06.05.2025

Keine Befangenheit wegen der Ablehnung einer Videoverhandlung bei komplexem Fall

Die Besorgnis der Befangenheit ist nicht gerechtfertigt, wenn der abgelehnte Richter die Zurückweisung des Antrags auf Durchführung einer Videoverhandlung gemäß § 128a ZPO mit der Komplexität des Falles und der Höhe des Streitwertes begründet, weil es sich hierbei um sachliche Erwägungen handelt, die bei der Geeignetheit des Falles eine Rolle spielen.

OLG Stuttgart v. 10.3.2025 - 3 W 10/25
Der Sachverhalt:
Die Beklagten wenden sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs. Begründet wurde das Ablehnungsgesuch u.a. mit der Ablehnung einer Videoverhandlung durch den Einzelrichter.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs hat das OLG als unbegründet zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Die von den Beklagten geltend gemachte Besorgnis der Befangenheit ist nicht gerechtfertigt. Es bestehen keinerlei Ansatzpunkte für die Annahme einer willkürlichen oder unsachlichen Einstellung des abgelehnten Einzelrichters, auch nicht für eine bloße Besorgnis hierfür.

Soweit sich das Ablehnungsgesuch der Beklagten auf die Ablehnung des Antrags auf Durchführung einer Videoverhandlung nach § 128a ZPO stützt, ist es unbegründet, da auch dieser Vorgang keinen Grund darstellt, der geeignet wäre, Misstrauen in die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters aufkommen zu lassen.

Eine willkürliche oder unsachliche Vorgehensweise des abgelehnten Einzelrichters ist bei vernünftiger Würdigung aller Umstände nicht zu erkennen. Wenngleich nach der Neufassung der Norm nach § 128a Abs. 3 S. 1 ZPO die Teilnahme eines Verfahrensbeteiligten per Bild- und Tonübertragung grundsätzlich gestattet werden soll, gilt dies gleichwohl nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 128a Abs. 1 S. 1 ZPO. Als maßgebliche Gründe für die Ablehnung einer Videoverhandlung führte der abgelehnte Einzelrichter in erster Linie die Komplexität des Falles und die Höhe des Streitwertes an. Hierbei handelt es sich um sachliche Erwägungen, die bei der Frage der Geeignetheit des Falles eine Rolle spielen.

Auch die ergänzend angeführte Erwägung des abgelehnten Einzelrichters, dass die Technik nicht stets zuverlässig funktioniere, stellt keine sachfremde dar. Denn § 128a Abs. 1 S. 1 ZPO stellt als Voraussetzung für eine Videoverhandlung gerade auch auf ausreichende Kapazitäten ab, nimmt mithin auch technische Rahmenbedingungen in den Blick. Dass diese am LG Ellwangen grundsätzlich nicht vorhanden seien, behauptete der abgelehnte Einzelrichter zu keiner Zeit, weshalb auf die Recherchen der Beklagten hierzu sowohl beim LG Ellwangen direkt als auch beim Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg nicht weiter einzugehen ist. Dass die Videotechnik trotz Vorliegen der technischen Voraussetzungen nicht stets störungsfrei funktioniert, wie es der abgelehnte Einzelrichter als ergänzende Erwägung angab, ist dem Senat aus eigener Erfahrung bekannt.

Selbst wenn aus den vom abgelehnten Einzelrichter angeführten Gründen für die Ablehnung einer Videoverhandlung nach § 128a ZPO eine sachfremd motivierte Entscheidung hervorginge, wäre allerdings nicht ersichtlich, weshalb sich hieraus ein Misstrauen in die Unparteilichkeit des abgelehnten Einzelrichters gerade gegenüber den Beklagten ergeben sollte. Denn zum einen rechtfertigt eine fehlerhafte Rechtsanwendung schon im Ausgangspunkt nicht ohne Weiteres die Annahme, der Richter stehe der Sache nicht mit der erforderlichen Unvoreingenommenheit gegenüber. Zum anderen war die Klagepartei von der Ablehnung einer Videoverhandlung mit den dargestellten Gründen ebenso betroffen wie die Beklagtenpartei. Denn auch die Klägerin hatte bereits einen Antrag auf Durchführung einer Videoverhandlung nach § 128a ZPO gestellt, der mit entsprechender Begründung des abgelehnten Einzelrichters abgelehnt worden war.

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Aufsatz:
Gerichtsverhandlung per Videokonferenz
Klaus Bacher, MDR 2024, 945

Aufsatz enthalten im
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