13.09.2023

GdWE: Korrigierte Jahresabrechnung nach rechtskräftig festgestellter Ungültigkeit eines zugrunde liegenden Beschlusses zur Kostenverteilung

Wird ein der Jahresabrechnung zugrunde liegender Beschluss über eine von dem Gesetz oder einer Vereinbarung abweichende Kostenverteilung rechtskräftig für ungültig erklärt, ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) zu der Erstellung einer korrigierten Jahresabrechnung verpflichtet und kann jeder Wohnungseigentümer eine solche verlangen; über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse haben die Wohnungseigentümer auf der Grundlage der korrigierten Abrechnung neu zu beschließen. Wird ein Beschluss über eine abweichende Kostenverteilung, der einer bereits beschlossenen Jahresabrechnung zugrunde liegt, rechtskräftig für ungültig erklärt, muss die GdWE nach Treu und Glauben von der weiteren Durchsetzung der Nachschussforderungen aus der Jahresabrechnung absehen.

BGH v. 16.6.2023 - V ZR 251/21
Der Sachverhalt:
Der Beklagte ist Mitglied der klagenden Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Zu der Wohnungseigentumsanlage mit insgesamt 22 Einheiten gehört ein Kegelbahngebäude, in dem sich die Teileigentumseinheit des Beklagten befindet. Im Oktober 2017 wurde die Dachsanierung des Kegelbahngebäudes beschlossen. Die Kosten für die über seiner Einheit gelegene Dachfläche von voraussichtlich 24.000 € sollte der Beklagte allein tragen.

Gegen diese Kostenverteilung erhob der Beklagte Beschlussanfechtungsklage. Die Dachsanierung wurde noch im Jahr 2017 durchgeführt und bezahlt. Während des laufenden Beschlussanfechtungsverfahrens wurde im Juni 2018 die Jahresabrechnung 2017 beschlossen. Mit den Kosten der Dachsanierung wurde - wie in dem angefochtenen Beschluss vorgesehen - der Beklagte belastet. Die Einzelabrechnung des Beklagten endete infolgedessen mit einer Nachzahlung i.H.v. rd. 22.000 €. Nachdem der Beschluss über die Jahresabrechnung bestandskräftig geworden war, wurde der angefochtene Beschluss über die Verteilung der Dachsanierungskosten mit Urteil vom 11.2.2019 für ungültig erklärt.

Nach Rechtskraft dieses Urteils forderte die Verwalterin der GdWE den Beklagten vergeblich zur Zahlung auf und erhob schließlich Klage auf Zahlung von rd. 22.000 € nebst vorgerichtlichen Anwaltskosten und Zinsen.

AG und LG gaben der Klage statt. Auf die Revision des Beklagten wies der BGH die Klage ab.

Die Gründe:
Im Ausgangspunkt zutreffend geht das LG noch davon aus, dass die Zahlungspflicht des Beklagten in Höhe der Abrechnungsspitze durch den Beschluss über die Jahresabrechnung 2017 gem. § 28 Abs. 5 WEG a.F. begründet worden ist. In dieser (bestandskräftigen) Jahresabrechnung 2017 sind die Kosten für die Dachsanierung als in diesem Kalenderjahr angefallene tatsächliche Ausgaben der GdWE verbucht worden. Von Rechtsfehlern beeinflusst ist dagegen die Annahme des LG, dieser Zahlungsanspruch sei ohne Rücksicht darauf durchsetzbar, dass der in der Jahresabrechnung zugrunde gelegte Umlageschlüssel für die Dachsanierungskosten rechtskräftig für ungültig erklärt worden ist, weil der Beklagte weder den Beschluss über die Jahresabrechnung angefochten noch auf eine erneute Beschlussfassung hingewirkt hat.

Der Senat hat bereits entschieden, dass einzelne Wohnungseigentümer, wenn die Jahresabrechnung insgesamt oder teilweise für ungültig erklärt wird, nicht die Rückzahlung der Abrechnungsspitze im Wege eines Bereicherungsausgleichs beanspruchen können; vielmehr steht ihnen ein Anspruch auf Erstellung einer neuen Jahresabrechnung für das betroffene Jahr und eine Beschlussfassung hierüber zu. Die Anpassung der Einzelabrechnung eines Wohnungseigentümers hat notwendigerweise Auswirkungen auf die Einzelabrechnungen der übrigen Wohnungseigentümer, so dass aus dem auf alle Einheiten bezogenen Abrechnungssystem nicht einzelne Forderungen herausgelöst werden können. Seit dem 1.12.2020 ist der Anspruch der einzelnen Wohnungseigentümer auf Erstellung einer neuen bzw. korrigierten Abrechnung gegen die GdWE gerichtet, und der Beschluss der Wohnungseigentümer hat nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG allein die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der Vorschüsse zum Gegenstand; gegenüber der GdWE ist der Verwalter verpflichtet, die neue bzw. korrigierte Abrechnung zu erstellen.

Ein solcher Anspruch auf Erstellung einer neuen Jahresabrechnung und eine Beschlussfassung auf dieser Grundlage besteht gleichermaßen, wenn, wie hier, ein der Abrechnung zugrunde liegender Beschluss über die Kostenverteilung rechtskräftig für ungültig erklärt wird. Auch in diesem Fall erweist sich die Abrechnung als fehlerhaft, sodass das Problem dort zu beheben ist, wo es entstanden ist. Wird ein der Jahresabrechnung zugrunde liegender Beschluss über eine von dem Gesetz oder einer Vereinbarung abweichende Kostenverteilung rechtskräftig für ungültig erklärt, ist die GdWE zu der Erstellung einer korrigierten Jahresabrechnung verpflichtet und kann deshalb jeder Wohnungseigentümer eine solche verlangen; über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse haben die Wohnungseigentümer auf der Grundlage der korrigierten Abrechnung neu zu beschließen. Der Verwalter ist gegenüber der GdWE verpflichtet, zur Beschlussvorbereitung eine neue bzw. korrigierte Abrechnung zu erstellen (§ 28 Abs. 2 Satz 2 WEG).

Wird ein Beschluss über eine abweichende Kostenverteilung, der einer bereits beschlossenen Jahresabrechnung zugrunde liegt, rechtskräftig für ungültig erklärt, muss die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) von der weiteren Durchsetzung der Nachschussforderungen aus der Jahresabrechnung absehen. Der abweichenden Auffassung des LG liegt zwar die zutreffende Überlegung zugrunde, dass der Anspruch eines Wohnungseigentümers auf die Fassung eines bestimmten Beschlusses grundsätzlich im Wege der Beschlussersetzungsklage geltend zu machen ist. Aufgrund des rechtskräftigen Urteils in dem Vorprozess steht aber bereits fest, dass auf der Grundlage der zu korrigierenden Jahresabrechnung eine abändernde Beschlussfassung erfolgen muss. Ab Eintritt der Rechtskraft des eine beschlossene Kostenverteilung für ungültig erklärenden Urteils widerspricht deshalb die weitere Durchsetzung einer Verpflichtung zur Zahlung von Nachschüssen (negative Abrechnungsspitze), die sich aus einer auf diesen Beschluss gestützten Jahresabrechnung ergibt, ordnungsmäßiger Verwaltung und verstößt gegen Treu und Glauben. Wäre dies anders, würde der Beklagte zu einer Zahlung verurteilt, obwohl aufgrund des rechtskräftigen Urteils in dem Vorprozess feststeht, dass neu abgerechnet werden muss.

Der Umstand, dass gegen einen Beschluss über die Verteilung einzelner Kosten oder bestimmter Arten von Kosten (§ 16 Abs. 2 Satz 2 WEG bzw. § 16 Abs. 4 Satz 1 WEG a.F.) Anfechtungsklage erhoben wird, hindert die GdWE allerdings weder daran, von dem Verwalter eine Jahresabrechnung erstellen zu lassen und den Wohnungseigentümern zur Beschlussfassung vorzulegen, noch ist sie an der Durchsetzung der durch den Beschluss begründeten Zahlungspflichten gehindert; ein solches Vorgehen wird regelmäßig ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Weil mit der Rechtskraft des Urteils, mit dem ein in der Abrechnung berücksichtigter Beschluss über eine abweichende Kostenverteilung für ungültig erklärt wird, der Schuldgrund unberührt bleibt und lediglich die Durchsetzbarkeit der Nachschussforderung entfällt, müssen auch bis zu diesem Zeitpunkt entstandene Schäden wegen Zahlungsverzugs von einem säumigen Wohnungseigentümer ersetzt werden. Eine bereits erhobene Zahlungsklage kann die GdWE ab diesem Zeitpunkt für erledigt erklären mit der Folge, dass die Kosten regelmäßig dem säumigen Wohnungseigentümer aufzuerlegen sind. Hierzu ist es aber vorliegend nicht gekommen, weil die Klage erst nach Rechtskraft des Urteils, mit dem der in der Abrechnung berücksichtigte Kostenverteilungsbeschluss für ungültig erklärt wurde, erhoben worden ist.

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