26.02.2024

Gescheiterte Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument

Die Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände. Hieran fehlt es, wenn die glaubhaft gemachten Tatsachen jedenfalls auch den Schluss zulassen, dass die Unmöglichkeit nicht auf technischen, sondern auf in der Person des Beteiligten liegenden Gründen beruht.

BGH v. 17.1.2024 - XII ZB 88/23
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin wendet sich in dem aus dem Scheidungsverbund abgetrennten Güterrechtsverfahren gegen die Verwerfung ihrer Beschwerde.

Das AG hat dem Antrag der Antragstellerin auf Zugewinnausgleich nur teilweise stattgegeben. Gegen den Beschluss hat sie fristgerecht Beschwerde eingelegt. Die Antragstellerin hat ihre Beschwerde begründet und - anwaltlich versichert - dargelegt, weshalb sie ihre Beschwerdebegründung nicht über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereicht hat.

Das OLG hat die Beschwerde verworfen. Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde ist vor dem BGH ohne Erfolg geblieben.

Die Gründe:
Das Beschwerdegericht ist zutreffend zu der Auffassung gelangt, dass die Beschwerdebegründungsschrift nicht form- und fristgerecht eingereicht worden ist. Zwar ist nach § 130 d Satz 2 ZPO eine Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wenn eine elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. In diesem Fall ist die vorübergehende Unmöglichkeit nach § 130 d Satz 3 Halbsatz 1 ZPO jedoch bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen.

Dies ist der Antragstellerin nicht gelungen, weil aus ihren Ausführungen nicht in sich schlüssig und nachvollziehbar hervorgeht, ob sie die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorgehalten hat.

Nach der Rechtsprechung des BGH führt etwa eine Störung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs oder des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (EGVP) sowie der temporäre Ausfall der Netzwerkkarte grundsätzlich zu einer vorübergehenden technischen Unmöglichkeit.

Eine solche Konstellation liegt hier indessen nicht vor. Denn nach dem von der Antragstellerin gehaltenen Vortrag besteht nicht die zur Glaubhaftmachung erforderliche überwiegende Wahrscheinlichkeit (vgl. Senatsbeschlüsse vom 1.3.2023 - XII ZB 228/22 - FamRZ 2023, 879 Rn. 15 und vom 26.1.2022 - XII ZB 227/21 - FamRZ 2022, 647 Rn. 11 mwN) dafür, dass die behauptete Unmöglichkeit auf technischen und nicht auf in der Person der Antragstellerin liegenden Gründen beruht.

Eine technische Unmöglichkeit ist dann nicht glaubhaft gemacht, wenn die Angaben auch den Schluss zulassen, dass der zugelassene Übermittlungsweg noch nicht in Betrieb genommen oder eingerichtet und dessen Funktionsfähigkeit vor der erstmaligen Nutzung nicht überprüft worden ist (vgl. BGH v. 15.12.2022 - I ZB 35/22).

Professionelle Einreicher werden durch § 130 d ZPO nicht von der Notwendigkeit entbunden, die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten. Zu den notwendigen technischen Einrichtungen gehört dabei nicht nur ein entsprechendes Endgerät (Hardware), sondern auch die für den Betrieb des Endgeräts und die Einreichung elektronischer Dokumente jeweils erforderliche Software in der jeweils aktuellen Version.

Die Antragstellerin hat sich jedoch nicht dazu geäußert, ob sie die so verstandenen technischen Einrichtungen vorgehalten hat. Sie ist auch nicht darauf eingegangen, ob sie - wie von der Zertifizierungsstelle vorgeschlagen - überhaupt versucht hat, mittels der ihr übersandten PUK die PIN-Eingabe zu entsperren, um anschließend entsprechend der Anleitung der Zertifizierungsstelle den Fehlbedienungszähler zurückzusetzen, gegebenenfalls auch unter Aktualisierung der Betriebssoftware des Endgeräts und der Betriebssoftware für die Einreichung von elektronischen Dokumenten.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann dabei dahinstehen, ob ein Rechtsanwalt in jedem Einzelfall dazu vorzutragen und glaubhaft zu machen hat, dass die technischen Einrichtungen zur elektronischen Übermittlung ursprünglich gegeben und funktionstüchtig waren.

Denn jedenfalls in den Fällen, in denen - wie hier - auf der Grundlage des Vorbringens des Rechtsanwalts davon auszugehen ist, dass Anlass zur Überprüfung der Funktionsfähigkeit des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs bestand, diese jedoch unterblieben ist (vgl. BGH v. 15.12.2022 - I ZB 35/22), muss der Rechtsanwalt darlegen, dass die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente ursprünglich vorhanden und einsatzfähig waren.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
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BGH vom 1.3.2023 - XII ZB 228/22
Werner Schwamb, FamRB 2023, 245

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