Darf eine WEG Elektroautos aus Tiefgarage aussperren?
AG Wiesbaden v. 4.2.2022 - 92 C 2541/21
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Klägerin ist Eigentümerin des Sondereigentums an einer Erdgeschosswohnung verbunden mit dem Sondernutzungsrecht an einem Tiefgaragenstellpatz. Die Wohnung der Klägerin nebst Tiefgaragenstellpatz war zum Zeitpunkt der Klageerhebung vermietet. Der Mieter nutzte ein Hybrid-Fahrzeug, das er auf dem angemieteten Stellplatz in der Tiefgarage abstellte. Dieses Mietverhältnis ist zwischenzeitlich beendet.
In der Eigentümerversammlung am 24.8.2012 hatten die Wohnungseigentümer unter TOP 11 mehrheitlich beschlossen, dass das Abstellen von E-Autos in der Tiefgarage bis auf weiteres untersagt wird. Diesen Beschluss hat die Klägerin angefochten. Sie war der Auffassung, der Beschluss sei bereits wegen mangelnder Beschlusskompetenz nichtig. Der Beschluss greife unzulässigerweise in das Sondernutzungsrecht der Klägerin ein und verstoße gegen das gesetzgeberische Ziel der Förderung der Elektromobilität.
Die Beklagte war der Ansicht, die Klägerin besitze für die Anfechtungsklage kein Rechtsschutzbedürfnis, da das Mietverhältnis mit dem Mieter, der ein Hybrid-Fahrzeug nutzte, mittlerweile beendet sei. Sie behauptete zudem, es bestehe die Gefahr, dass sich die Lithium-Ionen-Batterien, mit den Elektrofahrzeuge betrieben werden, entzünden könnten.
Das AG hat der Klage stattgegeben und den Beschluss für ungültig erklärt.
Die Gründe:
Die Klägerin besitzt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Da das Anfechtungsrecht nicht dem persönlichen Interesse des Anfechtenden dient, sondern dem Interesse aller Wohnungseigentümer auf ordnungsgemäße Verwaltung, muss der anfechtende Wohnungseigentümer durch den angefochtenen Beschluss nicht persönlich betroffen sein. Somit lässt die Tatsache, dass das Mietverhältnis mit dem Mieter, der ein Hybrid-Fahrzeug nutzt, mittlerweile beendet ist, das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin nicht entfallen.
Der angegriffene Beschluss verstößt gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung. Mit dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz hat der Gesetzgeber jedem einzelnen Wohnungseigentümer ein individuelles Recht auf die Gestattung baulicher Maßnahmen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen, gegeben (§ 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG). Dieser individuelle Anspruch, der nicht abdingbar ist, würde durch den angegriffenen Beschluss ins Leere laufen.
Der einzelne Wohnungseigentümer könnte zwar die Installation einer Lademöglichkeit erzwingen, könnte sie jedoch anschließend nicht nutzen. Damit verstößt der angegriffene Beschluss gegen ein wesentliches gesetzgeberisches Ziel der WEG-Reform, da die Schaffung von Ladeinfrastruktur die "Triebfeder" der WEG-Reform war und macht einen individuellen Rechtsanspruch zunichte. Daher verstößt der angegriffene Beschluss gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung, selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten die behauptete besondere Brandgefahr von Elektrofahrzeugen als wahr unterstellt.
Mehr zum Thema:
Störungsbeseitigungsklagen nach der WEG-Reform 2020
(Hendrik Schultzky, MietRB 2021, 209)
Ein Wohnungseigentümer, der seine Klage auf Beseitigung einer Störung des Gemeinschaftseigentums vor dem 1.12.2020 gerichtlich anhängig gemacht hat, behält seine Prozessführungsbefugnis bis dem Gericht eine schriftliche Äußerung über einen entgegenstehenden Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bekannt wird.
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