12.10.2011

Zur Weisungsunabhängigkeit des Vorstandes einer AG

Der unternehmerische Ermessensspielraum des AG-Vorstandes erlaubt ein Handeln gegen die Interessen eines (Haupt-)Aktionärs der AG. Bei unternehmerischen Entscheidungen ist dem Vorstand ein weiter Beurteilungsspielraum zuzubilligen - sog. Business Judgement Rule.

OLG Frankfurt a.M. 17.8.2011, 13 U 100/10
Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine AG. Sie machte gegen den Beklagten, ihren früheren (Mit)-Vorstand und Mitgesellschafter, vor dem Hintergrund, dass dieser in Kenntnis seiner alsbaldigen Abberufung als Vorstand noch einen Beratungsvertrag mit einem externen Dienstleister abgeschlossen hatte, einen auf § 93 AktG gestützten Schadensersatzanspruch geltend. Es handelte sich dabei um den Dienstleister, der auch schon zuvor einen Fonds der Klägerin managte. Das LG gab der Klage statt und verurteilte den Beklagten antragsgemäß zu einer Schadensersatzleistung i.H.v. 281.034 €.

Das LG war der Ansicht, der Beklagte habe pflichtwidrig gehandelt, weil er den Beratungsvertrag im Alleingang, ohne vorherige "informelle Rücksprache mit dem Aufsichtsrat zu nehmen", abgeschlossen habe, wozu er aufgrund der besonderen Situation im Unternehmen verpflichtet gewesen wäre. Dem Beklagten hätte klar sein müssen, dass aufgrund der Veränderungen in der Struktur der Gesellschafter eine Verlängerung der Zusammenarbeit mit dem externen Dienstleister nicht die Zustimmung des neuen Mehrheitsaktionärs finden würde, der den Aufsichtsrat dominiere. Den Vertrag habe der Beklagte nur abgeschlossen, um eine für die AG negative Pressemitteilung, mit der der Dienstleister gedroht habe, abzuwenden.

Auf die Berufung des Beklagten hob das OLG das Urteil auf und wies die Klage ab. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Gründe:
Dem Beklagten konnte - unabhängig von jeder moralischen Bewertung - kein pflichtwidriges Verhalten i.S.d. § 93 AktG vorgeworfen werden.

Der Vorstand nimmt gem. §§ 76 f. AktG eigenverantwortlich die Leitungs- und Geschäftsführungsaufgaben einer AG wahr. Er ist deshalb im Grundsatz weisungsfrei. Diese gesetzliche Grundsatzentscheidung belegt, dass die Struktur der AG nicht mit der einer GmbH verglichen werden kann und der Vorstand im Regelfall gerade und im Gegensatz zum GmbH-Geschäftsführer nicht von den Weisungen der Gesellschafter abhängig ist, soweit nicht § 82 Abs. 2 AktG eingreift. Selbst Satzungsklauseln dürfen nicht den Bereich eigenverantwortlicher Leitung der Aktiengesellschaft durch den Vorstand einschränken.

Der Aufsichtsrat ist hingegen kein Geschäftsführungsorgan. Dieser überwacht die Geschäftsführung, während Grundsatzentscheidungen Sache der Hauptversammlung sind. Infolgedessen dürfen Maßnahmen der Geschäftsführung auch nicht dem Aufsichtsrat übertragen werden. Der historische Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, die weitgehend zwingende Kompetenzverteilung zwischen den Gesellschaftsorganen der AG auch für die sog. kleine AG beizubehalten, weil eine stärkere Trennung von Geschäftsführung und Anteilseigner rechtspolitisch gewollt ist.

Die vom Beklagten getroffene unternehmerische Entscheidung, einen neuen Fondsmanager zu bestellen, war haftungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der externe Dritte konnte in diesem Fall aufgrund seiner bereits gemachten Erfahrungen in dem Fonds als besonders geeignet angesehen werden, diesen auch weiter zu leiten. Mit dem Vertragsabschluss konnte darüber hinaus auch eine für die Klägerin nachteilige Presseberichterstattung verhindert werden, was durchaus als ein beachtenswertes Motiv zu bewerten war. Insofern erlaubt der unternehmerische Ermessensspielraum des AG-Vorstandes auch ein Handeln gegen die Interessen eines (Haupt-)Aktionärs der AG. Denn bei unternehmerischen Entscheidungen ist dem Vorstand ein weiter Beurteilungsspielraum zuzubilligen - sog. Business Judgement Rule.

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