Geplatzter Hauskauf: Wer muss die Nichtabnahmeentschädigung für die Bank begleichen?
BGH v. 20.2.2025 - I ZR 122/23
Der Sachverhalt:
Die Kläger beabsichtigten, gemeinsam ein Einfamilienhaus zu erwerben. Die Beklagte ist eine Darlehensvermittlerin. Im August 2020 hatten die Kläger diesbezüglich ein Haus bebautes besichtigt und waren sich mit dem Verkäufer über den Kaufpreis einig geworden. Sodann wurde ein Notartermin für den 26.11.2020 vereinbart. Allerdings lehnte die von den Klägern angefragte Bank die benötigte Finanzierung von 450.000 € ab. Infolgedessen kontaktierten die Kläger am 24.11.2020 die Beklagte und baten um Vermittlung der benötigten Finanzierung.
Am 18.12.2020 unterzeichneten die Kläger einen - von der D-Bank angenommenen - Darlehensantrag über 350.000 € und ein Beratungsprotokoll der Beklagten. Darin war folgender Hinweis enthalten:
"Wichtig! Unterzeichnen Sie Bau-, Kauf- und Finanzierungsverträge erst, wenn alle wichtigen Faktoren Ihres Bau- oder Kaufvorhabens geklärt und schriftlich festgehalten wurden. Ansonsten drohen bei einer Rückabwicklung hohe Kosten, wie Vertragsstrafen und Nichtabnahmeentschädigungen."
Am 23.12.2020 unterzeichneten die Kläger ein KfW-Darlehen über 100.000 €. Am 7.1.2021 teilten die Kläger der Beklagten mit, dass sie einen Notartermin für den 4.2.2021 vereinbart hätten. Am 20.1.2021 informierte der Verkäufer die Kläger darüber, dass er das Haus aus persönlichen Gründen doch nicht verkaufen wolle.
Am 3.3.2021 informierten die Kläger die D-Bank, dass sie das Darlehen endgültig nicht abnehmen würden. Die Bank trat daraufhin vom Darlehensvertrag zurück und verlangte von den Klägern eine Nichtabnahmeentschädigung von 35.862,29 €, die die Kläger vollständig bezahlten. Den Betrag forderten die Kläger von der Beklagten als Schadensersatz erstattet.
Das LG hat die Beklagte zur Zahlung der Hälfte verurteilt. Das OLG hat die Klage insgesamt abgewiesen. Auf die Revision der Kläger hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.
Gründe:
Ein Schadensersatzanspruch der Kläger gegen die Beklagte nach §§ 655a, 280 Abs. 1 BGB durfte nicht verneint werden. Es kam in Betracht, dass die Beklagte Aufklärungs- und Beratungspflichten aus dem zwischen den Parteien bestehenden Darlehensvermittlungsvertrag verletzt hat, indem sie auf Nachfrage der Kläger das Risiko des Nichtzustandekommens des Grundstückskaufvertrags verharmlost hatte.
Ein nicht gebundener Vermittler von Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen schuldet seinem Kunden eine umfassende und richtige Aufklärung über die in Betracht kommenden Finanzierungsmöglichkeiten. Im Rahmen der geschuldeten Aufklärung darf ein reales Risiko (hier: Nichtzustandekommen des Grundstückskaufvertrags nach bereits geschlossenem und nicht mehr widerruflichem Darlehensvertrag) nicht so verharmlost werden, dass der Eindruck entsteht, es sei nur theoretischer Natur.
Es handelt sich um ein reales Risiko, weil der Verkäufer vor der Beurkundung im Grundsatz frei ist, von dem geplanten Kaufvertrag Abstand zu nehmen, und gegenüber dem Kaufinteressenten auch dann nicht auf Schadensersatz haftet, wenn ihm bekannt ist, dass dieser bereits einen Darlehensvertrag für den Grundstückskauf geschlossen hat. Zu einer umfassenden Aufklärung gehört in einem solchen Fall ein Hinweis auf die Möglichkeit einer zeitlichen Staffelung dergestalt, dass die auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung zum Zeitpunkt des beabsichtigten Kaufvertragsschlusses noch widerrufen werden kann. Im Streitfall wäre in Betracht gekommen, dass die Kläger ihre auf den Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen später abgeben oder den Notartermin vorziehen.
Infolgedessen hätte das Berufungsgericht den Klägern einen Hinweis erteilen müssen, dass es die Darlegungen der Kläger zu dem ihnen entstandenen Schaden für unsubstantiiert hält. Es wird im weiteren Verfahren erneut zu prüfen haben, ob die Beklagte eine Pflicht aus dem mit den Klägern geschlossenen Darlehensvermittlungsvertrag verletzt hat. Ihr Verschulden würde dann nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet.
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Die Kläger beabsichtigten, gemeinsam ein Einfamilienhaus zu erwerben. Die Beklagte ist eine Darlehensvermittlerin. Im August 2020 hatten die Kläger diesbezüglich ein Haus bebautes besichtigt und waren sich mit dem Verkäufer über den Kaufpreis einig geworden. Sodann wurde ein Notartermin für den 26.11.2020 vereinbart. Allerdings lehnte die von den Klägern angefragte Bank die benötigte Finanzierung von 450.000 € ab. Infolgedessen kontaktierten die Kläger am 24.11.2020 die Beklagte und baten um Vermittlung der benötigten Finanzierung.
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Es handelt sich um ein reales Risiko, weil der Verkäufer vor der Beurkundung im Grundsatz frei ist, von dem geplanten Kaufvertrag Abstand zu nehmen, und gegenüber dem Kaufinteressenten auch dann nicht auf Schadensersatz haftet, wenn ihm bekannt ist, dass dieser bereits einen Darlehensvertrag für den Grundstückskauf geschlossen hat. Zu einer umfassenden Aufklärung gehört in einem solchen Fall ein Hinweis auf die Möglichkeit einer zeitlichen Staffelung dergestalt, dass die auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung zum Zeitpunkt des beabsichtigten Kaufvertragsschlusses noch widerrufen werden kann. Im Streitfall wäre in Betracht gekommen, dass die Kläger ihre auf den Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen später abgeben oder den Notartermin vorziehen.
Infolgedessen hätte das Berufungsgericht den Klägern einen Hinweis erteilen müssen, dass es die Darlegungen der Kläger zu dem ihnen entstandenen Schaden für unsubstantiiert hält. Es wird im weiteren Verfahren erneut zu prüfen haben, ob die Beklagte eine Pflicht aus dem mit den Klägern geschlossenen Darlehensvermittlungsvertrag verletzt hat. Ihr Verschulden würde dann nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet.
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