13.09.2012

Zum Schutzgegenstand eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters

Führen unterschiedliche Darstellungen eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters in der Anmeldung zu Unklarheiten über den Schutzgegenstand, ist der Schutzgegenstand durch Auslegung zu ermitteln. Teile oder Elemente eines eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters sind nach der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung nicht eigenständig geschützt.

BGH 8.3.2012, I ZR 124/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Inhaberin eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters (Klagemuster), das im September 2005 bekanntgemacht worden war. Die Wiedergabe des Klagemusters zeigt eine Karaffe in sieben Ansichten. Auf vier Ansichten ist die Karaffe zusammen mit einem Sockel zu sehen, auf drei Ansichten ist die Karaffe allein wiedergegeben.

Die Beklagte vertreibt ebenfalls Weinkaraffen, allerdings ohne Sockel. Nach Ansicht der Klägerin verletzt die Beklagte mit dem Vertrieb dieser Weinkaraffen das Klagemuster. Sie nahm deshalb die Beklagte u.a. auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch. Die Beklagte trat dem entgegen und beantragte widerklagend, das Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Klägerin für nichtig zu erklären.

LG und OLG wiesen die Klage und die Widerklage ab. Auch die Revision der Klägerin blieb vor dem BGH erfolglos.

Die Gründe:
Die Beklagte hat mit dem Vertrieb ihrer Weinkaraffen das Geschmacksmuster der Klägerin nicht verletzt.

Das eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster gewährt seinem Inhaber nach Art. 19 Abs. 1 GGV u.a. das ausschließliche Recht, Dritten zu verbieten, es ohne seine Zustimmung zu benutzen und insbesondere anzubieten und in Verkehr zu bringen. Der Umfang des Schutzes aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster erstreckt sich gem. Art. 10 Abs. 1 GGV auf jedes Muster, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erweckt. Schutzgegenstand ist die in der Anmeldung sichtbar wiedergegebene Erscheinungsform eines Erzeugnisses oder eines Teils davon. Unterschiedliche Darstellungen in der Anmeldung bilden nicht mehrere Schutzgegenstände.

Weichen verschiedene Darstellungen eines Geschmacksmusters - wie im Streitfall - voneinander ab und entstehen dadurch Unklarheiten über den Schutzgegenstand, ist der Schutzgegenstand des Geschmacksmusters durch Auslegung zu bestimmen. Diese Auslegung kann zu dem Ergebnis führen, dass Abweichungen der Wiedergaben bei der Bestimmung des Schutzgegenstandes außer Betracht bleiben müssen und Schutzgegenstand gleichsam aus der Schnittmenge der allen Darstellungen gemeinsamen Merkmale besteht. Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, die von der Beklagten vertriebene Weinkaraffe erwecke beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck als das Klagemuster, weil der Gesamteindruck des Kombinationsmusters der Klägerin maßgeblich auch von dem Sockel mitbestimmt werde, auf den die Beklagte bei dem angegriffenen Modell verzichte. Diese Beurteilung ließ keinen Rechtsfehler erkennen.

Das Berufungsgericht war letztlich auch mit Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin keinen Schutz allein für die Karaffe als Teil oder Element des eingetragenen Geschmacksmusters beanspruchen kann, weil die Geschmacksmusterverordnung - wie auch die Geschmacksmusterrichtlinie und das darauf beruhende Geschmacksmustergesetz in der ab dem 1.6.2004 geltenden Fassung - keinen Schutz für Teile oder Elemente eines eingetragenen Musters kennt. Die Rechtssicherheit erfordert es, allein solche Erscheinungsformen von Teilen eines Erzeugnisses als eingetragene Geschmacksmuster zu schützen, die als Erscheinungsformen von Teilen eines Erzeugnisses angemeldet und eingetragen sind. Nur unter dieser Voraussetzung können die interessierten Verkehrskreise aufgrund einer Geschmacksmusterrecherche zuverlässig feststellen, was Gegenstand des Geschmacksmusterschutzes ist.

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