Hotel: Vermietung von Zimmerkontingenten an eine Kommune zur vorübergehenden Unterbringung Geflüchteter
OLG Frankfurt a.M. v. 21.2.2025 - 2 U 63/24
Der Sachverhalt:
Die klagende Verpächterin schloss 2016 mit der Beklagten einen Vertrag über Räumlichkeiten zum Betrieb des "Hotel F." in Gießen. Die Sache durfte vertraglich nur zum vereinbarten Nutzungszweck gebraucht werden. Seit Herbst 2022 buchte das Jugendamt der Stadt Gießen regelmäßig Zimmer für in seiner Obhut stehende Jugendliche. Nach Abmahnung kündigte die Klägerin 2023 das Pachtverhältnis fristlos. Sie hält die Unterbringung unbegleiteter Jugendlicher für vertragswidrig.
Das LG gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte zur Räumung und Herausgabe. Auf die Berufung der Beklagten wies das OLG die Klage ab. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Klägerin kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision zum BGH beantragten.
Die Gründe:
Der Vertrag zwischen den Parteien ist nicht wirksam fristlos gekündigt worden.
Die Beklagte hat insbesondere nicht die Rechte der Klägerin durch eine unbefugte Überlassung an Dritte in erheblichem Maße verletzt (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Dem Betrieb eines Hotels ist es immanent, dass es zu Beherbungsverträgen mit Dritten kommt. Davon umfasst ist etwa auch, dass bei der Buchung von Zimmerkontingenten durch Firmen o.ä. ein ganzes Hotel faktisch durch ein und denselben Mieter belegt wird. Der hier zu beurteilende Abschluss von zeitlich begrenzten und auf bestimmte Zimmer bezogenen Beherbungsverträgen mit der Stadt Gießen war folglich nicht unbefugt. Die Grenze zur unzulässigen Gebrauchsüberlassung wäre allenfalls dann überschritten, wenn die Stadt das gesamte Gebäude übernommen und zu einem Flüchtlingsheim umgebaut hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Eine zur Kündigung berechtigende Gefährdung der Mietsache (Vernachlässigung) durch unbegleitete minderjährige Geflüchteten ist ebenfalls nicht erkennbar.
Schließlich liegt auch keine Pflichtverletzung wegen Überschreitung des Vertragszwecks vor, die nach Abwägung der beidseitigen Interessen zur Kündigung berechtigen würde. Die zeitweilige Vermietung an die Stadt Gießen zum Zweck der Unterbringung minderjähriger unbegleiteter Geflüchteter überschreitet nicht den Vertragszweck. Die vertragliche vereinbarte Nutzungsart als Hotel ist durch das Angebot von individueller Unterkunft, Service, Verpflegung und Nebenleistungen gekennzeichnet. Die Aufenthaltsdauer der Gäste, der Zweck des Aufenthalts und die Motive für die Anmietung der Zimmer stellen dagegen keine entscheidenden Kriterien für die Bewertung als Hotelbetrieb dar. Die Klägerin hat im Hinblick auf den vereinbarten Nutzungszweck insbesondere keinen Anspruch darauf, dass die Vermietung nur an einen bestimmten Personenkreis erfolgen darf, solange keine Beeinträchtigungen der Räumlichkeiten vorliegen bzw. zu befürchten sind. Es ist auch nicht vorgetragen, dass Geflüchtete die Zimmer intensiver und nachlässiger nutzten als dies bei einer "normalen" Vermietung an Hotelgäste der Fall wäre.
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OLG Frankfurt a.M. PM Nr. 21 vom 15.4.2025
Die klagende Verpächterin schloss 2016 mit der Beklagten einen Vertrag über Räumlichkeiten zum Betrieb des "Hotel F." in Gießen. Die Sache durfte vertraglich nur zum vereinbarten Nutzungszweck gebraucht werden. Seit Herbst 2022 buchte das Jugendamt der Stadt Gießen regelmäßig Zimmer für in seiner Obhut stehende Jugendliche. Nach Abmahnung kündigte die Klägerin 2023 das Pachtverhältnis fristlos. Sie hält die Unterbringung unbegleiteter Jugendlicher für vertragswidrig.
Das LG gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte zur Räumung und Herausgabe. Auf die Berufung der Beklagten wies das OLG die Klage ab. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Klägerin kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision zum BGH beantragten.
Die Gründe:
Der Vertrag zwischen den Parteien ist nicht wirksam fristlos gekündigt worden.
Die Beklagte hat insbesondere nicht die Rechte der Klägerin durch eine unbefugte Überlassung an Dritte in erheblichem Maße verletzt (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Dem Betrieb eines Hotels ist es immanent, dass es zu Beherbungsverträgen mit Dritten kommt. Davon umfasst ist etwa auch, dass bei der Buchung von Zimmerkontingenten durch Firmen o.ä. ein ganzes Hotel faktisch durch ein und denselben Mieter belegt wird. Der hier zu beurteilende Abschluss von zeitlich begrenzten und auf bestimmte Zimmer bezogenen Beherbungsverträgen mit der Stadt Gießen war folglich nicht unbefugt. Die Grenze zur unzulässigen Gebrauchsüberlassung wäre allenfalls dann überschritten, wenn die Stadt das gesamte Gebäude übernommen und zu einem Flüchtlingsheim umgebaut hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Eine zur Kündigung berechtigende Gefährdung der Mietsache (Vernachlässigung) durch unbegleitete minderjährige Geflüchteten ist ebenfalls nicht erkennbar.
Schließlich liegt auch keine Pflichtverletzung wegen Überschreitung des Vertragszwecks vor, die nach Abwägung der beidseitigen Interessen zur Kündigung berechtigen würde. Die zeitweilige Vermietung an die Stadt Gießen zum Zweck der Unterbringung minderjähriger unbegleiteter Geflüchteter überschreitet nicht den Vertragszweck. Die vertragliche vereinbarte Nutzungsart als Hotel ist durch das Angebot von individueller Unterkunft, Service, Verpflegung und Nebenleistungen gekennzeichnet. Die Aufenthaltsdauer der Gäste, der Zweck des Aufenthalts und die Motive für die Anmietung der Zimmer stellen dagegen keine entscheidenden Kriterien für die Bewertung als Hotelbetrieb dar. Die Klägerin hat im Hinblick auf den vereinbarten Nutzungszweck insbesondere keinen Anspruch darauf, dass die Vermietung nur an einen bestimmten Personenkreis erfolgen darf, solange keine Beeinträchtigungen der Räumlichkeiten vorliegen bzw. zu befürchten sind. Es ist auch nicht vorgetragen, dass Geflüchtete die Zimmer intensiver und nachlässiger nutzten als dies bei einer "normalen" Vermietung an Hotelgäste der Fall wäre.
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