14.07.2014

Zur schuldhaften Versäumung einer Schadenmeldefrist in den Versicherungsbedingungen einer Vertrauensschadenversicherung

Zur Vermeidung schuldhafter Versäumung einer Schadenmeldefrist in den Versicherungsbedingungen einer Vertrauensschadenversicherung für Notare ist die Meldung durch den Geschädigten jedenfalls noch vor Fristablauf bereits dann geboten, wenn ihm zu diesem Zeitpunkt Erkenntnisse vorliegen, nach denen für den konkreten Schaden die ernsthafte Möglichkeit eines Vertrauensschadenfalles im Raum steht. Für Banken, die ständig mit Treuhandaufträgen an Notare zu tun haben, besteht spätestens bei Vorliegen eines möglichen Versicherungsfalles Veranlassung, sich über den wesentlichen Inhalt der Versicherungsbedingungen zu informieren.

BGH 11.6.2014, IV ZR 400/12
Der Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt die Beklagte als Berufshaftpflichtversicherer eines ehemaligen, inzwischen insolventen Notars wegen von diesem begangener Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit zwei von der Klägerin erteilten Treuhandaufträgen in Anspruch. Die Klägerin hatte in beiden Fällen Darlehen zur Finanzierung von Grundstückskaufverträgen gewährt. Die Streithelferin ist die für den ehemaligen Notar zuständige Notarkammer; sie unterhält eine Vertrauensschadenversicherung für Schäden aufgrund wissentlicher Pflichtverletzungen des Notars. Im vorausgegangenen Haftpflichtprozess ist der Notar rechtskräftig verurteilt worden, an die Klägerin rd. 90.000 € zu zahlen.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten, gestützt auf das Absonderungsrecht gem. § 157 VVG a.F., den Ausgleich des ausgeurteilten Betrages sowie der ihr entstandenen Prozesskosten nebst Zinsen. Sie meint, dass die Beklagte, die sich auf eine wissentliche Pflichtverletzung des Notars beruft weshalb sie aufgrund einer entsprechenden Ausschlussklausel in den vereinbarten Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Notaren und Anwaltsnotaren für ihr Notarrisiko nicht hafte, jedenfalls nach § 19a Abs. 2 S. 2 BNotO vorleistungspflichtig sei.

Die Beklagte hält dem entgegen, dass ein Vorleistungsanspruch nach § 19a Abs. 2 S. 2 BNotO nicht bestehe, weil die Klägerin gegenüber dem Vertrauensschadenversicherer die in den dortigen Versicherungsbedingungen enthaltene Meldefrist für den Schaden versäumt habe. Diese Bestimmung (§ 4 Nr. 2 VSV) lautet: "Eine Versicherungsleistung ist ausgeschlossen aufgrund von Schäden, die später als vier Jahre nach ihrer Verursachung dem Versicherer gemeldet werden". Es ist unstreitig, dass diese Frist in beiden Schadenfällen im März 2000 zu laufen begonnen hat. Die Notarkammer, die dem Rechtsstreit als Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten beigetreten ist, hat von den Schäden erst im Januar 2006 erfahren.

Die Klägerin meint, die Beklagte könne sich auf den Ablauf der Ausschlussfrist nicht berufen. Vom Inhalt des Vertrauensschadenversicherungsvertrages habe sie erst im Jahre 2008 erfahren und sie sei auch nicht verpflichtet gewesen, sich anderweitig über die darin enthaltene Ausschlussfrist Kenntnis zu verschaffen. Außerdem habe sie innerhalb der Meldefrist keine genügenden Anhaltspunkte für eine wissentliche Amtspflichtverletzung im konkreten Einzelfall

LG und OLG gaben der Klage statt. Auf die von der Streithelferin geführte Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Die Begründung, mit der das OLG ein Verschulden der Klägerin bei der Versäumung der Meldefrist verneint hat, ist von Rechtsfehlern beeinflusst und konnte deshalb keinen Bestand haben.

Das OLG hat einen falschen Maßstab an die Prüfung eines Verschuldens der Geschädigten angelegt. In der Rechtsprechung wurde hierzu die Auffassung vertreten, dass der Geschädigte zur Abgabe einer vorsorglichen Schadenmeldung beim Vertrauensschadenversicherer bereits dann gehalten sei, wenn er allgemein hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Vertrauensschadenfalles habe, mag er auch die konkret vorliegende Pflichtverletzung noch nicht erkannt haben und mögen auch die maßgeblichen Anspruchsvoraussetzungen aus seiner Sicht noch nicht feststehen. Demgegenüber liegt dem Berufungsurteil die Ansicht zugrunde, dass der Geschädigte erst dann zur Schadenmeldung gehalten sei, wenn er hinreichende Anhaltspunkte für genau diejenige Pflichtverletzung des Notars habe, die in einem späteren Haftpflichtprozess als schadenursächlich festgestellt worden sei. Diese Auffassung des OLG ist zu eng.

Der Senat hat bereits entschieden, dass an die Meldung des Versicherungsfalles keine hohen Anforderungen zu stellen sind und insbes. eine schlüssige Darlegung nicht erforderlich ist. Dies ergibt sich aus dem Zweck der Meldefrist, die auf dem Interesse des Versicherers beruht, sich zeitnah Gewissheit über seine Leistungspflicht verschaffen zu können und nicht erst dann, wenn die Aufklärung von Ursachenzusammenhang und Wissentlichkeit der Pflichtverletzung infolge Zeitablaufs erschwert ist. Diesen Zweck könnte die Schadenmeldung nur eingeschränkt erfüllen, wenn ihre Abgabe erst erforderlich würde, sobald der Versicherungsnehmer oder Geschädigte konkretes Wissen um genau die in einem späteren Haftpflichtprozess festgestellte Pflichtverletzung des Notars hat. Damit würde ein Wissen vorausgesetzt, dass bereits eine schlüssige Darlegung der wissentlichen Pflichtverletzung ermöglicht.

Deshalb ist eine Schadenmeldung jedenfalls noch vor Fristablauf bereits dann geboten, wenn dem Versicherungsnehmer oder dem Geschädigten zu diesem Zeitpunkt Erkenntnisse vorliegen, woher auch immer diese rühren mögen, nach denen für diesen Fall die ernsthafte Möglichkeit eines Vertrauensschadenfalles im Raum steht. Nach diesem Maßstab wird das OLG erneut zu prüfen haben, ob der Klägerin spätestens nach der Akteneinsicht auch schon ohne genaue Kenntnis von der später konkret festgestellten Pflichtverletzung hinreichende Erkenntnisse vorlagen, die eine jedenfalls vorsorgliche Schadenmeldung geboten erscheinen ließen, selbst wenn ihr noch keine schlüssige Anspruchsbegründung möglich war.

I.Ü. hat der Senat für den Versicherungsnehmer selbst bereits entschieden, dass dieser sich zumindest nach Eintritt eines Ereignisses, das einen Versicherungsfall darstellen könnte, über den wesentlichen Inhalt der Bedingungen informieren muss; anderenfalls beruhe seine Unkenntnis auf Fahrlässigkeit. Nichts anderes besagt der im Berufungsurteil zitierte Satz aus dem Senatsurteil vom 20.7.2011 (IV ZR 180/10), wonach der Geschädigte sich vielfach erst Kenntnis von den Versicherungsbedingungen verschaffen muss. Bei Vorliegen eines möglichen Versicherungsfalles hat er hinreichende Veranlassung, genau das zu tun. Jedenfalls gilt dies für solche durch die Vertrauensschadenversicherung der Notare geschützte Banken, die ständig mit Treuhandaufträgen an Notare zu tun haben.

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