11.04.2013

Zum Anspruch auf Herausgabe eines Quellcodes zur Feststellung einer Urheberrechtsverletzung

Ansprüchen nach § 809 BGB auf Herausgabe von Quellcodes zum Zweck des Nachweises einer Urheberrechtsverletzung steht nicht entgegen, dass unstreitig nicht das gesamte Computerprogramm übernommen wurde, sondern lediglich einzelne Komponenten. Es kann deswegen nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass gerade die übernommenen Komponenten nicht auf einem individuellen Programmierschaffen desjenigen beruhen, von dem der Kläger seine Ansprüche ableitet.

BGH 20.9.2012, I ZR 90/09
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Tochtergesellschaft eines US-amerikanischen Software-Unternehmens, das die Software "UniBasic-IDOS" entwickelt hat. Dabei handelt es sich um ein sog. "Migrationsprogramm", das dazu dient, Anwendungen, die auf dem Betriebssystem IDOS des Herstellers Sisco ausgeführt werden können, auf moderne Unix- und Windows-Systeme zu übertragen.

Das US-Unternehmen hatte im Juni 1991 für 600.000 US-Dollar den Quellcode des Programms an die deutsche Entwicklungsgesellschaft H. übergeben. Für diese entwickelte der Beklagte zu 3) das Programm "CX-Basic". Dabei verwendete er zumindest Teile von "Uni-Basic-IDOS", wozu er aber aufgrund eines  Lizenzvertrages berechtigt war. Im November 1993 veräußerte die H. die Rechte an "CX-Basics" für 5,85 Mio. DM an die S-GmbH. Sodann entwickelte die Beklagte zu 2) "CX-Basic" fort und beauftragte damit wiederum den Beklagten zu 3). 1997 wurde "CX-Basic" in "NT-Basic" umbenannt. Später übertrug S. die Rechte an dem Programm "NT- Basic" und dessen Quellcode auf den Beklagten zu 4). Im Juli 1998 veräußerte der Beklagte zu 4) die Software "NT-Basic" nebst Quellcode an die Beklagte zu 1). Diese ließ von der Beklagten zu 2) die Software "NT-Basic" unter Bearbeitung des Quellcodes für Updates weiterentwickeln.

Die Klägerin behauptete, in den von den Beklagten vertriebenen Programmen "NT-Basic" seien schutzfähige Teile der Software "Uni-Basic-IDOS" enthalten. Sie nahm die Beklagten deshalb auf Besichtigung des Quellcodes i.S.v. § 809 BGB, Auskunft, Schadensersatz, Unterlassung sowie Vernichtung von Programmen in Anspruch. Das LG gab der Klage teilweise statt; das OLG wies sie ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung konnte eine Verletzung von Urheberrechten als Voraussetzung eines Besichtigungsanspruchs nach § 809 BGB nicht verneint werden. Das OLG hatte insoweit die Darlegungslast der Klägerin überspannt.

Der Quellcode und Rechte an der Software waren im Jahr 1991 für 600.000 US-Dollar veräußert worden. Ferner stand fest, dass mit Hilfe des Programms "UniBasic-IDOS" Software, die für die Anwendung unter einem bestimmten veralteten Betriebssystem konzipiert ist, so umgeschrieben werden kann, dass sie unter den modernen Betriebssystemen Unix und Windows eingesetzt werden kann. Diese Umstände rechtfertigten bereits die Vermutung, dass die Software insgesamt gem. § 69a UrhG geschützt ist. Dem waren die Beklagten nicht mit substantiiertem Vortrag entgegengetreten. Der Umstand, dass das Computerprogramm jedenfalls teilweise vor Einführung des § 69a UrhG geschaffen wurde, führte zu keinem anderen Ergebnis. Die Vorschrift des § 69a UrhG gilt gem. § 137d Abs. 1 UrhG auch für Programme, die vor der Einführung des § 69a UrhG geschaffen wurden.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gilt grundsätzlich nichts Abweichendes, wenn - wie im Streitfall - auf der einen Seite das Computerprogramm des Berechtigten aus mehreren Komponenten besteht, die nicht von dem oder den angeblichen Programmierern stammen, und auf der anderen Seite nicht das gesamte Computerprogramm, sondern lediglich einzelne Komponenten übernommen wurden. Zwar ist es denkbar, dass die übernommenen Komponenten nicht oder nicht zugunsten der Klägerin urheberrechtlichen Schutz genießen und eine urheberrechtlich relevante Verletzungshandlung deshalb abzulehnen wäre. Diese Möglichkeit reicht aber nicht aus, um einen Besichtigungsanspruch gemäß § 809 BGB zu verneinen. Anderenfalls würde der vom Gesetzgeber in Umsetzung der Richtlinie gewollte Schutz eines Computerprogramms insgesamt unzumutbar erschwert.

Das Berufungsgericht hatte nicht hinreichend berücksichtigt, dass sich Computerprogramme in der Regel aus verschiedenen Komponenten zusammensetzen, die nicht sämtlich auf eine individuelle Schöpfung des Programmierers zurückgehen müssen. Im Streitfall, der dadurch gekennzeichnet ist, dass für das als urheberrechtsverletzend beanstandete Programm unstreitig Komponenten des Klageprogramms übernommen wurden, kann die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung, wie sie für den Besichtigungsanspruch erforderlich ist, nicht verneint werden. Die von der Klägerin begehrte Besichtigung des Quellcodes durch einen zur Gemeinhaltung verpflichteten Sachverständigen soll gerade dazu dienen, eventuelle Übereinstimmungen in Programmteilen zu ermitteln. Ist dies geschehen, mögen die Beklagten darlegen, dass die übernommenen Programmteile nicht auf ein individuelles Programmierschaffen desjenigen zurückgehen, von dem die Klägerin ihre Rechte herleitet.

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