500.000 Euro Schmerzensgeld wegen einer grob fehlerhaften Behandlung mit Solu-Decortin und Diclofenac
OLG Celle v. 10.8.2018 - 1 U 71/17
Der Sachverhalt:
Wegen akuter Rückenschmerzen aufgrund langjährig bestehender Bandscheibenschäden injizierte der beklagte Hausarzt einem Patienten binnen einer Woche viermal die Präparate Solu-Decortin und Diclofenac gleichzeitig in die Gesäßmuskulatur. Der Patient erlitt daraufhin einige Stunden später einen schweren septischen Schock, der ein multiples Organversagen und schließlich dauerhaft eine weitgehende Körperlähmung bewirkte. Es schloss sich ein mehr als ein Jahr andauernder dramatischer Leidensprozess an, während dessen der Patient ohne Aussicht auf eine Besserung dauerhaft künstlich beatmet werden musste und am Ende dieses Leidensprozesses den ärztlich begleiteten Freitod wählte. Der Patient war verheiratet und Vater von drei minderjährigen Kindern.
Die Witwe und ihre Kinder als Erbengemeinschaft nahmen den Hausarzt wegen eines Behandlungsfehlers auf Zahlung von Schmerzensgeld in Anspruch. Das LG Lüneburg verurteilte den Arzt zu einem Schmerzensgeld i.H.v. 500.000 Euro. Die gegen dieses Urteil von dem Hausarzt eingelegte Berufung hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Revision wies der BGH zurück.
Die Gründe:
Der Erbengemeinschaft des Patienten steht ein Schmerzensgeld i.H.v. 500.000 Euro zu.
Die intramuskuläre Injektion der konkret verabreichten Medikamente ist als grober Behandlungsfehler zu werten. Sie widerspricht sowohl dem fachlichen medizinischen Standard als auch den gängigen Leitempfehlungen. Es kommt nicht darauf an, ob der Patient vor Verabreichung der Injektionen in diese eingewilligt hat, weil eine Einwilligung eine kontraindizierte Behandlung nicht rechtfertigen kann. Dass der dramatische Krankheitsverlauf ungewöhnlich und nicht vorhersehbar war, steht der Haftung des Hausarztes ebenfalls nicht entgegen.
Die Höhe des Schmerzensgeldes ist zudem angemessen. Das extreme Leiden des verstorbenen Patienten muss bei der Berechnung berücksichtigt werden. Dass sich dieser Leidensprozess über einen Zeitraum von etwas mehr als einem Jahr erstreckt und nicht länger andauerte, rechtfertigt es nicht, ein geringeres Schmerzensgeld festzusetzen. Der Dauer des Leidens kommt wegen der besonderen Umstände des Todes des Patienten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes keine Bedeutung zu, denn dieser wählte den Freitod nur, um sein Leiden zu beenden.
OLG Celle PM Nr. 23/2019 vom 28.3.2019
Wegen akuter Rückenschmerzen aufgrund langjährig bestehender Bandscheibenschäden injizierte der beklagte Hausarzt einem Patienten binnen einer Woche viermal die Präparate Solu-Decortin und Diclofenac gleichzeitig in die Gesäßmuskulatur. Der Patient erlitt daraufhin einige Stunden später einen schweren septischen Schock, der ein multiples Organversagen und schließlich dauerhaft eine weitgehende Körperlähmung bewirkte. Es schloss sich ein mehr als ein Jahr andauernder dramatischer Leidensprozess an, während dessen der Patient ohne Aussicht auf eine Besserung dauerhaft künstlich beatmet werden musste und am Ende dieses Leidensprozesses den ärztlich begleiteten Freitod wählte. Der Patient war verheiratet und Vater von drei minderjährigen Kindern.
Die Witwe und ihre Kinder als Erbengemeinschaft nahmen den Hausarzt wegen eines Behandlungsfehlers auf Zahlung von Schmerzensgeld in Anspruch. Das LG Lüneburg verurteilte den Arzt zu einem Schmerzensgeld i.H.v. 500.000 Euro. Die gegen dieses Urteil von dem Hausarzt eingelegte Berufung hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Revision wies der BGH zurück.
Die Gründe:
Der Erbengemeinschaft des Patienten steht ein Schmerzensgeld i.H.v. 500.000 Euro zu.
Die intramuskuläre Injektion der konkret verabreichten Medikamente ist als grober Behandlungsfehler zu werten. Sie widerspricht sowohl dem fachlichen medizinischen Standard als auch den gängigen Leitempfehlungen. Es kommt nicht darauf an, ob der Patient vor Verabreichung der Injektionen in diese eingewilligt hat, weil eine Einwilligung eine kontraindizierte Behandlung nicht rechtfertigen kann. Dass der dramatische Krankheitsverlauf ungewöhnlich und nicht vorhersehbar war, steht der Haftung des Hausarztes ebenfalls nicht entgegen.
Die Höhe des Schmerzensgeldes ist zudem angemessen. Das extreme Leiden des verstorbenen Patienten muss bei der Berechnung berücksichtigt werden. Dass sich dieser Leidensprozess über einen Zeitraum von etwas mehr als einem Jahr erstreckt und nicht länger andauerte, rechtfertigt es nicht, ein geringeres Schmerzensgeld festzusetzen. Der Dauer des Leidens kommt wegen der besonderen Umstände des Todes des Patienten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes keine Bedeutung zu, denn dieser wählte den Freitod nur, um sein Leiden zu beenden.