29.07.2011

Zur produktbezogenen Wirkung der Zulassung eines Pflanzenschutzmittel-Zusatzstoffes

Die Eintragung eines Pflanzenschutzmittel-Zusatzstoffes in die für solche Stoffe beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit geführte Liste wirkte jedenfalls bis zum 1.1.2007 auch zu Gunsten Dritter. Eine unlautere Handlung ist nicht schon deshalb nicht spürbar i.S.d. § 3 Abs. 1 UWG, weil sie nur einmal oder nur für kurze Zeit vorgenommen worden ist.

BGH 10.2.2011, I ZR 8/09
Der Sachverhalt:
Die in den Niederlanden ansässige Beklagte handelt in Deutschland mit importierten Pflanzenschutzmitteln und Stoffen, die dazu bestimmt sind, Pflanzenschutzmitteln zugesetzt zu werden, um deren Eigenschaften oder Wirkungen zu verändern (im Weiteren: Zusatzstoffe).

Am 29.6.2006 bot sie der K-GmbH über ihren Vertriebsmitarbeiter den Zusatzstoff "RC-Netzmittel" zum Erwerb an. Nach dem Vortrag der Beklagten handelt es sich bei diesem Netzmittel, das die Haftung von Pflanzenschutzmitteln an Pflanzen verbessern soll, um das in der beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit geführten Liste über Zusatzstoffe eingetragene "p" der P-GmbH. Sie habe das Mittel bei diesem Unternehmen erworben, ins Ausland ausgeführt, dort die Umkartons der Kanister mit dem Zusatzstoff umetikettiert und diesen dann stofflich unverändert wieder nach Deutschland eingeführt.

Die Klägerin entwickelt, produziert und vertreibt in Deutschland Pflanzenschutzmittel und Zusatzstoffe. Sie hält den Vertrieb des "RC-Netzmittels" für rechts- und wettbewerbswidrig, weil das Mittel entgegen § 31c Abs. 1 PflSchG nicht in die Liste des Bundesamtes über Zusatzstoffe eingetragen sei. Sie hat beantragt, es der Beklagten zu untersagen, den streitgegenständlichen Zusatzstoff zu vertreiben, soweit dieser nicht in die Liste für Zusatzstoffe des Bundesamtes aufgenommen worden ist.

LG und OLG gaben der Klage statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das OLG hat zugunsten der Beklagten unterstellt, dass der von ihrem Vertriebsmitarbeiter angebotene Zusatzstoff entsprechend dem Vortrag der Beklagten mit dem für die P-GmbH in der beim Bundesamt geführten Liste eingetragenen "p" stofflich übereinstimmte. Auf dieser Grundlage stellte sich das Verhalten des Mitarbeiters sowohl nach der Rechtslage bis zum Inkrafttreten des 2. Änderungsgesetzes am 29.6.2006 als auch nach der Rechtslage als rechtmäßig dar, die nachfolgend bis zum Inkrafttreten des § 16c PflSchG am 1.1.2007 (§ 45 Abs. 12 PflSchG) bestanden hat.

Nach der zur Rechtslage vor Inkrafttreten des 2. Änderungsgesetzes ergangenen Rechtsprechung des Senats wirkt die Erteilung einer Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel i.S.d. § 11 PflSchG nicht nur für den jeweiligen Antragsteller, das heißt personenbezogen, sondern produktbezogen; ein im Inland zugelassenes, aber für den Vertrieb im Ausland hergestelltes Pflanzenschutzmittel ist daher im Falle seiner Wiedereinfuhr ins Inland ohne Weiteres verkehrsfähig, sofern seine Identität mit dem zugelassenen Mittel feststeht. Nichts anderes hatte jedenfalls in der Zeit bis zum Inkrafttreten des 2. Änderungsgesetzes für die nach § 31c Abs. 1 PflSchG bei Zusatzstoffen erforderliche Aufnahme in die beim Bundesamt geführte Liste über Zusatzstoffe zu gelten.

Das OLG hat zu Unrecht angenommen, dass die durch das 2. Änderungsgesetz neu eingefügte Bestimmung des § 16c Abs. 1 S. 1 PflSchG Anlass zu einem bereits im Streitfall zu beachtenden geänderten Verständnis des § 31c Abs. 1 PflSchG gab. Eine entsprechende mittelbare Wirkung konnte die in § 16c Abs. 1 S. 1 PflSchG enthaltene Neuregelung nämlich allenfalls ab dem 1.1.2007 entfalten, also ab dem Zeitpunkt ab dem sie gem. § 45 Abs. 12 PflSchG erstmals anzuwenden war.

Im Hinblick auf die Frage, ob das Verhalten der Beklagten geeignet war, die Interessen der Verbraucher spürbar i.S.v. § 3 UWG 2004, § 3 Abs. 1 UWG 2008 zu beeinträchtigen, ist für den zweiten Rechtsgang festzuhalten, dass die Revision ohne Erfolg darauf verweist, dass das Mittel der Beklagten nur in einem einzigen Fall angeboten und dabei auch nicht in den Verkehr gelangt ist. Sie lässt dabei unberücksichtigt, dass die Häufigkeit oder Dauer einer unlauteren Handlung zwar deren Spürbarkeit erhöhen, daraus aber nicht der Umkehrschluss gezogen werden kann, dass eine unlautere Handlung schon deshalb nicht spürbar ist, weil sie nur einmal oder nur für kurze Zeit vorgenommen worden ist.

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