06.06.2025

Kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nach Verkehrsunfall

Ein Kläger, der durch seinen Rechtsanwalt vorgerichtlich nicht begründete Ansprüche aufgrund der unzutreffenden Behauptung verfolgt, Eigentümer des unfallbeschädigten Fahrzeugs zu sein, im Prozess dann zutreffend Ansprüche der Bank geltend macht, der das Fahrzeug als Sicherheit übereignet war, hat gegen den Unfallverursacher insoweit keinen Schadenersatzanspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

OLG Stuttgart v. 27.5.2025, 6 U 149/24
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte die Beklagten im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach stand nicht im Streit. Der Kläger hatte seinen Prozessbevollmächtigten mit der Durchsetzung seiner Schadensersatzansprüche aus dem Unfall beauftragt. Mit Schreiben vom 7.9.2023 teilte dieser der N. Vers.-AG mit, der Kläger mache als Eigentümer Schadensersatzansprüche aus dem Unfall geltend. Mit seiner Klage hat der Kläger dann die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 28.965 € und Erstattung außergerichtlicher Anwaltsgebühren i.H.v. 3.644 € in Anspruch genommen.

Nachdem die Beklagten jedoch nicht nur Einwendungen zur Höhe geltend gemacht, sondern auch das Eigentum des Klägers an dem Fahrzeug bestritten hatten, hat der Kläger erklärt, dass das streitgegenständliche Fahrzeug über die S. Bank finanziert sei, die den Kläger zur Geltendmachung des Schadens auf eigene Rechnung und im eigenen Namen ermächtigt habe. Im Termin hat er klargestellt, dass er mit der Klage Ansprüche der S. Bank im eigenen Namen geltend mache.

Das LG hat dem Kläger den in Prozessstandschaft geltend gemachten Fahrzeugschaden i.H.v. 25.600 € zugesprochen. Weiter könne der Kläger als berechtigter Besitzer aus eigenem Recht 3.365 € wegen Nutzungsausfalls, Sachverständigenkosten und einer Kostenpauschale verlangen. Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten stehe dem Kläger allerdings nur aus dem Gegenstandswert von 3.365 € zu, weil er im Zeitpunkt der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung nur in diesem Umfang berechtigt gewesen sei. Die Beklagten schuldeten deshalb nur vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 453 €.

Hiergegen wandte sich die Berufung des Klägers, der geltend machte, die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten seien aus einem Gegenstandswert zu berechnen, der auch den Fahrzeugschaden umfasse. Als berechtigter Besitzer und Inhaber eines Anwartschaftsrechts habe ihm ein Zahlungsanspruch auf Ersatz des Sachschadens am Fahrzeug aus eigenem Recht zugestanden. Das OLG hat die Berufung zurückgewiesen.

Die Gründe:
Zu Recht hat das LG einen Anspruch des Klägers verneint, da er in Bezug auf den Schaden am Fahrzeug außergerichtlich Ansprüche wegen Verletzung seines Eigentums geltend gemacht hatte, die nicht begründet waren.

Der Kläger war nicht Eigentümer des Fahrzeugs, da er es der finanzierenden Bank als Sicherheit übereignet hatte. Das davon abweichende streitige Vorbringen des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung über die Berufung, wonach der Darlehensvertrag tatsächlich keine Vereinbarung über eine Sicherungsübereignung enthalte, konnte im Berufungsverfahren nach § 531 Abs. 2 ZPO keine Berücksichtigung finden.

Gem. § 314 Satz 1 ZPO liefert der Tatbestand des Ersturteils den Beweis für das mündliche Vorbringen einer Partei im erstinstanzlichen Verfahren. Da sich die Beweisregel des § 314 Satz 1 ZPO auf das mündliche Parteivorbringen bezieht, ist davon auszugehen, dass die Parteien dasjenige in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben, was der Tatbestand ausweist. Wird die Beweiskraft des Tatbestands - wie hier - nicht durch das Sitzungsprotokoll nach § 314 Satz 2 ZPO entkräftet und ist eine Berichtigung des Tatbestands nach § 320 ZPO nicht beantragt worden, ist gegenteiliges Vorbringen in zweiter Instanz als neues Angriffs- oder Verteidigungsmittel zu behandeln, das nur unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen ist. Und ein Grund, das neue Vorbringen des Klägers nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen, war nicht gegeben.

Der Kläger hat vorgerichtlich ausschließlich nicht begründete Ansprüche aufgrund der unzutreffenden Behauptung verfolgt, Eigentümer des Fahrzeugs zu sein. Das schloss die Annahme, der Kläger habe im Widerspruch dazu Rechte wegen der Verletzung eines Anwartschaftsrechts aufgrund des Sicherungsvertrages mit der finanzierenden Bank als Sicherungseigentümerin geltend gemacht, genauso aus wie die Verfolgung von Ansprüchen der finanzierenden Bank im eigenen Namen, zumal dem Kläger die dafür erforderliche Befugnis erst im Verlauf des Rechtsstreits durch die Ermächtigung der S. Bank erteilt worden war. Eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der vorgerichtlichen anwaltlichen Tätigkeit könnte allenfalls erwogen werden, wenn der Kläger von Anfang an offengelegt hätte, ein fremdes Recht in eigenem Namen geltend zu machen, was hier aber nicht der Fall war.

Soweit Schadensersatzansprüche aus der Stellung als berechtigtem Besitzer abgeleitet werden können, bestand das behauptete Eigentum des Klägers als Grundlage eines solchen Besitzrechts gerade nicht. Die Rechtsstellung als berechtigter Besitzer aufgrund eines mit der Bank vereinbarten Besitzkonstituts (§ 930 BGB) hatte der Kläger vorgerichtlich gerade nicht geltend gemacht.

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