Insolvenzverfahren: Tragen der Prozesskosten bei sofortigem Anerkenntnis
OLG Celle v. 13.2.2025 - 7 W 2/25
Der Sachverhalt:
Der Kläger verfolgt mit der Klage die Feststellung einer Forderung aus Minderung zur Insolvenztabelle. Die Ansprüche aus Kaufgewährleistungsrecht gegen die Insolvenzschuldnerin als Verkäuferin hatte die an dem Rechtsstreit nicht beteiligte Leasinggeberin an den Kläger abgetreten. An Unterlagen fügte der Kläger der Anmeldung der Forderung sein Forderungsschreiben an die Insolvenzschuldnerin vom 15.1.2024 bei. Der Beklagte nahm die Forderung in die Tabelle mit der Bemerkung auf: "Forderung durch den Insolvenzverwalter in voller Höhe bestritten, weil Nachweise (u. a. Vertragsunterlagen) fehlen."
Nachdem der Kläger der Klage eine Abschrift des Leasingvertrages beigefügt hatte, erkannte der Beklagte die Klage unter Verwahrung gegen die Kostenlast an. Das LG verurteilte den Beklagten gemäß seines Anerkenntnisses und erlegte dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auf. Für den Beklagten habe mangels Unterlagen keine Möglichkeit bestanden, die angemeldete Forderung zu prüfen. Diesen alleinigen Grund für das Bestreiten hätte der Kläger auf Nachfrage bei dem Beklagten oder durch Einsichtnahme in die Insolvenzakte in Erfahrung bringen können.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers hatte vor dem OLG keinen Erfolg.
Die Gründe:
Nach § 93 ZPO fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt und der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat. Es bestehen keine Zweifel, dass der Beklagte, der das Anerkenntnis mit der Verteidigungsanzeige erklärt hat, sofort i.S.v. § 93 ZPO anerkannt hat. Der Beklagte hat auch keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben.
Bestreitet der Insolvenzverwalter die Forderung nur "vorläufig", macht er durch eine solche Erklärung deutlich, dass er die Forderung nur deshalb bestreitet, weil er sich zu ihr noch nicht abschließend erklären kann. Der Gläubiger weiß dann, dass eine Feststellung seiner Forderung zur Tabelle ohne gerichtliche Hilfe noch möglich ist. Dann ist es ihm zuzumuten, sich bei dem Insolvenzverwalter zu vergewissern, ob dieser seinen Widerspruch aufrechterhält. Dies dient einer verfahrensökonomischen Erledigung des durch das "vorläufige" Bestreiten eingetretenen Schwebezustands und verletzt keine anerkennenswerten Interessen des Gläubigers. Dieser kann dem Verwalter eine angemessene Frist zur abschließenden Entscheidung über die angemeldete Forderung setzen.
Soweit - teilweise im Anschluss an OLG Frankfurt a.M. v. 15.2.2021 - 13 W 6/21 - die Ansicht vertreten wird, dass es für ein "vorläufiges" Bestreiten in dem vorgenannten Sinne nicht genüge, wenn der Insolvenzverwalter die Forderung als "nicht ausreichend belegt" bestreitet, vermag der Senat dem nicht beizutreten. Zum einen ist der genannten Entscheidung bereits kein solcher Rechtssatz zu entnehmen. Die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. beruht vielmehr darauf, dass der Anmeldung - anders als hier - ausreichende Unterlagen beigefügt waren und der Insolvenzverwalter sein Bestreiten vor Erhalt der nachgeforderten Unterlagen aufgab, sie für seine Prüfung also nicht benötigte, weshalb sich das Berufen auf unzureichende Unterlagen als sachlich falsch darstellte.
Zum anderen beurteilt sich die Klageveranlassung gem. den Voraussetzungen des § 93 ZPO, also danach, ob das Verhalten des Beklagten aus der Sicht des Klägers bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme bietet, er werde ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu seinem Recht kommen. Das richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Auch aus den spezifischen insolvenzrechtlichen Vorgaben für eine (wirksame) Forderungsanmeldung lassen sich besondere Anforderungen an das "vorläufige" Bestreiten nicht ableiten. Das Gesetz kennt ein "vorläufiges" Bestreiten nicht. Schon deshalb ist die Verwendung dieses Ausdrucks oder eines bestimmten Wortlauts nicht erforderlich. Nach Maßgabe des § 93 ZPO ist vielmehr entscheidend, ob der Gläubiger von einem endgültigen Bestreiten ausgehen muss oder, ob er die Erklärung des Insolvenzverwalters bei vernünftiger Betrachtung der Gesamtumstände dahin verstehen kann, dass eine Beseitigung des Widerspruchs auch ohne Inanspruchnahme der Gerichte möglich ist. Das ist hier der Fall.
Mehr zum Thema:
Kommentierung | ZPO
§ 93 Kosten bei sofortigem Anerkenntnis
Herget in Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024
10/2023
Beratermodul Zöller Zivilprozessrecht
Die perfekte Basisausstattung zum Zivilprozessrecht finden Praktiker in diesem Modul. Mit neuen Kommentierungen zu digitalen Themen und topaktuellen Annotationen zu Gesetzesänderungen und wichtiger neuer Rechtsprechung. Inklusive LAWLIFT Dokumentautomation Zivilprozessrecht. Nutzen Sie ausgewählte Dokumente zur Bearbeitung mit LAWLIFT. Hier eingearbeitet die ersten Online-Aktualisierungen im Zöller zur Videokonferenztechnik (25.7.24). 4 Wochen gratis nutzen!
Niedersächsisches Landesjustizportal
Der Kläger verfolgt mit der Klage die Feststellung einer Forderung aus Minderung zur Insolvenztabelle. Die Ansprüche aus Kaufgewährleistungsrecht gegen die Insolvenzschuldnerin als Verkäuferin hatte die an dem Rechtsstreit nicht beteiligte Leasinggeberin an den Kläger abgetreten. An Unterlagen fügte der Kläger der Anmeldung der Forderung sein Forderungsschreiben an die Insolvenzschuldnerin vom 15.1.2024 bei. Der Beklagte nahm die Forderung in die Tabelle mit der Bemerkung auf: "Forderung durch den Insolvenzverwalter in voller Höhe bestritten, weil Nachweise (u. a. Vertragsunterlagen) fehlen."
Nachdem der Kläger der Klage eine Abschrift des Leasingvertrages beigefügt hatte, erkannte der Beklagte die Klage unter Verwahrung gegen die Kostenlast an. Das LG verurteilte den Beklagten gemäß seines Anerkenntnisses und erlegte dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auf. Für den Beklagten habe mangels Unterlagen keine Möglichkeit bestanden, die angemeldete Forderung zu prüfen. Diesen alleinigen Grund für das Bestreiten hätte der Kläger auf Nachfrage bei dem Beklagten oder durch Einsichtnahme in die Insolvenzakte in Erfahrung bringen können.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers hatte vor dem OLG keinen Erfolg.
Die Gründe:
Nach § 93 ZPO fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt und der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat. Es bestehen keine Zweifel, dass der Beklagte, der das Anerkenntnis mit der Verteidigungsanzeige erklärt hat, sofort i.S.v. § 93 ZPO anerkannt hat. Der Beklagte hat auch keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben.
Bestreitet der Insolvenzverwalter die Forderung nur "vorläufig", macht er durch eine solche Erklärung deutlich, dass er die Forderung nur deshalb bestreitet, weil er sich zu ihr noch nicht abschließend erklären kann. Der Gläubiger weiß dann, dass eine Feststellung seiner Forderung zur Tabelle ohne gerichtliche Hilfe noch möglich ist. Dann ist es ihm zuzumuten, sich bei dem Insolvenzverwalter zu vergewissern, ob dieser seinen Widerspruch aufrechterhält. Dies dient einer verfahrensökonomischen Erledigung des durch das "vorläufige" Bestreiten eingetretenen Schwebezustands und verletzt keine anerkennenswerten Interessen des Gläubigers. Dieser kann dem Verwalter eine angemessene Frist zur abschließenden Entscheidung über die angemeldete Forderung setzen.
Soweit - teilweise im Anschluss an OLG Frankfurt a.M. v. 15.2.2021 - 13 W 6/21 - die Ansicht vertreten wird, dass es für ein "vorläufiges" Bestreiten in dem vorgenannten Sinne nicht genüge, wenn der Insolvenzverwalter die Forderung als "nicht ausreichend belegt" bestreitet, vermag der Senat dem nicht beizutreten. Zum einen ist der genannten Entscheidung bereits kein solcher Rechtssatz zu entnehmen. Die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. beruht vielmehr darauf, dass der Anmeldung - anders als hier - ausreichende Unterlagen beigefügt waren und der Insolvenzverwalter sein Bestreiten vor Erhalt der nachgeforderten Unterlagen aufgab, sie für seine Prüfung also nicht benötigte, weshalb sich das Berufen auf unzureichende Unterlagen als sachlich falsch darstellte.
Zum anderen beurteilt sich die Klageveranlassung gem. den Voraussetzungen des § 93 ZPO, also danach, ob das Verhalten des Beklagten aus der Sicht des Klägers bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme bietet, er werde ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu seinem Recht kommen. Das richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Auch aus den spezifischen insolvenzrechtlichen Vorgaben für eine (wirksame) Forderungsanmeldung lassen sich besondere Anforderungen an das "vorläufige" Bestreiten nicht ableiten. Das Gesetz kennt ein "vorläufiges" Bestreiten nicht. Schon deshalb ist die Verwendung dieses Ausdrucks oder eines bestimmten Wortlauts nicht erforderlich. Nach Maßgabe des § 93 ZPO ist vielmehr entscheidend, ob der Gläubiger von einem endgültigen Bestreiten ausgehen muss oder, ob er die Erklärung des Insolvenzverwalters bei vernünftiger Betrachtung der Gesamtumstände dahin verstehen kann, dass eine Beseitigung des Widerspruchs auch ohne Inanspruchnahme der Gerichte möglich ist. Das ist hier der Fall.
Kommentierung | ZPO
§ 93 Kosten bei sofortigem Anerkenntnis
Herget in Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024
10/2023
Beratermodul Zöller Zivilprozessrecht
Die perfekte Basisausstattung zum Zivilprozessrecht finden Praktiker in diesem Modul. Mit neuen Kommentierungen zu digitalen Themen und topaktuellen Annotationen zu Gesetzesänderungen und wichtiger neuer Rechtsprechung. Inklusive LAWLIFT Dokumentautomation Zivilprozessrecht. Nutzen Sie ausgewählte Dokumente zur Bearbeitung mit LAWLIFT. Hier eingearbeitet die ersten Online-Aktualisierungen im Zöller zur Videokonferenztechnik (25.7.24). 4 Wochen gratis nutzen!