03.01.2013

Zur drohenden Zahlungsunfähigkeit trotz gewährter Prolongation eines Darlehens

Wird ein befristetes Darlehen wegen Zeitablaufs fällig, so ist die Verpflichtung des Schuldners zur Tilgung bei der Prüfung seiner Zahlungsfähigkeit regelmäßig zu berücksichtigen, auch wenn der Darlehensgeber nicht konkret zur Rückzahlung aufgefordert hat. Dem Schuldner kann die Zahlungsunfähigkeit trotz gewährter Prolongation des Darlehens drohen, wenn die in dieser Zeit geführten Umschuldungsverhandlungen keine sichere Erfolgsaussicht bieten.

BGH 22.11.2012, IX ZR 62/10
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Verwalter in dem auf einen Eigenantrag vom 26.9.2003 am 1.12.2003 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der A-GmbH (Schuldnerin). Zur Finanzierung ihres Geschäftsbetriebs gewährte die S der Schuldnerin im Dezember 2001 einen am 30.12.2002 zur Rückzahlung fälligen Kredit über 5,3 Mio. DM. Außerdem führte die S für die Schuldnerin ein Kontokorrentkonto mit einer vereinbarten Kreditlinie von 1,75 Mio. DM.

Nach einem Kreditgespräch teilte die S der Schuldnerin mit Schreiben vom 27.12.2002 mit, dass sie bereit sei, den zur Rückzahlung fälligen Kredit um drei Monate zu prolongieren. Die Schuldnerin zahlte am 28.3.2003 100.000 €, am 22.4.2003 38.000 € und am 16.5.2003 25.000 € an die S. Diese fusionierte im Juli 2003 mit einer anderen S zur Beklagten.

Der Kläger verlangt von der Beklagten unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung die Erstattung der drei geleisteten Zahlungen. Die Beklagte nahm den Kläger persönlich im Wege der Widerklage auf Schadensersatz in Anspruch.

LG und OLG wiesen Klage und Widerklage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil insoweit auf, als zum Nachteil des Klägers entschieden wurde, und verwies die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Auf der Grundlage des im Revisionsverfahren zu unterstellenden Sachverhalts kann die Vorsatzanfechtung nicht verneint werden.

Zum Zeitpunkt der Zahlungen am 22.4. und am 16.5.2003 war die Prolongation des Darlehens ausgelaufen. Gleichwohl hat das OLG Zahlungsunfähigkeit i.S.v. § 17 InsO verneint, weil die S das Darlehen über rund 2,71 Mio € nicht ernsthaft eingefordert habe. Dabei hat es den Begriff des ernsthaften Einforderns in einem zu engen Sinn verstanden. Ist für eine Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, gerät der Schuldner auch ohne Mahnung in Verzug (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). In einem solchen Fall darf der Gläubiger auch ohne besonderes Zahlungsverlangen von der pünktlichen Erfüllung seiner Forderung ausgehen. Deshalb bedurfte es nach dem Ablauf der Prolongation des befristeten Darlehens keiner weiteren Handlung der S, um ihren Willen zu bekunden, dass sie von der Schuldnerin Erfüllung verlangte.

Allerdings lag es für die S auf der Hand, dass die Schuldnerin die Rückzahlung des Darlehens nicht aus eigenen Mitteln bewerkstelligen konnte, sondern auf eine Umschuldung angewiesen war. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand ist nicht auszuschließen, dass die S im Blick auf die von der Schuldnerin angeführten, angeblich schon weit fortgeschrittenen und kurz vor dem Abschluss stehenden Ablöseverhandlungen mit einer anderen Bank bereit war, weiter zuzuwarten und bis dahin das Darlehen bankmäßig fortzuführen.

Letztlich konnte die rechtliche Einordnung des Kreditengagements nach dem 30.3.203 aber offen bleiben, da der Schuldnerin im Zeitraum der angefochtenen Zahlungen jedenfalls die Zahlungsunfähigkeit drohte. Dies hat das OLG nicht berücksichtigt. Sein Urteil beruht auf der fehlerhaften Annahme, nur die festgestellte Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen, nicht jedoch eine vom Schuldner erkannte nur drohende Zahlungsunfähigkeit sei ein starkes Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners, das bei der gebotenen Gesamtwürdigung zu berücksichtigen ist.

Zum Zeitpunkt aller angefochtenen Zahlungen drohte der Schuldnerin Zahlungsunfähigkeit. Die vom OLG angenommene Stundung der Darlehensrückzahlung über rd. 2,71 Mio. € hatte ihren Grund in den Verhandlungen der Schuldnerin mit einer anderen Bank über eine Ablösung des Darlehens. Diese Verhandlungen begrenzten aber auch die Stundung. Für eine Fortdauer der Stundungsvereinbarung über den Zeitpunkt eines Scheiterns der Ablöseverhandlungen hinaus gibt es keine Anhaltspunkte. Damit war absehbar, dass die Schuldnerin zahlungsunfähig sein würde, sobald die Ablöseverhandlungen scheiterten. Dass die Schuldnerin bei einem Scheitern der Umschuldung in der Lage sein würde, ihre sämtlichen fälligen Zahlungsverpflichtungen einschließlich des Darlehens der Beklagten innerhalb von drei Wochen zu mehr als 90 Prozent zu erfüllen, ist nicht erkennbar.

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