07.05.2013

Zum alleinigen Einzugsrecht des Verwalters im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Pfandschuldners hinsichtlich der verpfändeten Forderung

Ist die verpfändete Forderung fällig, die durch das Pfandrecht gesicherte Hauptforderung jedoch nicht, steht dem Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Pfandschuldners das alleinige Einzugsrecht zu. Zieht der wegen des fehlenden Einzugsrechts des Pfandgläubigers einziehungsbefugte Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Pfandschuldners die verpfändete Forderung ein, kann er die Kosten der Feststellung und der Verwertung der Forderung vorab für die Masse entnehmen.

BGH 11.4.2013, IX ZR 176/11
Der Sachverhalt:
Der Beklagte ist Verwalter in dem im. August 2002 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der H-GmbH (Schuldnerin). Diese hatte dem im Oktober 1946 geborenen Kläger, einem ihrer Gesellschafter-Geschäftsführer, im August 1993 eine schriftliche Pensionszusage erteilt, in welcher es heißt:
"1. Sie erhalten ein lebenslängliches Ruhegeld i.H.v. 2000 DM mtl., wenn Sie
a) nach Vollendung des 60. Lebensjahres aus den Diensten der Gesellschaft ausscheiden.
2. Ihr im Zeitpunkt Ihres Ablebens mit Ihnen in gültiger Ehe lebender Ehegatte erhält eine lebenslängliche Hinterbliebenenrente.
4. Die Versorgungsleistungen werden am Ende eines jeden Monats gezahlt, beginnend mit dem Monat nach Eintritt des Versorgungsfalles."

Zur Sicherung des Anspruchs schloss die Schuldnerin eine Rückdeckungsversicherung bei der Streithelferin des Klägers (fortan: Streithelferin) ab und verpfändete die hieraus folgenden Ansprüche an den Kläger sowie für den Fall des Todes an dessen Ehefrau.
In einem Vorprozess nahm der Beklagte den Kläger gem. § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. auf Erstattung in Anspruch. Im Juni 2006 wurde der Kläger verurteilt, an den Beklagten rd. 29.500 € nebst Zinsen und Kosten zu zahlen. Am 1.12.2006 endete der Versicherungsvertrag. Im April 2008 überwies die Streithelferin einen Betrag von rd. 74.000 € an den Beklagten. Der Kläger verlangt die Auskehrung der Versicherungssumme, soweit diese nicht durch die Begleichung der Urteilssumme nebst Zinsen und Kosten aus dem Vorprozess verbraucht worden ist. Der Beklagte rechnet hilfsweise mit weiteren Ansprüchen aus § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. sowie aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 283 StGB auf.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das OLG hat zu Unrecht gemeint, es fehle an einer Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten Ansprüche. Grundlage der geltend gemachten Ansprüche ist § 170 Abs. 1 S. 2 InsO in entsprechender Anwendung.

Die Streithelferin des Klägers hat die Versicherungssumme im April 2008 an den Beklagten als Berechtigten ausgezahlt. Die Berechtigung des Beklagten folgt aus § 173 Abs. 2 S. 2 InsO in entsprechender Anwendung. Der Beklagte war nicht nach § 166 Abs. 2 InsO einziehungsbefugt. Diese Vorschrift erlaubt dem Verwalter die Einziehung oder anderweitige Verwertung einer Forderung, welche der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs abgetreten hatte. Auf verpfändete Forderungen ist sie nicht, auch nicht entsprechend, anwendbar. Der Beklagte war jedoch deshalb zur Einziehung der Versicherungssumme befugt, weil der Kläger als der einzige andere in Betracht kommende Berechtigte nach den insoweit maßgebenden Vorschriften des BGB nicht zur Einziehung der Versicherungsleistung berechtigt war.

Gem. § 1282 Abs. 1 BGB ist der Pfandgläubiger erst dann zur Einziehung der gepfändeten Forderung berechtigt, wenn Pfandreife gem. § 1228 Abs. 2 BGB eingetreten ist. Nach dieser Vorschrift tritt Pfandreife bereits dann ein, wenn die gesicherte Forderung nur teilweise fällig geworden ist. Die gesicherte Forderung aus der Pensionszusage von August 1993 entstand jedoch nicht insgesamt mit Ablauf des Monats, in welchem der Kläger sein 60. Lebensjahr vollendete, sondern von diesem Zeitpunkt an Monat für Monat neu, jeweils aufschiebend bedingt durch den Erlebensfall. Im April 2008 waren überhaupt erst Pensionsansprüche für die Monate November 2006 bis einschließlich März 2008 i.H.v. rd. 17.400 € angefallen.

Nach Eintritt der Pfandreife ist der Verwalter verpflichtet, den absonderungsberechtigten Pfandgläubiger aus dem durch die Einziehung der verpfändeten Forderung erzielten Erlös zu befriedigen. Diese Pflicht folgt wie in den gesetzlich geregelten Fällen eines Verwertungsrechts des Verwalters aus § 170 Abs. 1 S. 2 InsO (analog). Das Einziehungsrecht des Verwalters ändert nichts am Recht des Absonderungsberechtigten auf abgesonderte Befriedigung, also auch nichts daran, dass dem absonderungsberechtigten Gläubiger der Verwertungserlös zusteht. Da der Verwalter mit der Feststellung und Einziehung der verpfändeten Forderung sowie mit der Auskehrung des Erlöses an den Pfandgläubiger befasst ist, hat er zuvor entsprechend § 170 Abs. 1 S. 1 InsO die Kosten der Feststellung und der Verwertung (§ 171 InsO) abzurechnen. Die Vorschrift des § 170 Abs. 1 S. 1 InsO gilt unmittelbar nur für die Fälle des § 166 Abs. 1 und 2 InsO.

Zieht der Verwalter eine verpfändete Forderung ein, weil mangels Fälligkeit der Hauptforderung kein Einziehungsrecht des Pfandgläubigers besteht, und separiert oder hinterlegt er den Erlös zur Auskehrung an den Pfandgläubiger nach Eintritt der Pfandreife, wird der damit verbundene Aufwand regelmäßig demjenigen entsprechen, der für eine Verwertung nach § 166 Abs. 1 und 2 InsO erforderlich ist; dies rechtfertigt eine entsprechende Anwendung des § 171 InsO. Der Kläger hat danach Anspruch auf Auskehrung der Versicherungssumme in Höhe seiner Pensionsansprüche für die Zeit ab November 2006 bis zum Zeitpunkt des erneuten Schlusses der mündlichen Verhandlung abzgl. der Kostenbeiträge gem. § 171 InsO. Der verbleibende Betrag ist bis zu seiner Erschöpfung Monat für Monat in Höhe der mtl. geschuldeten Pension an den Kläger auszuzahlen; wird das Insolvenzverfahren aufgehoben, ist ein etwa noch vorhandener Betrag gem. §§ 191 Abs. 1, 198 InsO zugunsten des Klägers zu hinterlegen.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BGH online
Zurück