08.01.2024

Anfechtung eines WEG-Abrechnungsbeschlusses: Bemessung der Beschwer des Klägers bei Abweisung der Klage

Wird ein nach Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes gefasster Abrechnungsbeschluss gem. § 28 Abs. 2 WEG mit dem Ziel angefochten, den Beschluss insgesamt für ungültig erklären zu lassen, bemisst sich die Beschwer des Klägers im Falle der Abweisung der Klage weiterhin in aller Regel nach seinem Anteil am Nennbetrag der Abrechnung. Dass der gem. § 49 GKG bestimmte Streitwert in der Regel nicht der für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels des unterlegenen Anfechtungsklägers maßgeblichen Beschwer entspricht, ändert nichts daran, dass für die Wertbemessung die gleichen Grundsätze gelten, soweit es um das für beide Werte relevante Einzelinteresse des Anfechtungsklägers an einer stattgebenden Entscheidung geht.

BGH v. 9.11.2023 - V ZB 67/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). In der Eigentümerversammlung vom 20.12.2021 beschlossen die Wohnungseigentümer die Genehmigung der sich auf der Grundlage der Jahresgesamtabrechnung und der jeweiligen Jahreseinzelabrechnungen der Wirtschaftsperiode 2020 ergebenden Nachschüsse bzw. Anpassungsbeiträge gegenüber dem Wirtschaftsplan. Für den Kläger ergab sich laut Abrechnung eine Nachzahlung von rd. 60 € (rd. 2.220 € Anteil am Gesamtergebnis abzgl. Soll-Hausgeldvorschuss laut Wirtschaftsplan von 2.160 €).

Gegen diesen Beschluss erhob der Kläger Anfechtungsklage. Er hält den Abrechnungsbeschluss bereits für formell rechtswidrig (u.a. wegen Einberufungsmängeln) und ist im Übrigen der Auffassung, dass sich bei korrekter Abrechnungsweise ein Guthabenbetrag von rd. 160 € ergebe.

Das AG wies die Klage ab. Das LG verwarf die Berufung als unzulässig. Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers hob der BGH den Beschluss des LG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Entgegen der Ansicht des LG übersteigt die Beschwer des Klägers 600 € (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

An einem Erreichen der Mindestbeschwer bestünden keine Zweifel, wenn die Grundsätze des bis zum 30.11.2020 geltenden Rechts weiter anzuwenden wären. Hiernach bemaß sich bei der Anfechtung eines Beschlusses über die Jahresabrechnung die Beschwer nach dem Anteil des Anfechtungsklägers am Gesamtergebnis bzw. im Falle der Beschränkung auf einzelne Kostenpositionen auf den Nennbetrag dieser Kostenposition. Da der Kläger den Beschluss - vorrangig - insgesamt für ungültig erklären lassen möchte, ergäbe sich eine Beschwer von rd. 2.220 €. Nach der Neufassung des § 28 WEG gilt im Ergebnis nichts Anderes.

Der Senat hat bereits entschieden, dass das für die Berechnung der Grenzen des § 49 Satz 2 GKG maßgebliche Individualinteresse des Anfechtungsklägers, der den Beschluss insgesamt anficht, seinem Anteil am Nennbetrag der Abrechnung entspricht. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, dass sich zwar der Beschlussgegenstand nach § 28 Abs. 2 WEG geändert hat. Dies ändert aber nichts daran, dass auch unter der Geltung des neuen Rechts das Interesse der Wohnungseigentümer bei der Beschlussfassung darin besteht, die tatsächlich angefallenen Kosten vollständig auf alle Wohnungseigentümer zu verteilen. Ihnen geht es deshalb nur vordergründig um die Abrechnungsspitze. Diese stellt lediglich das Rechenergebnis aus den einzelnen Abrechnungspositionen dar. Um die Richtigkeit der beschlossenen Zahlungsverpflichtungen beurteilen zu können, muss die Jahresabrechnung inzident geprüft werden.

Die von dem Senat im Zusammenhang mit der Streitwertbemessung angestellten Überlegungen zu dem Einzelinteresse des Anfechtungsklägers gelten entsprechend, wenn es - wie hier - um die Bemessung der Beschwer des Anfechtungsklägers im Falle der Abweisung seiner Klage geht. Wird ein nach Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes gefasster Abrechnungsbeschluss gem. § 28 Abs. 2 WEG mit dem Ziel angefochten, den Beschluss insgesamt für ungültig erklären zu lassen, bemisst sich die Beschwer des Klägers im Falle der Abweisung der Klage weiterhin in aller Regel nach seinem Anteil am Nennbetrag der Abrechnung, hier also mit rd. 2.220 €. Dem steht nicht entgegen, dass der gem. § 49 GKG bestimmte Streitwert in der Regel nicht der für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels des unterlegenen Anfechtungsklägers maßgeblichen Beschwer entspricht. Soweit es um das für beide Werte relevante Einzelinteresse des Anfechtungsklägers an einer stattgebenden Entscheidung geht, gelten nämlich für die Wertbemessung die gleichen Grundsätze.

Würde man demgegenüber für die Bemessung der Beschwer des Anfechtungsklägers nur auf die ihm auferlegte Nachforderung abstellen, hätte dies die Konsequenz, dass die Berufungsfähigkeit einer Vielzahl von amtsgerichtlichen Urteilen über Abrechnungsbeschlüsse mangels Erreichens der Mindestbeschwer ausgeschlossen wäre. Dass der Gesetzgeber dies bei der Reform beabsichtigt hat, lässt sich nicht feststellen. Außerdem käme es zu Wertungswidersprüchen zu der Rechtsmittelfähigkeit bei der Abweisung der Anfechtungsklage gegen einen auf der Grundlage des Wirtschaftsplans gefassten Beschluss über die Vorschüsse zur Kostentragung und zu den Rücklagen (§ 28 Abs. 1 Satz 1 WEG).

Mehr zum Thema:

Kommentierung | WEG
§ 28 Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensberich
Jennißen in Jennißen (Hrsg.), Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl. 2022

Rechtsprechung:
Streitwert bei Anfechtung der Abrechnungsergebnisse
BGH vom 24.02.2023 - V ZR 152/22
Georg Jennißen, MietRB 2023, 163
MIETRB0055584

Rechtsprechung:
Rechtsmittelbeschwer in WEG-Sachen entspricht nicht dem Streitwert
BGH vom 24.03.2022 - V ZR 149/21
Johannes Hogenschurz, MietRB 2022, 204

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