04.11.2022

Hundebiss: Eigene Tiergefahr nicht schadensmindernd anzurechnen

Der Halter eines angeleinten Weimaraners muss sich die eigene sog. Tiergefahr nicht schadensmindernd anrechnen lassen, wenn sein Hund ohne vorheriges auffallendes Verhalten von einem sich losreißenden Rottweiler gebissen wird. Die Tiergefahr des Halters des Weimaraners tritt vollständig hinter die Tiergefahr des Halters des Rottweilers zurück.

OLG Frankfurt a.M. v. 25.8.2022 - 11 U 34/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger ging Anfang März 2018 gegen 20 Uhr mit seinem Weimaraner Rüden in der Umgebung von Mainz spazieren. Er begegnete der Beklagten und ihrem Rottweiler. Ob der Rottweiler den Weimaraner biss, ist zwischen den Parteien streitig. Im Anschluss an die Begegnung wurde der klägerische Hund über einen Monat hinweg tierärztlich behandelt.

Der Kläger verlangt nunmehr Ersatz der Tierarztkosten i.H.v. knapp 3.000 €, 1.000 € Schmerzensgeld sowie Verdienstausfall infolge der Betreuung des Hundes, insgesamt gut 5.000 €. Er behauptet, der Rottweiler habe sich losgerissen, ihn umgeworfen und seinen Hund durch Bisse in den Hals verletzt. Die Beklagte behauptet, die jeweils angeleinten Hunde hätten lediglich kurze Zeit "Schnauze an Schnauze" gestanden.

Das LG gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von rd. 3.000 €. Das OLG wies die Beklagte mit dem vorliegenden Beschluss darauf hin, dass ihre Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe. Daraufhin nahm die Beklagte die Berufung zurück. Das Urteil des LG ist damit rechtskräftig.

Die Gründe:
Auf Grundlage der Parteiangaben und des eingeholten Sachverständigengutachtens war eine Haftung der Beklagten über die Grundsätze der Tierhalterhaftung zu bejahen. Der Rottweiler hat den Weimaraner angegriffen, obwohl dieser keine aggressiven Handlungen ausgeführt hat; insbesondere hat er nicht vor der Attacke gebellt.

Der Kläger muss sich auch keine eigene Tierhaftung des verletzten Weimeraners schadensmindernd anrechnen lassen. Vielmehr tritt diese Tiergefahr vollständig hinter die des Rottweilers zurück. Die Tiergefahr des Rottweilers überwiegt die des Weimaraners alleine deshalb, weil dieser den Weimaraner angegriffen hat. Hinzu kommt, dass es sich (nur) bei dem Rottweiler um einen gefährlichen Hund i.S.v. § 2 Abs. 1 der hessischen Hundeverordnung handelt, der Hund also schon grundsätzlich als mensch- bzw. tiergefährdend anzusehen ist. Soweit die Beklagte den Charakter des Hundes als ungefährlich, gutmütig und lieb beschrieben hat, steht dies im Widerspruch zum streitgegenständlichen Vorfall.

Von Bedeutung ist zudem, dass nur die Beklagte und nicht der Kläger die Kontrolle über das jeweils geführte Tier verloren hat. Die Beklagte ist damit der nach der Verordnung bestehenden Verpflichtung, das Tier so zu führen, dass von ihm keine Gefahr für Leben oder Gesundheit für Menschen oder Tiere ausgeht, nicht gerecht geworden. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, jedes Zulaufen des Rottweilers auf den Kläger und seinen Hund zu verhindern.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Haftung des Tierhalters und Stellung seiner Haftpflichtversicherung als Streithelferin im Prozess
Christoph Fellner, MDR 2022, 871

Rechtsprechung:
Tierhalterhaftung: Mitverschulden durch Provokation eines Hundebissvorfalls
OLG Zweibrücken vom 28.04.2022 - 2 U 32/21
MDR 2022, 895

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OLG Frankfurt a.M. PM vom 1.11.2022
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