09.11.2023

Zweiterwerb von Fondsanteilen: Zur Pflicht der Prüfung der Anwendbarkeit von deutschem oder ausländischem Sachrecht durch das Gericht

Beim Zweiterwerb von Fondsanteilen gehen nicht in den Anteilscheinen verbriefte Sekundäransprüche auf den Zweiterwerber nur über, wenn sie mit dem verbrieften Recht mitübertragen worden sind (Fortführung von Senat, Urteile vom 21.4.2022 - III ZR 268/20, WM 2022, 1057 und vom 2.3.2023 - III ZR 108/22, WM 2023, 722). Kommt bei der Beurteilung eines Sachverhalts die Anwendung ausländischen Rechts in Betracht, ist das deutsche internationale Privatrecht von Amts wegen zu beachten. Es ist darauf hin zu prüfen, ob deutsches oder ausländisches Sachrecht auf den geltend gemachten Anspruch anzuwenden ist.

BGH v. 21.9.2023 - III ZR 139/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger begehrt von der in Luxemburg ansässigen und als Kapitalverwaltungsgesellschaft des Fonds UniSector handelnden Beklagten die Rückerstattung von Ausgabeaufschlägen. Der Kläger - beraten von seiner Hausbank - erwarb 32,225 Stück Fondsanteile UniSector BioPharma A am 18.9.2017 zum Preis von 4.000 €. Zwischen dem 4.9.2018 und dem 4.1.2019 erwarb er außerdem insgesamt 105,06 Stück Fondsanteile UniSector HighTech zum Preis von 10.000 €. Beim Erwerb aller Fondsanteile bildeten jeweils Ausgabeaufschläge von 4 % einen Teil des Preises. Der Kläger erhielt von der Union Investment Service Bank AG in Frankfurt a.M. (im Folgenden: USB) Abrechnungen über sein Depot, die u.a. den abgezogenen Ausgabeaufschlag von 4 % ausweisen.

In Art. 21 Nr. 2 Satz 2 der Sonderreglements der Unterfonds UniSector BioPharma und HighTech wird der Ausgabepreis jeweils definiert als Anteilwert gem. Art. 8 des Verwaltungsreglements zzgl. eines Ausgabeaufschlags von bis zu 5 % des Anteilwerts. In der im jeweiligen Verkaufsprospekt enthaltenen Übersicht "Der Unterfonds im Überblick" wird der Ausgabeaufschlag exakt mit 4 % angegeben. In Art. 17 Nrn. 1 und 2 des Verwaltungsreglements werden im Verhältnis zwischen den Anteilinhabern und der Kapitalverwaltungsgesellschaft die Gerichte des Großherzogtums Luxemburg für zuständig und dessen Recht für anwendbar erklärt. Der Kläger begehrt die Rückzahlung der von ihm entrichteten Ausgabeaufschläge i.H.v. 560 € (14.000 € x 4%) nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

AG und LG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Urteil des LG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Die Revision bleibt ohne Erfolg, soweit sie die Beurteilung der Rechtslage durch das LG auf der Grundlage deutschen Sachrechts angreift. Zu Recht rügt sie jedoch, dass das LG nicht geprüft hat, ob luxemburgisches Sachrecht zur Anwendung kommt.

Die Revision führt u.a. insoweit nicht zum Erfolg, als sie unterstellt, die USB habe als Kommissionärin im eigenen Namen Investmentverträge mit der Beklagten geschlossen und die Ausgabepreise aus eigenen Mitteln an die Beklagte gezahlt. Es trifft zwar zu, dass in diesem Fall des Zweiterwerbs der Kläger in sämtliche Rechte und Pflichten der USB als Ersterwerberin aus dem Investmentvertrag eingetreten ist. Dies bedeutet aber nicht, dass auch etwaige bereits zuvor in der Person der USB als Ersterwerberin entstandene Sekundäransprüche - seien es solche aus ungerechtfertigter Bereicherung, seien es solche auf Schadensersatz wegen Verletzung von Pflichten aus dem Investmentvertrag - ohne weiteres auf den Kläger übergegangen sind.

In der hier unterstellten Variante des Zweiterwerbs erfolgte die Zahlung der Ausgabeaufschläge, deren Rückerstattung der Kläger geltend macht, seitens der USB als Ersterwerberin vor dem Erwerb der Fondsanteile durch den Kläger. Demgegenüber wurden in den Sachverhalten, die Gegenstand der jüngeren Senatsrechtsprechung waren, die dort streitgegenständlichen Vertriebsentgelte zu Zeitpunkten den jeweiligen Fondsvermögen entnommen, zu denen die dortigen Kläger - sei es im Wege des Erst-, sei es im Wege des Zweiterwerbs - bereits Parteien der jeweiligen Investmentverträge geworden waren. Etwaige Ansprüche wegen der unberechtigten Entnahme von Vertriebsentgelten aus dem Fondsvermögen entstanden daher unmittelbar in ihrer Person. Dagegen wären solche Ansprüche - die nicht wirksame Einbeziehung der die Ausgabeaufschläge regelnden Anlagebedingungen vorausgesetzt - vorliegend zunächst in der Person der USB entstanden. Sie hätten eines Übertragungsaktes bedurft, um die Anspruchsinhaberschaft des Klägers zu begründen.

Ein derartiger Übertragungsakt liegt nicht in dem vorgenannten, auf die Fondsanteile bezogenen Zweiterwerb und seinem Vollzug. Die Revisionsbegründung geht zu Recht davon aus, dass Gegenstand eines solchen Zweiterwerbs die verbrieften (oder elektronischen, vgl. § 95 Abs. 1 Satz 1 KAGB) Anteilsscheine sind. Damit gehen zwar sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Investmentvertrag auf den Erwerber über. Denn diese Rechte und Pflichten sind in den Anteilsscheinen verbrieft. Dagegen sind Sekundäransprüche auf Schadensersatz und aus ungerechtfertigter Bereicherung, die zuvor in der Person des Ersterwerbers entstanden sind, nicht in den Anteilsscheinen verbrieft. Es handelt sich auch nicht um im Verhältnis zu den verbrieften Rechten akzessorische Ansprüche, die ohne weiteres mit ersteren auf den Zweiterwerber übergehen. Hiervon kann vielmehr nur ausgegangen werden, wenn solche Sekundäransprüche mit dem verbrieften Recht mitübertragen worden sind. Eine solche Vereinbarung über die Übertragung auch der in der Person der USB ggf. entstandenen Sekundäransprüche gegen die Beklagte macht die Revision nicht geltend. Hierfür ist auch nichts ersichtlich. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass die USB sich - in der hier unterstellten Variante des Zweiterwerbs - überhaupt solcher Forderungen bewusst war und sie mit den Fondsanteilen an den Kläger weiterveräußern wollte.

Kommt bei der Beurteilung eines Sachverhalts die Anwendung ausländischen Rechts in Betracht, ist das deutsche internationale Privatrecht von Amts wegen zu beachten. Es ist darauf hin zu prüfen, ob deutsches oder ausländisches Sachrecht auf den geltend gemachten Anspruch anzuwenden ist. Falls danach eine ausländische Rechtsordnung berufen ist, muss das Gericht das ausländische Recht nach § 293 ZPO unter Beachtung der vom BGH hierzu entwickelten Grundsätze ermitteln. Vorliegend kommt nach dem Vorbringen der Beklagten in beiden Vorinstanzen in Betracht, dass die zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits bestehenden Rechtsverhältnisse nicht nach deutschem, sondern nach luxemburgischem Sachrecht zu beurteilen sind. Dass das LG diese Frage nicht geprüft hat, begründet einen zur Aufhebung seiner Entscheidung führenden Rechtsfehler. Welches sachliche Recht auf das streitige Rechtsverhältnis anzuwenden ist, kann i.Ü. auch nicht deshalb in der Revisionsinstanz offenbleiben, weil die Anwendung deutschen oder fremden Rechts nicht zu verschiedenen Ergebnissen führt.

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