08.09.2015

Zum Pfändungsschutz nach § 851c ZPO beim Umwandlungsverlangen eines Versicherungsnehmers gem. § 167 VVG

§ 167 VVG schafft kein Gestaltungsrecht, sondern gibt dem Versicherungsnehmer nur einen Anspruch darauf, die Lebensversicherung in eine Versicherung umzuwandeln, welche die Kriterien des § 851c Abs. 1 ZPO erfüllt. Pfändungsschutz nach § 851c ZPO besteht auch bei einem Umwandlungsverlangen eines Versicherungsnehmers gem. § 167 VVG erst dann, wenn sämtliche der in § 851c ZPO geregelten Voraussetzungen im Zeitpunkt der Pfändung vorliegen.

BGH 22.7.2015, IV ZR 223/15
Der Sachverhalt:
Die 1970 geborene Klägerin schloss 1996 mit der Beklagten einen Rentenversicherungsvertrag auf ihr Leben. Danach stand ihr erstmals ab Dezember 2027 ein Anspruch auf eine monatliche, lebenslange Altersrente zu. Die Versicherungsperiode betrug einen Kalendermonat.

Die Klägerin beantragte, ein Insolvenzverfahren über ihr Vermögen zu eröffnen. Anschließend bat sie die Beklagte mit Telefax vom 5.3.2012, 9.54 Uhr, den bestehenden Versicherungsvertrag unter Ausübung ihres Wahlrechts in eine pfändungsgeschützte Rentenversicherung umzuwandeln. Zugleich erklärte sie in diesem Schreiben, in Ausübung ihres Wahlrechts hiermit unwiderruflich auf die Kapitalisierung der Versicherung zu verzichten. Mit Beschluss vom 6.3.2012, 16 Uhr, bestellte das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete gem. § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO an, dass Verfügungen der Klägerin über ihr Vermögen nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Dieser Beschluss ging der Beklagten am 8.3.2012 zu. Eine Umwandlung der Versicherung unterblieb.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin am 2.5.2012 kündigte der Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 31.7.2013 den Versicherungsvertrag. Mit Schreiben vom 23.8.2013 teilte die Beklagte der Klägerin auf deren Nachfrage mit, dass eine Anpassung des Vertrags zeitlich nicht möglich gewesen sei und deshalb der Kündigung des Insolvenzverwalters nicht widersprochen werden könne. Die Beklagte zahlte deshalb den Rückkaufswert der Versicherung an den Insolvenzverwalter aus. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin, die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Fortführung des Versicherungsvertrags als pfändungsgeschützten Vertrag gem. § 851c ZPO einen Tarif anzubieten, der den in § 851c Abs. 1 ZPO genannten Anforderungen entspricht.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Klägerin kann von der Beklagten nicht mehr verlangen, den bei der Beklagten geführten Versicherungsvertrag in einen pfändungsgeschützten Vertrag nach § 851c Abs. 1 ZPO umzuwandeln. Die Versicherung ist aufgrund der Kündigung des Insolvenzverwalters erloschen.

Die Kündigung des Insolvenzverwalters vom 31.7.2013 war wirksam. Denn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis war gem. § 80 InsO auf den Insolvenzverwalter übergegangen. Die Lebensversicherung war pfändbar und unterlag damit dem Insolvenzbeschlag. § 851c Abs. 1 ZPO griff zum Zeitpunkt des Insolvenzbeschlags nicht ein. Das Umwandlungsverlangen der Klägerin vom 5.3.2012 allein führt nicht zum Pfändungsschutz. Gem. § 35 Abs. 1 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen des Schuldners. Hiervon nimmt § 36 Abs. 1 S. 1 InsO die Gegenstände aus, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen. § 36 Abs. 1 S. 2 InsO erklärt u.a. § 851c ZPO für entsprechend anwendbar.

Damit unterfallen Ansprüche auf Leistungen aus Verträgen, die die Anforderungen des § 851c ZPO erfüllen, nur insoweit dem Insolvenzbeschlag, als sie wie Arbeitseinkommen gepfändet werden dürfen. Pfändungsschutz nach § 851c ZPO besteht jedoch erst dann, wenn sämtliche der in § 851c ZPO geregelten Voraussetzungen im Zeitpunkt der Pfändung vorliegen. Für die Insolvenz ist auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt erfüllte die Rentenversicherung der Klägerin insbesondere weder die Voraussetzungen des § 851c Abs. 1 Nr. 1 ZPO noch die des § 851c Abs. 1 Nr. 2 ZPO, weil der Rentenbeginn vor dem 60. Lebensjahr lag und die Klägerin abgesehen von dem hier unerheblichen Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO weiter über ihre Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag verfügen konnte. Die Versicherung der Klägerin war daher weiterhin uneingeschränkt pfändbar.

§ 167 VVG erweitert den von § 851c ZPO gewährten Pfänungsschutz nicht. Zwar handelt es sich bei der Rentenversicherung der Klägerin um eine Lebensversicherung i.S.d. § 167 VVG. Die Vorschrift legt jedoch nicht den Zeitpunkt des Pfändungsschutzes fest, sondern verschafft lediglich dem Versicherungsnehmer materiell-rechtlich einen Anspruch, eine Lebensversicherung in eine den Anforderungen des § 851c ZPO entsprechende Versicherung umzuwandeln. Die Vorschrift bestimmt nur, unter welchen Voraussetzungen der Versicherer hierzu verpflichtet ist und auf welche Weise dies erreicht werden kann. Zwar nehmen zahlreiche Stimmen in der Literatur an, Pfändungsschutz nach § 851c ZPO trete bereits ein, sobald dem Versicherer das Verlangen des Versicherungsnehmers nach § 167 VVG zugegangen sei. Eine solche Vorverlagerung des Pfändungsschutzes entspricht aber nicht der gesetzlichen Regelung.

Pfändungsschutz tritt nicht vor dem Zeitpunkt ein, zu dem die Umwandlung erfolgt ist. Erst nach erfolgter Umwandlung der Versicherung kann sicher beurteilt werden, ob der geänderte Vertrag unwiderruflich den Anforderungen des § 851c ZPO entspricht. Ob die Lebensversicherung tatsächlich in einen Vertrag umgewandelt wird, der unwiderruflich den Anforderungen des § 851c Abs. 1 ZPO entspricht, lässt sich im Zeitpunkt des Umwandlungsverlangens nicht immer sicher absehen. Allein das Verlangen des Versicherungsnehmers führt nicht zur Umwandlung der Lebensversicherung. § 167 VVG schafft kein Gestaltungsrecht, sondern gibt dem Versicherungsnehmer nur einen Anspruch darauf, die Lebensversicherung in eine Versicherung umzuwandeln, die die Kriterien des § 851c Abs. 1 ZPO erfüllt.

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