08.01.2013

Zur ergänzenden Vertragsauslegung eines dreiseitigen Vertrages

Es ist grundsätzlich nicht interessengerecht, einem Unternehmer die Möglichkeit zu verschaffen, einen Vergütungsanspruch ohne Erbringung der Gegenleistung durchzusetzen. Bei der Schließung einer Vertragslücke (hier: ein dreiseitiger Vertrag) durch ergänzende Auslegung ist darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall bedacht hätten.

BGH 15.11.2012, VII ZR 99/10
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist ein Möbelhersteller. Er hatte im Auftrag der Streithelferin Einrichtungsgegenstände für deren Bowling-Center hergestellt und eingebaut. Die beklagte Brauerei  gewährte der Streithelferin dafür ein Investitionsdarlehen. Im September 2004 vereinbarten der Kläger, die Beklagte und die Streithelferin, dass der Kläger das Eigentum an den von ihm gelieferten Einrichtungsgegenständen "direkt und ohne Zwischenerwerb" der Streithelferin auf die Beklagte überträgt. Der Rest des Vertrages sah folgendes vor:

"Im Gegenzug wird die Brauerei (Beklagte) den Netto-Rechnungsbetrag zu Lasten des Darlehensvertrages an den Lieferanten (Kläger) unter folgenden Bedingungen auszahlen:

  • Der Darlehensvertrag zwischen Brauerei und Kunde (Streithelferin) wird wirksam und unwiderruflich.
  • Der Lieferant hat die Gegenstände geliefert und ordnungsgemäß in das Objekt eingebaut.
  • Der Kunde hat die Ordnungsgemäßheit der Lieferung durch Gegenzeichnung der Rechnung bestätigt."

Im Januar 2005 nahm der Kläger die Sicherungsübereignung an die Beklagte vor. Kurz darauf übersandte er der Streithelferin die Rechnung über 82.251 € und die Abnahme erfolgte. Einige Zeit nach regelmäßiger Benutzung zeigten sich Mängel des Bezugsstoffes an den Sitzmöbeln, die die Streithelferin beanstandete. Daraufhin leistete die Beklagte, die zuvor 50.000 € an den Kläger entrichtet hatte, keine weiteren Zahlungen mehr. Der Kläger verlangte allerdings die Restvergütung von 32.251 €.

Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr antragsgemäß statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Die Vertragsauslegung durch das OLG verstieß gegen den Grundsatz der beiderseitigen interessengerechten Auslegung.

Das Berufungsgericht hatte entgegen dem klaren Inhalt der Vereinbarung aus September 2004 verkannt, dass die Vertragsverhältnisse der Parteien gerade nicht getrennt, sondern durch eine dreiseitige Vereinbarung verbunden waren. Außerdem ist es grundsätzlich nicht interessengerecht, dem Unternehmer die Möglichkeit zu verschaffen, einen Vergütungsanspruch ohne Erbringung der Gegenleistung durchzusetzen. Infolgedessen ist es der Beklagten zunächst unbenommen, die Schlüssigkeit der Forderung des Klägers zu bestreiten, indem sie sich auf Zuvielabrechnungen beruft. Sie kann sich allerdings gegen den Zahlungsanspruch des Klägers auch in der Weise verteidigen, dass sie einredeweise Sachmängelrechte geltend macht.

Zwar war die Beklagte nicht Gläubigerin der Lieferverpflichtung des Klägers und hatte mit der Streithelferin auch keine Abtretung von Sachmängelansprüchen vereinbart. Die dreiseitige Vereinbarung wies aber eine Lücke auf, wenn sich erst nach Fälligkeit der Zahlungsforderung Sachmängel der gelieferten Einrichtung herausstellten. Diese Lücke war durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen. Bei der Schließung der Vertragslücke durch ergänzende Auslegung ist darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall bedacht hätten. Die Regelungslücke war im vorliegenden Fall dahingehend zu schließen, dass die Parteien der Beklagten ein vertragliches Zurückbehaltungsrecht eingeräumt hätten.

Sinn der Vereinbarung aus September 2004 war es im Wesentlichen, dem Kläger einen Direktanspruch auf Zahlung gegen die Beklagte und dieser "im Gegenzug" das Sicherungseigentum an der Einrichtung direkt und ohne Zwischenerwerb der Streithelferin zu verschaffen. Das trug auch dem Äquivalenzprinzip Rechnung. Die Einräumung eines vertraglichen Leistungsverweigerungsrechts war daher zur Wahrung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses geboten. Zwar konnte die vom Berufungsgericht unterlassene ergänzende Vertragsauslegung vom Revisionsgericht nachgeholt werden. Im weiteren Verfahren sind allerdings noch weitere Feststellungen zur Schlüssigkeit des Zahlungsverlangens und zu Sachmängeln der gelieferten Einrichtung zu treffen.

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