07.02.2012

Zur Berechnung der Schadensersatzleistung bei anrechenbaren Steuervorteilen

Zwar bleibt eine Anrechnung von Steuervorteilen im Wege der Vorteilsausgleichung im Grundsatz dann außer Betracht, wenn die Rückabwicklung des Erwerbs ihrerseits zu einer Besteuerung führt, die dem Geschädigten die erzielten Steuervorteile wieder nimmt. Etwas anderes gilt aber dann, wenn der Schädiger Umstände darlegt, auf deren Grundlage dem Geschädigten auch unter Berücksichtigung der Steuerbarkeit der Ersatzleistung außergewöhnlich hohe Steuervorteile verbleiben oder er gar Verlustzuweisungen erhalten hat, die über seine Einlageleistungen hinausgehen.

OLG Frankfurt a.M. 23.1.2012, 23 U 114/10
Sachverhalt:
Der Kläger hatte die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz und Feststellung wegen einer angeblich fehlerhaften Beratung im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der sog. VIP MEDIENFONDS 2 GmbH & Co. KG (VIP 2) in Anspruch genommen. Das LG gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Beklagte zur Rückzahlung der Einlage zzgl. Agio nebst Verzugszinsen Zug-um-Zug gegen Übertragung der Beteiligung. Das gericht war der Ansicht, dass Steuervorteile nicht im Wege der Vorteilsausgleichung in Ansatz zu bringen seien, da die Schadensersatzleistung selbst zu versteuern sei.

Die Beklagte war der Ansicht, der Kläger müsse sich die gezogenen Steuervorteile anrechnen lassen. Dass die nach Abzug der Steuervorteile verbleibende Schadensersatzleistung zu versteuern sei, sei ein zukünftiger Nachteil, den der Kläger über einen Feststellungsantrag abfangen könne, der aber für die Berechnung des Zahlungsantrags außer Betracht zu bleiben habe.

Auf die Berufung der Beklagten hob das OLG das erstinstanzliche Urteil diesbezüglich auf und wies die Klage insoweit ab. Im Übrigen blieb die Berufung allerdings erfolglos. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.

Gründe:
Das LG hatte zwar zu Recht die Beklagte dem Grunde nach für schadensersatzpflichtig gehalten. Danach steht dem Kläger im Zusammenhang mit seiner Zeichnung einer Kommanditbeteiligung an VIP 2 gem. § 280 Abs. 1 BGB ein Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung einer Aufklärungspflicht aus einem Beratungsvertrag zu. Dieser Anspruch war auch nicht verjährt. Allerdings war eine Anrechnung von Steuervorteilen - entgegen der Ansicht des LG - ausnahmsweise angezeigt.

Der Umfang des dem Kläger von der Beklagten geschuldeten Schadensersatzes ergab sich aus § 249 BGB. Der Geschädigte kann von der Beklagten verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er die Beteiligung nicht gezeichnet, was grundsätzlich zur Folge hat, dass der Kläger Anspruch auf Rückerstattung der von ihm geleisteten Bareinlage nebst Agio hat Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung, also Abgabe aller Erklärungen, die zur Übertragung erforderlich sind. Eine Anrechnung von Steuervorteilen im Wege der Vorteilsausgleichung muss auch im Grundsatz dann außer Betracht bleibt, wenn die Rückabwicklung des Erwerbs ihrerseits zu einer Besteuerung führt, die dem Geschädigten die erzielten Steuervorteile wieder nimmt.

Etwas anderes gilt allerdings nach BGH-Rechtsprechung dann, wenn der Schädiger Umstände darlegt, auf deren Grundlage dem Geschädigten auch unter Berücksichtigung der Steuerbarkeit der Ersatzleistung außergewöhnlich hohe Steuervorteile verbleiben oder er gar Verlustzuweisungen erhalten hat, die über seine Einlageleistungen hinausgehen. So lag der Fall - entgegen der Wertung des LG - letztlich bei VIP 2 (s. BGH-Urt.v. 29.8.2011 - Az.: 23 U 76/10). Aufgrund der Konstruktion des Fonds erhielt der Anleger für 2002 eine Verlustzuweisung, die selbst nach der Korrektur durch das Finanzamt noch ca. 92,02% der Nominaleinlage betrug, während als Anlagebetrag nur 55% der Einlage zzgl. 3% Agio zu leisten waren.

Im vorliegenden Fall standen somit anfängliche Verlustzuweisungen von 23.004 € einer tatsächlichen Einlageleistung von nur 14.500 € incl. Agio gegenüber. Damit lag gerade der Fall vor, demzufolge nach der BGH-Rechtsprechung von außergewöhnlichen Vorteilen auszugehen ist. Dies ist auch konsequent, beruht die BGH-Rechtsprechung, die die nach schadensrechtlichen Rechtsgrundsätzen an sich anerkannte Vorteilsausgleichung unter Praktikabilitäts- und Billigkeitsgesichtspunkten für den Regelfall ausschaltet, doch auf der Grundannahme, dass die das zu versteuernde Einkommen senkenden Verlustzuweisungen und die das zu versteuernde Einkommen erhöhende Schadensersatzleistung sich in etwa die Waage halten.

Überschreiten die Verlustzuweisungen bezogen auf den Anlagebetrag die 100%-Grenze, ist diese Grundannahme erschüttert. Damit bestehen "Anhaltspunkte" für etwaige dem Anleger abweichend vom Regelfall billigerweise auf die Entschädigungsleistung anzurechnende außergewöhnliche Steuervorteile. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass vorliegend infolge von Gewinnzuweisungen späterer Jahre die anfängliche Verlustzuweisung nachträglich relativiert und auf einen Betrag gedrückt wurden, der nicht mehr oberhalb des Anlagebetrages (incl. Agio), sondern zwischen Bareinlage und Anlagebetrag (incl. Agio) lag.

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