26.01.2012

Zum Beginn des Haftungszeitraums gem. § 425 Abs. 1 HGB bei Beschädigung von Frachtgut während der Lagerung durch den Frachtführer

Für den Beginn des Haftungszeitraums gem. § 425 Abs. 1 HGB ist es nicht erforderlich, dass der Frachtführer unmittelbar nach Erlangung des Besitzes am Transportgut mit der vertraglich vereinbarten Beförderung beginnt. Lagert der Frachtführer das Gut zunächst aus Gründen vor, die seiner Sphäre zuzurechnen sind beispielsweise wegen fehlender Transportkapazität, so beginnt die Obhutshaftung des § 425 Abs. 1 HGB bereits mit der vom Frachtführer vorgenommenen Vorlagerung.

BGH 12.1.2012, I ZR 214/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Transportversicherer der P-GmbH. Sie macht gegen das beklagte Speditionsunternehmen aus abgetretenem und übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin Schadensersatz wegen Beschädigung von Transportgut geltend. Die Versicherungsnehmerin stellte im Oktober 2007 eine aus mehreren Bauteilen bestehende Kombinationsanlage auf einer Messe in Düsseldorf aus. Sie beauftragte die Beklagte, die als Messespediteurin die Erlaubnis hat, auf dem Gelände der Messe in Düsseldorf tätig zu sein, mit der Beförderung der Anlage zum Messegelände, sowie mit deren Rücktransport nach Beendigung der Messe.

Nach Beendigung der Messe bauten Mitarbeiter der Versicherungsnehmerin die Maschine am 31.10.2007 auf dem Messegelände ab. Dabei wurden sie von einem Gabelstaplerfahrer unterstützt, der im Auftrag der Beklagten die von dieser für den Abbau geschuldeten Leistungen erbrachte. Die Maschinenbauteile blieben nach dem Abbau zunächst auf dem Messegelände liegen. Am 5.11.2007 lud der Gabelstaplerfahrer die Bauteile mit einem Stapler auf den für den Rücktransport bereitgestellten Lkw. Als das Gut bei der Versicherungsnehmerin ankam, war der Siebwechsler der Anlage mit einem Gewicht von 280 kg erheblich beschädigt. Beigefügt waren die Vermerke "Maschine beschädigt am Stand" und "Maschine wurde beschädigt durch Verladen".

Die Klägerin behauptet, der Schaden an dem Siebwechsler sei dadurch entstanden, dass er bei der Verladung auf das Transportfahrzeug vom Gabelstapler heruntergefallen sei. Die Kosten für die Schadensbeseitigung beliefen sich auf rd. 7.000 €. Diesen Betrag sowie Kosten für ein Havariegutachten i.H.v. rd. 900 € müsse die Beklagte in voller Höhe ersetzen, da dem von ihr beauftragten Gabelstaplerfahrer ein qualifiziertes Verschulden anzulasten sei. Darüber hinaus schulde die Beklagte die Erstattung vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten i.H.v. rd. 660 €. Die Beklagte macht insbes. geltend, der Schaden sei nicht während ihres Obhutszeitraums eingetreten. Der Schaden müsse entweder bei der Zerlegung der Maschine oder während der Lagerung auf dem Messegelände entstanden sein.

LG und OLG gaben der Klage antragsgemäß statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen insoweit auf, als das OLG hinsichtlich der Hauptforderung über einen Betrag von 3.433 € nebst Zinsen hinaus und hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten über einen Betrag von 360 € nebst Zinsen hinaus zum Nachteil der Beklagten erkannt hat, und wies die Klage in diesem Umfang ab.

Die Gründe:
Die Klägerin kann wegen des entstandenen Sachschadens einen Anspruch über die gesetzliche Höchstbetragshaftung gem. § 431 Abs. 1 und 2 HGB hinaus nicht geltend machen.

Die Voraussetzungen für eine vertragliche Haftung der Beklagten nach § 425 Abs. 1 HGB sind erfüllt, weil die Beschädigung des Siebwechslers während der Obhutszeit der Beklagten erfolgt ist. Der Frachtführer haftet u.a. für den Schaden, der durch Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung entsteht. Die Obhutshaftung des Frachtführers beginnt danach mit der Besitzerlangung an dem zu befördernden Gut. Ist in Abweichung von § 412 Abs. 1 HGB vereinbart, dass der Frachtführer das Gut auch zu verladen hat, so beginnt der maßgebliche Haftungszeitraum bereits zu dem Zeitpunkt, in dem der Frachtführer das Gut zum Zwecke der Verladung in seine Obhut nimmt, also nicht erst mit Beendigung des Beladevorgangs.

Die Haftung gem. § 425 Abs. 1 HGB erfordert zudem, dass der Frachtführer das Gut gerade zum Zweck der Beförderung übernommen hat. Eine Haftung nach § 425 Abs. 1 HGB ist daher ausgeschlossen, solange dem Frachtführer das Gut nur zur Lagerung oder Verwahrung übergeben und noch kein Frachtvertrag abgeschlossen worden ist, mag eine spätere Beförderung durch ihn auch beabsichtigt sein. Ist dagegen bei der Übernahme bereits ein Beförderungsvertrag zustande gekommen, so gilt die Haftungsvorschrift des § 425 Abs. 1 HGB auch schon vor Beginn der eigentlichen Beförderung.

Die Beklagte war am 31.10.2007 von der Versicherungsnehmerin bereits mit dem Rücktransport der Maschine beauftragt worden. Sie hätte daher unmittelbar nach dem Abbau der Maschine mit der von ihr vertraglich geschuldeten Verladung auf einen Lkw und dem Transport zur Versicherungsnehmerin beginnen können. Die Verschiebung der Beförderung ging nicht auf die Versicherungsnehmerin zurück, sondern hatte seinen Grund darin, dass die Beklagte mangels vorhandener Transportkapazitäten nicht zu einem sofortigen Abtransport in der Lage war. Die Obhutshaftung nach § 425 Abs. 1 HGB ist aber nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Frachtführer wegen einer von ihm zu vertretenden oder sonst transportbedingten Verzögerung der Beförderung zunächst eine kurzfristige Vorlagerung vornehmen muss; denn eine solche Handlung dient der Erfüllung des Beförderungsvertrags.

Im Übrigen wendet sich die Revision mit Erfolg gegen die Auffassung des OLG, der Beklagten sei es im Streitfall nach § 435 HGB verwehrt, sich auf die Haftungsbegrenzungen gem. § 431 Abs. 1 und 2 HGB zu berufen, weil davon auszugehen sei, dass der durch die Beschädigung des Transportgutes eingetretene Schaden auf ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten zurückzuführen sei. Der Vortrag der insoweit beweisbelasteten Klägerin reicht für die Annahme eines bewusst leichtfertigen Handelns (§ 435 HGB) des Gabelstaplerfahrers nicht aus.

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