21.10.2020

Ansprüche aus einem Vertrag über den Erwerb von Wohnungseigentum zählen nicht zu den in § 43 Nr. 1 WEG genannten Streitigkeiten

Ansprüche aus einem Vertrag über den Erwerb von Wohnungseigentum zählen nicht zu den in § 43 Nr. 1 WEG genannten Streitigkeiten; das gilt auch dann, wenn sie auf eine Änderung der Gemeinschaftsordnung gerichtet sind und die Wohnungseigentümergemeinschaft weiterhin (nur) aus den Vertragsparteien besteht.

BGH v. 24.9.2020 - V ZB 90/19
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Anlage, zu der zwei Gebäude gehören, stand ursprünglich im Eigentum einer Bank. Bereits vor der geplanten Aufteilung in Wohnungseigentum verkaufte die Bank (im Folgenden: Verkäuferin) die Einheit Nr. 2, der das Sondereigentum an einem der Gebäude zugeordnet ist, an die Beklagte. Der Kaufvertrag sah folgende Klausel vor: "Der Erwerber verpflichtet sich, gegen Bauvorhaben des jeweiligen Eigentümers der Einheit Aufteilungsplan Nr. 1 keine Einwendungen zu erheben, sofern diese baurechtlich zulässig sind". Die anschließend errichtete Teilungserklärung hingegen enthält in diesem Punkt folgende Regelung: "Soweit rechtlich möglich, hat jeder Sondereigentümer das Recht, ohne die Zustimmung der anderen Umbaumaßnahmen an "seinem" Gebäude auf seine Kosten vorzunehmen."

Im Jahr 2014 erwarben die Kläger von der Verkäuferin die Einheit Nr. 1, zu der das andere Gebäude gehört. Gestützt auf abgetretene vertragliche Ansprüche der Verkäuferin verlangen die Kläger von der Beklagten die Zustimmung zu einer Änderung der Teilungserklärung dahingehend, dass die in dem Kaufvertrag enthaltene Regelung vereinbart ist.

Das AG gab der Klage statt. In der Rechtsmittelbelehrung wird das LG Tübingen als zuständiges Berufungsgericht genannt. Die Beklagte legte die Berufung bei dem gem. § 72 Abs. 2 GVG für Wohnungseigentumssachen zuständigen LG Stuttgart ein. Das LG Stuttgart hielt sich für unzuständig und wies die Berufung als unzulässig zurück.

Der BGH verwarf die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Beklagten als unzulässig.

Die Gründe:
Rechtsfehlerfrei verneint das LG Stuttgart seine Zuständigkeit, weil es sich nicht um eine Wohnungseigentumssache gem. § 72 Abs. 2 i.V.m. § 43 Nr. 1 WEG handelt.

Zu den Wohnungseigentumssachen gehören gem. § 43 Nr. 1 WEG u.a. Streitigkeiten über die sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ergebenden Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander; diese Bestimmung ist weit auszulegen. Ausschlaggebend für die Zuständigkeit des Gerichts ist nicht die jeweilige Rechtsgrundlage, aus der die Ansprüche hergeleitet werden, sondern allein der Umstand, ob das von einem Wohnungseigentümer in Anspruch genommene Recht oder die ihn treffende Pflicht in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit steht, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachsen ist.

Daran gemessen ist es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Rechtsstreit nicht als Wohnungseigentumssache ansieht. Seinen Feststellungen zufolge wird die Klage - wenn auch unter Hinweis auf § 10 Abs. 3 WEG und die angestrebte Bindung von späteren Sondernachfolgern - ausschließlich auf abgetretene Ansprüche aus der kaufvertraglichen Rechtsbeziehung zwischen der Verkäuferin und der Beklagten gestützt. Zwar hat das AG von sich aus § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG mit einem Satz geprüft und als offenkundig nicht einschlägig angesehen. Der Klage hat es aber aus abgetretenem Recht der Verkäuferin stattgegeben, und dagegen richtet sich die Berufung.

Maßgeblich ist deshalb, ob im Verhältnis zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien, aus denen sich die Wohnungseigentümergemeinschaft jedenfalls zunächst zusammensetzte, die Anforderungen des § 43 Nr. 1 WEG erfüllt sind.

Das ist nicht der Fall. Der Einordnung als Wohnungseigentumssache steht zwar für sich genommen nicht entgegen, dass die Verkäuferin bereits vor Rechtshängigkeit aus der Wohnungseigentümergemeinschaft ausgeschieden ist. Wie das Berufungsgericht richtig sieht, entspricht es aber einhelliger Ansicht, dass Ansprüche aus einem Vertrag über den Erwerb von Wohnungseigentum nicht zu den in § 43 Nr. 1 WEG genannten Streitigkeiten zählen; das gilt auch dann, wenn sie - wie hier - auf eine Änderung der Gemeinschaftsordnung gerichtet sind und die Wohnungseigentümergemeinschaft weiterhin (nur) aus den Vertragsparteien besteht.

Der fehlende innere Zusammenhang mit einer Angelegenheit, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachsen ist, liegt bei kaufvertraglichen Übereignungs- oder Zahlungsansprüchen sowie hinsichtlich der Sachmängelhaftung auf der Hand. Nicht anders ist es zu beurteilen, wenn ein Anspruch auf Änderung der Teilungserklärung aus dem Kaufvertrag oder im Zusammenhang damit - wie es das AG hier angenommen hat - aus allgemeinen Rechtsgrundlagen wie § 812 BGB abgeleitet wird; der Beklagte wird auch dann nicht als Wohnungseigentümer, sondern als Vertragspartei in Anspruch genommen. Eine Differenzierung - wie sie die Rechtsbeschwerde für angezeigt hält - zwischen verschiedenen vertraglichen Ansprüchen oder danach, ob die Vertragsparteien zugleich die Wohnungseigentümer sind, verbietet sich schon wegen der aus Gründen der Rechtsmittelklarheit gebotenen Typisierung.
BGH online
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