Ausgleichzahlung nach FluggastVO: Subcharter-Anfrage allein entlastet Flugunternehmen nicht
AG Köln v. 4.4.2025 - 145 C 99/24
Der Sachverhalt:
Die Kläger verfügten über eine bestätigte Buchung bei der Beklagten für die Flugbeförderung von Köln nach Gazipass am 14.7.2024. Die Flugentfernung beläuft sich nach der Großkreismethode auf mehr als 1.500 km und nicht mehr als 3.500 km. Das Flugzeug sollte um 12:30 Uhr in Gazipass landen. Tatsächlich erreichte Gazipass jedoch um 16:10 Uhr und somit mit einer Verspätung von 3 Stunden 40 Minuten.
Die Kläger forderten die Beklagte außergerichtlich mit Fristsetzung zum 9.8.2024 zur Zahlung von 400 € auf der Grundlage der VO (EG) 261/2004 (FluggastVO) auf. Die Beklagte kam dem allerdings nicht nach. Eine Ausgleichszahlung sei ausgeschlossen, da ein außergewöhnlicher Umstand vorgelegen habe. Zudem behauptete sie, dass sie alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe, um die Verspätung zu vermeiden.
Das AG hat der Klage stattgegeben.
Die Gründe:
Gemäß der Sturgeon-Entscheidung des EuGH vom 19.11.2009 (C-402/07), der sich das Gericht anschließt, stehen Ansprüche auf Ausgleichszahlungen nicht nur Fluggästen annullierter Flüge, sondern auch Fluggästen verspäteter Flüge zu, wenn sie wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr am Endziel erleiden. Aufgrund der Flugstrecke von mehr als 1.500 km und nicht mehr als 3.500 km, beträgt die zu leistende Ausgleichszahlung 400 € pro Fluggast, Art. 7 Abs. 1b FluggastVO.
Der Anspruch auf Ausgleichszahlung besteht auch trotz des vorgetragenen außergewöhnlichen Umstandes. Zwar ist nach Art. 5 Abs. 3 FluggastVO die Pflicht zur Zahlung von Ausgleichsleistungen ausgeschlossen, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist, die sich nicht haben vermeiden lassen, obwohl alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden sind. Darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstandes ist das Luftfahrtunternehmen. Im vorliegenden Fall war jedoch bereits zweifelhaft, ob die Beklagte einen außergewöhnlichen Umstand überhaupt substantiiert vorgetragen hatte.
Die Beklagte hatte sich im Wesentlichen auf die Angaben in dem von ihr vorgelegten "Unregelmäßigkeitsbericht" bezogen, bei dem allerdings eine klare Zuordnung der einzelnen Verspätungsgründe schon nicht möglich sein dürfte. Letztlich war ein Vorliegen außergewöhnlicher Umstände aber auch unerheblich. Denn jedenfalls hatte die Beklagte nicht hinreichend dargelegt, alle ihr zumutbaren Maßnahmen unternommen zu haben, um die Auswirkungen der Flugunregelmäßigkeit abzuwenden bzw. soweit wie möglich zu reduzieren. Welche Maßnahmen einem ausführenden Luftverkehrsunternehmen zuzumuten sind, also in persönlicher, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht erwartet werden können, um zu vermeiden, dass außergewöhnliche Umstände zur Annullierung eines bestimmten Fluges führen, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls zu diesem Zeitpunkt (EuGH, Wallentin-Hermann/Alitalia, Urt. v. 12.5.2011 - Rs. C-294/10).
Insofern hatte die Beklagte nicht alles ihr Zumutbare unternommen, um die Kläger schnellstmöglich an das Endziel zu befördern. Es fehlte an Sachvortrag dazu, welche (direkten und auch indirekten) Ersatzverbindungen möglich gewesen bzw. in Betracht gekommen wären und geprüft wurden. Allein die Subcharter-Anfrage, auf die keine positive Rückmeldung erfolgt war, reichte nicht aus. Damit war die Beklagte der ihr obliegenden Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen.
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Justiz NRW
Die Kläger verfügten über eine bestätigte Buchung bei der Beklagten für die Flugbeförderung von Köln nach Gazipass am 14.7.2024. Die Flugentfernung beläuft sich nach der Großkreismethode auf mehr als 1.500 km und nicht mehr als 3.500 km. Das Flugzeug sollte um 12:30 Uhr in Gazipass landen. Tatsächlich erreichte Gazipass jedoch um 16:10 Uhr und somit mit einer Verspätung von 3 Stunden 40 Minuten.
Die Kläger forderten die Beklagte außergerichtlich mit Fristsetzung zum 9.8.2024 zur Zahlung von 400 € auf der Grundlage der VO (EG) 261/2004 (FluggastVO) auf. Die Beklagte kam dem allerdings nicht nach. Eine Ausgleichszahlung sei ausgeschlossen, da ein außergewöhnlicher Umstand vorgelegen habe. Zudem behauptete sie, dass sie alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe, um die Verspätung zu vermeiden.
Das AG hat der Klage stattgegeben.
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Gemäß der Sturgeon-Entscheidung des EuGH vom 19.11.2009 (C-402/07), der sich das Gericht anschließt, stehen Ansprüche auf Ausgleichszahlungen nicht nur Fluggästen annullierter Flüge, sondern auch Fluggästen verspäteter Flüge zu, wenn sie wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr am Endziel erleiden. Aufgrund der Flugstrecke von mehr als 1.500 km und nicht mehr als 3.500 km, beträgt die zu leistende Ausgleichszahlung 400 € pro Fluggast, Art. 7 Abs. 1b FluggastVO.
Der Anspruch auf Ausgleichszahlung besteht auch trotz des vorgetragenen außergewöhnlichen Umstandes. Zwar ist nach Art. 5 Abs. 3 FluggastVO die Pflicht zur Zahlung von Ausgleichsleistungen ausgeschlossen, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist, die sich nicht haben vermeiden lassen, obwohl alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden sind. Darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstandes ist das Luftfahrtunternehmen. Im vorliegenden Fall war jedoch bereits zweifelhaft, ob die Beklagte einen außergewöhnlichen Umstand überhaupt substantiiert vorgetragen hatte.
Die Beklagte hatte sich im Wesentlichen auf die Angaben in dem von ihr vorgelegten "Unregelmäßigkeitsbericht" bezogen, bei dem allerdings eine klare Zuordnung der einzelnen Verspätungsgründe schon nicht möglich sein dürfte. Letztlich war ein Vorliegen außergewöhnlicher Umstände aber auch unerheblich. Denn jedenfalls hatte die Beklagte nicht hinreichend dargelegt, alle ihr zumutbaren Maßnahmen unternommen zu haben, um die Auswirkungen der Flugunregelmäßigkeit abzuwenden bzw. soweit wie möglich zu reduzieren. Welche Maßnahmen einem ausführenden Luftverkehrsunternehmen zuzumuten sind, also in persönlicher, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht erwartet werden können, um zu vermeiden, dass außergewöhnliche Umstände zur Annullierung eines bestimmten Fluges führen, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls zu diesem Zeitpunkt (EuGH, Wallentin-Hermann/Alitalia, Urt. v. 12.5.2011 - Rs. C-294/10).
Insofern hatte die Beklagte nicht alles ihr Zumutbare unternommen, um die Kläger schnellstmöglich an das Endziel zu befördern. Es fehlte an Sachvortrag dazu, welche (direkten und auch indirekten) Ersatzverbindungen möglich gewesen bzw. in Betracht gekommen wären und geprüft wurden. Allein die Subcharter-Anfrage, auf die keine positive Rückmeldung erfolgt war, reichte nicht aus. Damit war die Beklagte der ihr obliegenden Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen.
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