04.12.2012

Zur Neuheit von auf dem Markt erhältlichen Stoffzusammensetzungen

Für die Neuheit einer auf dem Markt erhältlichen Stoffzusammensetzung kommt es darauf an, ob der Stoff oder die Bestandteile der Zusammensetzung allgemein verfügbar sind oder jedenfalls der Fachmann in der Lage ist, den Gegenstand des Patents mit Hilfe seines Fachwissens und -könnens in die Hand zu bekommen. Der Stoff ist jedenfalls dann nicht neu, wenn die Zusammensetzung vom Fachmann analysiert und ohne unzumutbaren Aufwand reproduziert werden kann.

BGH 23.10.2012, X ZR 120/11
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist Inhaberin des im September 2000 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität aus September 1999 angemeldeten Streitpatents. Das Streitpatent betrifft eine pharmazeutische Zusammensetzung für die orale Verabreichung in Form einer Hart- oder Weichgelatinekapsel oder einer Flüssigkeit, die Eukalyptus- und Orangen(schalen)öl in kombinierter Form umfasst und die vorzugsweise zur Behandlung von Erkrankungen der Atemwege verwendet werden kann, die durch Mikroorganismen hervorgerufen werden.

Die Klägerin machte geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.

Die Gründe:
Der Gegenstand des Streitpatents war im Prioritätszeitpunkt nicht neu.

Für die Neuheit eines Stoffes oder einer Zusammensetzung kommt es darauf an, ob der Stoff oder die Bestandteile der Zusammensetzung allgemein verfügbar sind oder jedenfalls der Fachmann in der Lage ist, den Gegenstand des Patents mit Hilfe seines Fachwissens und -könnens in die Hand zu bekommen. Es genügt, wenn ein solcher Gegenstand vom Fachmann analysiert und ohne unzumutbaren Aufwand reproduziert werden kann. Bei einer nicht ohne Weiteres identifizierbaren komplexen Zusammensetzung reicht es hierfür aus, wenn der Fachmann eine überschaubare Anzahl plausibler Hypothesen über die mögliche Beschaffenheit der Zusammensetzung entwickeln kann, von denen sich eine mit ihm zur Verfügung stehenden Analysemöglichkeiten verifizieren lässt. Ein in jeder Hinsicht eindeutiges Ergebnis, das jede andere denkbare Zusammensetzung mit Sicherheit ausschließt, ist dazu nicht erforderlich.

Dem Fachmann war im vorliegenden Fall bekannt, dass nur wenige ätherische Öle α-Pinen, Limonen und 1,8-Cineol als Hauptbestandteile enthalten. Außerdem war dem Fachmann bekannt, dass Eukalyptusöl traditionell zur Behandlung von Atemwegserkrankungen Verwendung findet. Eukalyptusöl und Orangenöl kamen auch deshalb als Bestandteile von Gelomyrtol forte in Betracht, weil sie in großen Mengen produziert werden und vergleichsweise kostengünstig sind. Der Fachmann hatte aus diesen Gründen Veranlassung zu der Hypothese, dass Gelomyrtol forte Eukalyptus- und Orangenöl enthält. Fertigte der Fachmann von dem Gemisch der Öle ein Gaschromatogramm an, was als übliche Untersuchungsmethode anzusehen ist, und verglich dieses mit einem Gaschromatogramm des Arzneimittels Gelomyrtol forte, konnte er hieraus mit dem erforderlichen Grad an Sicherheit die Schlussfolgerung ziehen, dass Eukalyptus- und Orangenöl Bestandteile dieses Produkts sind.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BGH online
Zurück