07.06.2018

Keine Beschränkung der Aufenthaltsfreiheit von gleichgeschlechtlichen Ehegatten aus Nicht-EU-Ländern

Der Ehegattenbegriff i.S.d. unionsrechtlichen Bestimmungen über die Aufenthaltsfreiheit von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen umfasst Ehegatten gleichen Geschlechts. Den Mitgliedstaaten steht es zwar frei, die Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts zu erlauben oder nicht, jedoch dürfen sie die Aufenthaltsfreiheit eines Unionsbürgers nicht dadurch beschränken, dass sie seinem gleichgeschlechtlichen Ehegatten, der Staatsangehöriger eines Nicht-EU-Landes ist, ein abgeleitetes Recht zum Aufenthalt verweigern.

EuGH 5.6.2018, C-673/16
Der Sachverhalt:
Die Kläger, ein rumänischer und ein amerikanischer Staatsangehöriger, lebten vier Jahre in den Vereinigten Staaten zusammen, bevor sie 2010 in Brüssel heirateten. 2012 wandten sie sich an die rumänischen Behörden mit der Bitte um Mitteilung, unter welchen Voraussetzungen der Ehegatte als Familienangehöriger das Recht erlangen könne, sich für eine Dauer von mehr als drei Monaten rechtmäßig in Rumänien aufzuhalten. Sie stützen sich dabei auf die Richtlinie 2004/38/EG vom 29.4.2004 über die Ausübung der Freizügigkeit, die es dem Ehegatten eines Unionsbürgers, der von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat, erlaubt, seinem Ehegatten in den Mitgliedstaat nachzuziehen, in dem er sich aufhält.

Die rumänischen Behörden teilten mit, dass der Ehegatte nur ein  Recht zum Aufenthalt für drei Monate habe, insbesondere weil er in Rumänien nicht als Ehegatte eines Unionsbürgers angesehen werden könne, da dort Ehen zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern nicht anerkennt werden. Die Kläger erhoben daraufhin Klage auf Feststellung einer Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung im Hinblick auf die Ausübung des Freizügigkeitsrechts.

Der mit dem Rechtsstreit befasste rumänische Verfassungsgerichtshof fragte beim EuGH an, ob der Ehegatte unter den Begriff des Ehegatten eines Unionsbürgers in den Bestimmungen der Aufenthaltsfreiheit fällt und ihm daher ein Recht auf Daueraufenthalt in Rumänien zu gewähren ist. Der EuGH bejahte die Fragen.

Die Gründe:
Die Richtlinie über die Ausübung der Freizügigkeit regelt allein die Voraussetzungen, unter denen ein Unionsbürger in andere Mitgliedstaaten als in den seiner eigenen Staatsangehörigkeit einreisen und sich dort aufhalten darf. Auf sie kann daher kein abgeleitetes Recht von Nicht-EU-Staatsangehörigen, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, zum Aufenthalt in dem Mitgliedstaat dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt, gestützt werden. Daher kann die Richtlinie dem Ehegatten kein abgeleitetes Recht zum Aufenthalt in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sein Ehegatte besitzt, Rumänien, begründen.

Allerdings können Nicht-EU-Staatsangehörige die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind und nach der Richtlinie kein abgeleitetes Recht zum Aufenthalt herleiten können - nach EuGH-Rechtsprechung - in bestimmten Fällen auf der Grundlage von Art. 21 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union die Anerkennung eines solchen Rechts erreichen. Die Voraussetzungen dürfen dabei nicht strenger sein als diejenigen, die die Richtlinie vorsieht, der Familienangehöriger eines Unionsbürgers ist, der sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat, indem er sich in einem anderen Mitgliedstaat, als dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, niedergelassen hat.

Der Begriff des Ehegatten i.S.d. Richtlinie über die Freizügigkeitsausübung ist geschlechtsneutral und schließt somit den gleichgeschlechtlichen Ehegatten eines Unionsbürgers ein. Den Mitgliedstaaten steht es frei, die Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts zu erlauben oder nicht. Aber die Weigerung eines Mitgliedstaats, die in einem anderen Mitgliedstaat geschlossene Ehe eines Nicht-EU-Staatsangehörigen mit einem Unionsbürger gleichen Geschlechts allein zur Gewährung eines Aufenthaltsrechts anzuerkennen, geeignet ist, die Ausübung des Rechts des Unionsbürgers, sich in der Union frei zu bewegen zu können, zu beschränken. Dagegen beeinträchtigt die Pflicht eines Mitgliedstaats, eine solche Ehe allein zur Gewährung eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts zugunsten eines Nicht-EU-Staatsangehörigen anzuerkennen nicht das Institut der Ehe. Insbesondere verpflichtet sie den Mitgliedstaat nicht dazu, das Institut der Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts in seinem Hoheitsgebiet vorzusehen. Somit widerspricht dies weder der nationalen Identität noch der öffentlichen Ordnung des betreffenden Mitgliedstaats.

Linkhinweis:
Für die auf den Webseiten des EuGH veröffentlichte Pressemitteilung klicken Sie bitte hier. Den ebenfalls dort veröffentlichten Volltext der Entscheidung finden Sie hier.

EuGH PM Nr. 80/2018 vom 5.6.2018
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