drittschuldner den (vorläufigen) Verwalter nicht im Wege einer Einrede aus § 242 BGB hierauf verweisen.

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Laroche in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 11. Aufl. 2023

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Kayser in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 11. Aufl. 2023

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Kayser in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 11. Aufl. 2023

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