05.05.2025

Beschränkung der Beschleunigungsrüge auf bestimmte Abschnitte des Verfahrens

Eine Beschleunigungsrüge kann auf bestimmte Abschnitte des Verfahrens - sei es in zeitlicher Hinsicht, sei es in der Abgrenzung von Hauptsache einerseits und Zwischenverfahren andererseits - beschränkt werden. Insoweit stellt die Rüge einer Verzögerung des Ablehnungsverfahrens einen anderen Verfahrensgegenstand dar als eine solche bzgl. einer Verzögerung des Verfahrens in der Hauptsache; verhält sich die Entscheidung über die Beschleunigungsrüge lediglich zu letzterem, nicht aber zu ersterem, ist i.S.v. § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG eine Entscheidung über das dem Verfahrensgegenstand zugrunde liegende Rechtsverhältnis noch nicht getroffen und eine Zurückverweisung nach dieser Vorschrift möglich.

OLG Rostock v. 22.1.2025 - 11 WF 47/25
Der Sachverhalt:
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist eine Beschleunigungsbeschwerde im Rahmen einer Kindschaftssache, welche eine Regelung des Umgangs zum Gegenstand.

Das AG bestimmte in dem aufgrund eines Antrages des Kindesvaters vom 11.5.2023 eingeleiteten Verfahren mit Verfügung vom 23.12.2024 einen Anhörungstermin für den 28.1.2025. Mit Schreiben vom 16.1.2025 lehnte der Kindesvater den zuständigen Dezernenten wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Aufgrund des Ablehnungsgesuchs wurde der anberaumte Termin aufgehoben. Der abgelehnte Richter gab am selben Tag eine dienstliche Äußerung ab, die er dem wiederum für die Entscheidung über den Befangenheitsantrag zuständigen Dezernenten zuleitete; dieser gab mit Verfügung vom 20.1.2025 die dienstliche Äußerung mit Gelegenheit zur Stellungnahme heraus. Am 23.1.2025 brachte der Kindesvater ein weiteres Ablehnungsgesuch gegen den zuständigen Familienrichter an sowie am 5.2.2025 ein solches gegen den im Rahmen des Ablehnungsverfahrens tätigen Dezernenten wegen eines von ihm erlassenen Beschlusses vom 31.1.2025, in welchem Zusammenhang Fristen für den Kindesvater nicht gewahrt worden seien und keine ausreichende Auseinandersetzung mit dem Akteninhalt erfolgt sei.

Der letztere Dezernent legte das Verfahren mit Verfügung vom 6.2.2025 der als Vertreterin für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zuständigen Amtsrichterin unter Beifügung einer dienstlichen Äußerung vor, welche am 20.2.2025 zur Stellungnahme übersandt wurde. Am 10.3.2025 erhob der Kindesvater Beschleunigungsrüge mit der Begründung, dass das Vorrang- und Beschleunigungsgebot auch für die Bearbeitung von Befangenheitsanträgen in entsprechenden Hauptsachverfahren gelte; nach über einem Monat stehe jedoch eine Bescheidung der Ablehnungsgesuche vom 16.1.2025 und vom 23.1.2025 aus.

Das AG wies die Beschleunigungsrüge zurück. Auf die Beschleunigungsbeschwerde des Kindesvaters hob das OLG den Beschluss des AG auf und verwies die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Die Voraussetzungen einer Zurückverweisung nach § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG liegen vor.

Es kann dafür dahinstehen, dass über eine Beschleunigungsrüge, welche sich auf das Verfahren zur Entscheidung über ein gegen ihn gerichtetes Ablehnungsgesuch bezieht, unzweifelhaft nicht der für die Hauptsache zuständige Dezernent entscheiden kann; noch ganz unabhängig von einer eventuellen Wartepflicht gem. §§ 6 Abs. 1 Satz 1 FamFG, 47 ZPO im Hinblick auf eine Tätigkeit in der Hauptsache kann insoweit nämlich nicht er, sondern allenfalls der zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch berufene Richter einer ggf. eingetretenen Verzögerung abhelfen und wäre mit dem "Gericht" in § 155b Abs. 2 Satz 1 FamFG gemeint.

Eine Beschleunigungsrüge kann auf bestimmte Abschnitte des Verfahrens - sei es in zeitlicher Hinsicht, sei es in der Abgrenzung von Hauptsache einerseits und Zwischenverfahren andererseits - beschränkt werden. Insoweit stellt die Rüge einer Verzögerung des Ablehnungsverfahrens einen anderen Verfahrensgegenstand dar als eine solche bzgl. einer Verzögerung des Verfahrens in der Hauptsache; verhält sich die Entscheidung über die Beschleunigungsrüge lediglich zu letzterem, nicht aber zu ersterem, ist i.S.v. § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG eine Entscheidung über das dem Verfahrensgegenstand zugrunde liegende Rechtsverhältnis noch nicht getroffen und eine Zurückverweisung nach dieser Vorschrift möglich.

Einer Anwendung der letztgenannten Vorschrift steht dann nicht entgegen, dass hier eine Beschleunigungsbeschwerde zu bescheiden ist. Zwar mögen zum einen § 155c Abs. 3 Satz 3 und 4 FamFG diesbezügliche Vorgaben für die Entscheidung des Beschwerdegerichts enthalten; sie können aber für eine Konstellation der vorliegenden Art nicht abschließend sein und für diese keinen Ausschluss von § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG oder zumindest seiner analogen Anwendung begründen, wenn es sich doch auch im Rahmen von § 155c FamFG immer noch um ein Beschwerdeverfahren handelt.

Schließlich ist eine Zurückverweisung auch sachgerecht, nachdem sich aus dem angefochtenen Beschluss keinerlei Erkenntnisse über den Verfahrensstand zu der Entscheidung über die Ablehnungsgesuche ergeben und dem Amtsgericht bei einer nunmehr diesbezüglich vorzunehmenden Prüfung der Beschleunigungsrüge ggf. eine unmittelbare Abhilfe eröffnet ist.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | FamFG
§ 69 Beschwerdeentscheidung
Abramenko in Prütting/Helms, FamFG, Kommentar, 6. Aufl. 2023
6. Aufl./Lfg. 09.2022

Kommentierung | FamFG
§ 155b Beschleunigungsrüge
Hammer in Prütting/Helms, FamFG, Kommentar, 6. Aufl. 2023
6. Aufl./Lfg. 09.2022

Kommentierung | FamFG
§ 155c Beschleunigungsbeschwerde
Hammer in Prütting/Helms, FamFG, Kommentar, 6. Aufl. 2023
6. Aufl./Lfg. 09.2022

Aufsatz
Verfahren in Kindschaftssachen zwischen Beschleunigungsgebot, Praktikabilitätserwägungen und Verfahrensgarantien
Katja Schweppe, FamRZ 2024, 333

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