19.02.2025

Eigenbedarf: Schöne Wohnlage ist kein ausreichendes Indiz für eine verbindliche Nutzungsabsicht

Der Umstand, dass es bei einer großen Wohnung in einer schönen Hamburger Wohnlage naheliegend ist, dort einzuziehen, soweit der Mietzins sich als finanzierbar und die in das Objekt zu investierenden Beträge/ Arbeiten sich als leistbar erweisen - was vorliegend jeweils vollkommen ungeklärt ist -, genügt insoweit nicht, um von einem Nutzungswunsch oder gar einer verbindlichen Nutzungsabsicht mit hinreichender Sicherheit auszugehen.

AG Hamburg v. 14.2.2025 - 49 C 86/24
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Vermieterin einer 101 m² großen 3-Zimmer-Wohnung in Hamburg. Seit Ende 2017 lebt die Beklagte dort mit ihrer 12-jährigen Tochter. Ende September 2023 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis ordentlich wegen Eigenbedarfs für die 20-jährige Tochter. Diese fange zum April 2024 ein Medizinstudium in Hamburg an und wolle mit einer Freundin eine Wohngemeinschaft gründen. Zudem beabsichtige die Klägerin mehr Zeit in Hamburg zu verbringen und in diesem Zusammenhang ein Zimmer der Wohnung als Unterbringung zu nutzen. Die Beklagte widersprach der Kündigung.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.5.2024 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis nochmal ordentlich wegen Eigenbedarfs unter Angabe des vollständigen Namens der Tochter, einschließlich des Geburtsdatums, des Hinweises, dass sie zum 1.4.2024 ihr Studium für Humanmedizin an der MSH aufgenommen habe, und der Angabe der geplanten Mitbewohnerin, die dort seit dem 1.4.2024 Psychologie studiere. Ferner wurden Angaben zu den derzeitigen Wohnverhältnissen in Hamburg gemacht, wobei es sich hierbei um ein unbefristetes Untermietverhältnis handeln soll.

Die Beklagte war der Ansicht, dass ihr ein Umzug selbst für den Fall einer wirksamen Kündigung unzumutbar sei, da sie als voll berufstätige Ärztin und Mutter sich zudem noch um ihre kranke Mutter kümmern müsse, die in unmittelbarer Nachbarschaft lebe. Im Übrigen sei auch die Arztpraxis in der Nähe belegen. Die Klägerin war der Auffassung, dass sie das Mietverhältnis wirksam fristgemäß wegen Eigenbedarfes gekündigt habe. Einer Besichtigung der Wohnung habe es nicht bedurft. Im Übrigen seien junge Leute, die in Hamburg studieren, dankbar über jede Wohnung, in der sie wohnen könnten.

Das AG hat die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Ein Räumungsanspruch der Klägerin aus den §§ 546 Abs. 1, 573 Abs. 2 BGB besteht nicht, da es an einer wirksamen ordentlichen Kündigung wegen Eigenbedarfs fehlte. Es handelte sich vielmehr um eine unzulässige Vorratskündigung, da der Nutzungswille der Klägerin bzw. der Tochter sich zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung noch nicht hinreichend gefestigt hatte.

Gesetzliche Voraussetzung einer jeden Kündigung wegen Eigenbedarfes ist, dass der Vermieter die Räume als Wohnung für sich oder einen Angehörigen tatsächlich benötigt. Über den bloßen Eigennutzungswunsch des Vermieters hinaus müssen vernünftige und nachvollziehbare Gründe für die Entscheidung des Vermieters zur Eigennutzung oder Nutzung durch einen Angehörigen vorhanden sein. Die Fachgerichte haben deshalb allen Gesichtspunkten nachzugehen, die Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Selbstnutzungswunsches begründen oder ihn als vorgeschoben erscheinen lassen. Verbleibende Zweifel an der Ernsthaftigkeit gehen damit zu Lasten des Vermieters. Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums hat insoweit Vorrang vor dem Schutz der freien Nutzbarkeit desselben.

Insoweit war vorliegend zu berücksichtigen, dass weder die Klägerin noch die Tochter bzw. die Freundin, die ebenfalls in die Wohnung einziehen möchte, den bestehenden Zustand der Wohnung besichtigt haben. Insofern bestand keinerlei Kenntnis, welcher Arbeiten es im Falle einer Umsetzung der erwogenen Nutzung bedurfte. Zwar hatte die Klägerin geltend gemacht, selbst für die Sanierung der Wohnung in den Jahren 2016 und 2017 gesorgt zu haben. Dies ist allerdings sieben bis acht Jahre her.

Auch der Umstand, dass es bei einer großen Wohnung in einer schönen Hamburger Wohnlage naheliegend ist, dort einzuziehen, soweit der Mietzins sich als finanzierbar und die in das Objekt zu investierenden Beträge/ Arbeiten sich als leistbar erweisen - was vorliegend jeweils vollkommen ungeklärt geblieben ist -, genügt insoweit nicht, um von einem Nutzungswunsch oder gar einer verbindlichen Nutzungsabsicht mit hinreichender Sicherheit auszugehen.

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