28.01.2021

Familiäre Beziehungen können dem Interesse eines leiblichen Vaters an der Anfechtung einer Vaterschaft vorgehen

Ein biologischer Vater ist nur dann berechtigt, die (rechtliche) Vaterschaft des Ehemanns der Mutter oder eines anderen Mannes, der die Vaterschaft anerkannt hat, zu beseitigen, wenn eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind nicht besteht. Die Tatsache, dass der biologische Vater in einer solchen Konstellation überhaupt nicht die Möglichkeit hat, rechtlich gesehen die Vaterstellung für sein mutmaßlich leibliches Kind einzunehmen, ist als eine Folge der in § 1600 BGB getroffenen und aktuell geltenden gesetzlichen Regelung, nach der ein bestehender Familienverband dem Interesse des leiblichen Vaters vorgeht, hinzunehmen.

OLG Hamm v. 12.11.2020 - 12 WF 221/20
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller aus Münster will gerichtlich feststellen lassen, dass der Ehemann der Mutter eines im Juni 2020 geborenen Mädchens, der mit der Mutter seit 2013 verheiratet ist und mit ihr ebenfalls in Münster wohnt, nicht der Vater des Kindes ist, sondern er selbst.

Das AG wies den dahingehenden Antrag des Antragstellers zurück. Die sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Ehemann der Mutter des Kindes und dem Mädchen stehe einer solchen Feststellung entgegen. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers hatte vor dem OLG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Jedenfalls zurzeit kann der Antragsteller die Vaterschaft des Ehemanns der Mutter des Kindes nicht anfechten. Zwischen diesem und dem Kind besteht eine sozial-familiäre Bindung, die - nach § 1600 Abs. 2, 3 BGB - eine Anfechtung durch den leiblichen Vater ausschließt.

Von einer solchen Bindung ist dann auszugehen, wenn der rechtliche Vater für das Kind tatsächlich die Verantwortung trägt. Dies ist hier zu vermuten, weil der Ehemann der Mutter mit dieser verheiratet ist. Dem kann der Antragsteller nicht entgegenhalten, dass er vor der Geburt des Kindes noch gelegentlichen Kontakt zur Mutter des Kindes und diese noch eine eigene Wohnung hatte.

Ebenfalls nicht von Bedeutung ist es, dass der Antragsteller mit Beginn der Schwangerschaft Verantwortung für das Kind übernehmen wollte. Entscheidend ist vielmehr, dass der Ehemann der Mutter des Kindes spätestens seit der Geburt mit ihr und dem Kind in einem Haushalt lebt und bereit ist, die Verantwortung für seine (rechtliche) Tochter zu tragen.

Es ist zwar zu sehen, dass der Antragsteller in dieser Konstellation überhaupt nicht die Möglichkeit hat, rechtlich gesehen die Vaterstellung für seine mutmaßliche leibliche Tochter einzunehmen. Dies ist jedoch eine Folge der in § 1600 BGB getroffenen und aktuell geltenden gesetzlichen Regelung, nach der ein bestehender Familienverband dem Interesse des leiblichen Vaters vorgeht.
OLG Hamm PM vom 28.1.2021
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