15.09.2023

Zum Datenschutz bei Doping-Sanktionen

Eine nationale Anti-Doping-Behörde, die personenbezogene Daten eines gedopten Profisportlers im Internet veröffentlicht, verstößt nicht gegen die DSGVO. Der dadurch entstehende Eingriff in das Recht auf Datenschutz kann mit dem Präventionsziel einer solchen Veröffentlichung gerechtfertigt werden.

EuGH, C-115/22: Schlussanträge des Generalanwalts vom 14.9.2023
Der Sachverhalt:
Eine österreichische Profisportlerin im Mittelstreckenlauf wurde für schuldig befunden, gegen österreichische Anti-Doping-Regeln verstoßen zu haben. Die Österreichische Anti-Doping-Rechtskommission (ÖADR) erklärte alle im fraglichen Zeitraum von der Sportlerin erzielten Ergebnisse für ungültig, erkannte alle Start- und/oder Preisgelder ab und verhängte über sie eine vierjährige Sperre für die Teilnahme an jeglicher Art von sportlichen Wettkämpfen. Dieser Beschluss wurde von der ÖADR und der Unabhängigen Schiedskommission (USK) bestätigt.

Die Unabhängige Dopingkontrolleinrichtung (NADA) veröffentlichte in Bezug auf die Sportlerin auch ihren Namen, ihren Verstoß gegen die Anti-Doping-Regeln und den Zeitraum der Sperre in einer Tabelle gesperrter Sportler auf ihrer öffentlich zugänglichen Website.

Die Sportlerin beantragte bei der USK eine Überprüfung des Beschlusses. Diese Einrichtung möchte u.a. wissen, ob die Veröffentlichung personenbezogener Daten eines gedopten Profisportlers im Internet mit der DSGVO
vereinbar ist.

Die Gründe:
Zur Zulässigkeit der Klage ist festzuhalten, dass die USK ein "Gericht" i.S.v. Art. 267 Abs. 4 AEUV darstellt. Die USK ist unter den Umständen des vorliegenden Falles sogar ein "Gericht", gegen dessen Entscheidungen keine Rechtsmittel gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV eingelegt werden können. Die USK war daher sogar zur Vorlage verpflichtet.

In materiellrechtlicher Hinsicht ist zunächst klarzustellen, dass die DSGVO auf den Sachverhalt des Falles nicht anwendbar ist. Das Anti-Doping-Recht regelt vorrangig den Sport als Sport. Es bezieht sich eher auf die sozialen und erzieherischen Funktionen des Sports als auf seine wirtschaftlichen Aspekte. Es gibt derzeit keine unionsrechtlichen Vorschriften, die die Anti-Doping-Politik der Mitgliedstaaten betreffen. Ohne auch eine nur indirekte Verbindung der Anti-Doping-Politik zum Unionsrecht kann die DSGVO solche Verarbeitungstätigkeiten nicht regeln. Deshalb fällt der Sachverhalt dieses Falles nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts und somit nicht in den Anwendungsbereich der DSGVO.

Alternativ vertritt die Generalanwältin die Ansicht, dass die DSGVO in einem bestimmten Kontext die Verarbeitung personenbezogener Daten erlaubt, ohne dass eine einzelfallbezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung erforderlich ist. Die Entscheidung des österreichischen Gesetzgebers, zu verlangen, dass bei Profisportlern, die gegen geltende Anti-Doping-Regeln verstoßen, personenbezogene Daten an die Allgemeinheit bekannt gegeben werden, unterliegt daher keiner zusätzlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung jedes Einzelfalles. Der durch die Veröffentlichung verursachte Eingriff in die Rechte von Profisportlern kann mit dem Präventionsziel gerechtfertigt werden, dass junge Sportler von Verstößen gegen Anti-Doping-Regeln abgehalten und interessierte Kreise unterrichtet werden.

In der modernen Gesellschaft gibt es nur einen einzigen Weg gebe, um sicherzustellen, dass eine Pflicht zur allgemeinen Bekanntgabe wie im vorliegenden Fall die Pflicht des österreichischen Gesetzgebers erfüllt wird, nämlich durch eine Veröffentlichung im Internet. Eine bloße Veröffentlichung in gedruckter Form kann nicht mehr als geeignetes Mittel angesehen werden, um die Allgemeinheit mit Informationen zu versorgen. Wenn lediglich eine Offline-Veröffentlichung der fraglichen Informationen gefordert würde, käme dies einer Umgehung der Pflicht zur Information der Allgemeinheit gleich. Die Bekanntgabe des Namens der Sportlerin, des fraglichen Verstoßes gegen Anti-Doping-Regeln und der gegen sie verhängten Sperre auf der öffentlich zugänglichen Website einer nationalen Anti-Doping-Behörde ist während der Dauer ihrer Sperre geeignet und erforderlich, um die präventive Funktion der Abschreckung einerseits und der Information der interessierten Kreise andererseits zu erfüllen.

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EuGH PM Nr. 142 vom 14.9.2023
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