11.12.2012

Zum Verstoß gegen das beihilferechtliche Durchführungsverbot durch den Verkauf einer im Staatseigentum stehenden Pipeline

Die Vereinbarung eines unter dem Marktwert liegenden Kaufpreises (hier: Verkauf des Teilstücks einer Pipeline an das Unternehmen Wingas) kann einen Verstoß gegen das beihilferechtliche Durchführungsverbot darstellen. In einer solchen Konstellation ist weiterhin grundsätzlich von der Unwirksamkeit des gesamten Vertrages auszugehen.

BGH 5.12.2012, I ZR 92/11
Der Sachverhalt:
Im Mai 2005 erwarb das Unternehmen Wingas von der beklagten Bundesrepublik Deutschland ein Teilstück des vormals militärisch genutzten Central Europe Pipeline Systems (CEPS). Die Klägerin ist eine Wettbewerberin von Wingas; sie macht geltend, der Kaufpreis unterschreite den Marktwert und stelle daher eine Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV dar. Sie beantragte, die Nichtigkeit des Kaufvertrags festzustellen, weil er der EU-Kommission nicht notifiziert und ohne deren Genehmigung unter Verstoß gegen das beihilferechtliche Durchführungsverbot (Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV) durchgeführt worden sei.

LG und OLG gaben der Klage statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das OLG durfte den Marktwert des Pipeline-Teilstücks zwar auf der Grundlage eines Gutachtens feststellen. Es hätte aber die Methode des Gutachters beanstanden müssen, den Marktwert allein auf der Basis von Netznutzungsentgelten, also des erzielbaren Umsatzes, und der Kosten der Nutzung des vorgelagerten Netzes zu bestimmen. Denn dabei blieben die weiteren Kosten des Gasnetzbetreibers zu Unrecht unberücksichtigt.

Einer Zurückverweisung der Sache an das OLG zur korrekten Ermittlung des Marktwertes hätte es allerdings nicht bedurft, wenn auch dann keine Gesamtnichtigkeit des Vertrages eintreten würde, wenn sich der Kaufpreis als zu niedrig erweist und damit von einer nicht notifizierten staatlichen Beihilfe ausgegangen werden müsste. Nach der Rechtsprechung des EuGH führt ein Verstoß gegen das Durchführungsverbot zur Unwirksamkeit der betreffenden Beihilfemaßnahme. Der BGH hat bislang in ständiger Rechtsprechung angenommen, dass ein Vertrag, durch den unter Verletzung des Durchführungsverbots eine Beihilfe gewährt worden ist, nach § 134 BGB in vollem Umfang nichtig ist.

Allerdings hat der EuGH mittlerweile klargestellt, dass der Zweck des Durchführungsverbots nicht unbedingt die Gesamtnichtigkeit von Kaufverträgen verlangt, die Beihilfen enthalten. Vielmehr reicht es europarechtlich aus, wenn der Beihilfeempfänger die Differenz zwischen dem vereinbarten Preis und dem höheren, beihilfefreien Preis zzgl. des Zinsvorteils nachzahlen muss. Auch wenn danach die bisherige Rechtsprechung des BGH, wonach ein Verstoß gegen das beihilferechtliche Durchführungsverbot stets zur Gesamtnichtigkeit des die Beihilfe gewährenden Vertrages führt, überdacht werden muss, kommt doch im Streitfall eine Teilnichtigkeit nicht in Betracht.

Nichtig wäre in jedem Fall die Kaufpreisabrede. Fällt jedoch die Vereinbarung über den Kaufpreis weg, fehlt ein wesentlicher Bestandteil des Vertrages. Insoweit kann auch die vereinbarte salvatorische Klausel nicht helfen, nach der sich die Parteien im Falle der Unwirksamkeit einer vertraglichen Regelung verpflichten, "eine dem Sinn und Zweck der unwirksamen Regelung wirtschaftlich entsprechende ergänzende Vereinbarung zu treffen". Aufgrund dieser Klausel kann nicht angenommen werden, dass die Käuferin sich für den Fall der Unwirksamkeit der Kaufpreisabrede verpflichten wollte, den - möglicherweise wesentlich höheren - beihilfefreien Kaufpreis zu zahlen.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 202 vom 10.12.2012
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